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Elmar M. Lorey
Wie der Werwolf unter die Hexen kam
Zur Genese des Werwolfpozesses

I. Eine fragmentarische Kartographie

In der magischen Denkwelt des ausgehenden Mittelalters, in der das Hexenwesen eine seiner Wurzeln hat, werden dem Wolf recht ambivalente Bedeutungen zugeschrieben. Darunter so rätselhafte, wie sie der Tiroler Justizbeamte und Schriftsteller Hans Vintler unter seinen Zeitgenossen beobachtet und um das Jahr 1411 in Bozen in seinem „Tugendbuch“ notiert hat:
So send denn vil, die hie haben / glauben, es pring grossen frum / ob jn des morgens ain wolf kum / vnd ein has pring ungelücke.
[1]

(Abb.1) Anonym. Holzschnitt aus Johannes Vintler, Buch der Tugend, Augsburg 1486, Fol. 153r.Die morgendliche Begegnung mit einem Wolf war so etwas wie ein Glücksfall, eine gute Vorbedeutung für das, was man sich an diesem Tage vorgenommen hatte, wohingegen die abendliche Begegnung mit einem Hasen als schlechtes Vorzeichen galt. (Abb. 1) Dieser von Vintler als abergläubisch apostrophierte Angangsglaube gehörte auch andernorts zur Vorstellungswelt der Menschen, wie der Leibarzt des Herzogs von Bayern, Johannes Hartlieb, um das Jahr 1455 überliefert:
Die bösen cristen treiben mit der [zauber] kunst vil unglaubens, wan sie reden wann ainem ain has begegne das sei unglück, und wann ainem ain wolf begegne so soll das ain gross gelück sein.
[2]

Der Wolf als Glücksbringer? Wie konnte das möglich sein, wo doch zur gleichen Zeit in der gelehrten Welt eine heftige Debatte darüber entbrannt war, dass in einem solchen Wolf durchaus ein verwandelter Mensch verborgen sein konnte, ein Zauberer oder eine Hexe, die auf Grund ihres Paktes mit dem Satan in diese Gestalt hinüber gewechselt waren, um nichts anderes im Schilde zu führen, als Gott zu verhöhnen und Menschen wie Tier zu vernichten?

Der wolfsverwandelte Mensch, von dem in römisch-griechischen, in germanischen und nordischen Mythen berichtet wird, ist nach Ansicht der Volkskundler und Ethnologen fast überall in Europa unter den volkstümlichen Erzählfiguren anzutreffen. Zu den besonders rätselhaften Aspekten dieser Gestalt gehört jedoch sein Auftritt im Hexenprozess. Die Frage des unbefangenen Beobachters, wie es denn möglich war, dass im Zeitraum von etwa 1580 bis zur Wende ins 18. Jahrhundert immer wieder Menschen vor Gericht gestellt und mit dem Vorwurf konfrontiert wurden, sich in Wolfsgestalt verwandelt zu haben, ist in der Tat nicht einfach zu beantworten. Schon den ersten Historikern, die sich mit der Erforschung des Hexenwesens befassten, erschien die Verknüpfungsreihe „Hexe und Wolf“ zumeist als so bizarre Konstruktion, dass sie kaum in Erwägung zogen, größere Aufmerksamkeit darauf zu verwenden.

Der Entwicklungsprozess des dämonologisch kontaminierten Werwolf-Stereotyps von der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts bis hin zu den gerichtsfesten Formeln, die von Juristen mancherorts in die „Fragestücke“ des 17. Jahrhunderts eingebracht wurden und die Wolfsverwandlung zu einem eigenen hexerischen Deliktbereich machten, hat sich in der Tat erst lückenhaft nachzeichnen lassen. Gemessen an der Gesamtzahl der Opfer stellen die vor Gericht verhandelten Werwölfe fraglos nur eine Minderheit dar. Darin liegt zweifellos eine der Ursachen für die weißen Flecken in der Kartographie dieser Variante des Hexenwesens. Eine anderer ist vermutlich darin zu suchen, dass dieser Verfahrenstyp offenkundig nur in bestimmten Regionen Fuß fassen konnte und nicht überall in den klassischen Verfolgungsgebieten gleichermaßen anzutreffen ist. Zuweilen war der Werwolfverdacht auch nur ein beiläufiger Aspekt der Anklage, der schon im weiteren Verlauf des Verfahrens wieder unterging, weil er sich zunehmend mit dem Hexenstereotyp verschränkte oder aus den unterschiedlichsten Gründen nicht die Aufmerksamkeit der Richter fand. In mancher Regionalstudie mag der eine oder andere Werwolffall womöglich auch deshalb unberücksichtigt geblieben sein, weil man ihn aus Mangel an Vergleichsmöglichkeiten und maßstäblichen Vorarbeiten wieder zu den Akten legte.

Mehrere Aspekte in der Entwicklungsgeschichte dieser Hexereivariante sind, wie es scheint, noch nicht in einem befriedigenden Maße ausgeleuchtet. Unklar ist noch immer, in welcher Art und in welchem Umfang regional unterschiedlich verbreitetes Erzählgut auf das sich entwickelnde dämonlogische System Einfluss genommen hat. Der Franzose Jean Palou stellt in seiner Studie die Existenz einer solchen immer wieder unterstellten oralen Tradition überhaupt in Frage, wenn er ausgerechnet für seine an Werwolfgeschichten so reiche Heimat Frankreich[3] zu dem Ergebnis kommt, die Vorstellung sei den Menschen „allein von den Richtern und Dämonologen aufgepfropft“ worden.[4] Auffällig ist, dass gerade im Norden Frankreichs, wo der Werwolf-Mythos zur literarischen Vorlage wurde und in den bretonischen und südenglischen Versgedichten des späten Mittelalters (Sir Marrok, Bisclaveret, Bisclarel, Melion, Arthur et Gorlagon, Guillaume de Palerne) eine zentrale Rolle spielt, gerichtlich verfolgte Werwölfe nicht zu finden sind. War es diese literarische Tradition, deren konträre inhaltliche Aufladung einer dämonologischen Überformung besonderen Widerstand entgegensetzte?[5]

Für einige Regionen in Deutschland gibt es Hinweise, dass der Begriff Werwolf dort nicht gebräuchlich war, wie Güting am Beispiel des württembergischen Dichters Michel Beheim nachzuweisen sucht. Bei der Übersetzung einer lateinischen Vorlage, die Beheim um das Jahr 1495 anfertigte und in der es um „mancherlei Ketzer, Zauber und Unglauben“ ging, stand ihm dieser Begriff offensichtlich nicht zur Verfügung:[6]

Auch wirt unglaub damit gepreüt, / das man gelaubet, das die leüt / zu wolffen werden, das sind neüt / wann cherczerlich unglaben.[7]

Deutet die regionale Abwesenheit des Begriffs aber zwangsläufig darauf hin, dass damit zugleich auch die Vorstellung vom wolfsverwandelten Menschen unbekannt war? Dem Nürnberger Hans Sachs (1494-1576), der seine biblischen und antiken Stoffe gründlich studierte, ehe er sie in seinen Dramen und Spruchgedichteten verarbeitete, war der Begriff „Werwolf“ durchaus geläufig.[8] Aber auch in den lateinischen Texten verwenden die Autoren statt versipellis meist umschreibende Wendungen wie converti in lupos. In der Übersetzung der Bodin'schen Daemonomania von 1581 gebraucht Fischart neben dem Wehrwolff häufig auch Begriffe wie Wolffmensch oder Wandelwolff.[9] Unter den Hexenprozessen in Bayern ist bis heute kein Werwolf gefunden worden. Dennoch hatte sich gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges dort das kontaminierte Muster zumindest in einigen Gebieten eingebürgert. Im Jahre 1643 gingen in Landshut Gerüchte um, dass Wolfmacher in der Region die Menschen in Unruhe versetzten. Das Rentamt wandte sich an die Regierung in Straubing und erinnerte daran, bei einem Verfahren im Jahre 1641 habe sich gezeigt, dass sich Menschen durch teuflisches Hexenwerk in Wölfe verwandeln und in dieser Gestalt Menschen und Tieren Schaden zufügen könnten.[10] Schon 1612 waren im Bayerischen Wald ungewöhnliche Wölfe aufgetaucht, die Kinder angefallen hatten. Der Münchner Hofrat veranlasste daraufhin eine Untersuchung, weil allen Umbstehenden nach wohl zu glauben und zu vermuethen, das dise Wölf durch Nigromanceii und Zauberei in solche Thier verwandlet [...] sonderlich durch die Hüetter von dem vieh abgepant und gezaubert werden mögen.[11] In der Folge waren 1612 und 1622 im Landgericht Zwiesel mehrere verdächtige Hirten als Paizer [Zauberer], nicht aber als Werwölfe hingerichtet worden. Der Hofrat bezeichnete die Delinquenten als Paizer, Paizerhelfer, Wolffmacher, Zetlausgeber, Zauberer, Wahrsager und dergleichen Kinstler.[12]

Manches deutet darauf hin, dass sich der Begriff Werwolf erst in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts oder gar noch später in Regionen eingebürgert hat, in denen die Menschen sich zuvor anderer Umschreibungen bedient hatten. Auch der Konstanzer Dichter Hermann von Sachsenheim kennt nicht das Wort, aber die Vorstellung, wenn er in seinem 1453 verfassten Versgedicht Die Mörin von einer „bestimmten Art“ im Walde zu leben spricht: Du künigin sach den Eckhart an / Und sprach: bertting, geswig der wort ! / Liefst du in grünem walde dort / Und werst ain wolff, das echt ich clain.[13]

Hansen meint darin einen Hinweis auf die Verbreitung des Werwolfglaubens zu erkennen.[14] Aus dem Kontext des Gedichtes, in dem der Autor spezielle Situationen und Vorgänge der württembergischen Reichspolitik zum Anlass einer satirischen Darstellungen nimmt, geht es unter anderem um Rechtsstreitigkeiten und um die Anrufung der obersten Rechtsinstanz. Damit eröffnet sich die Möglichkeit, dass Sachsenheim hier auf die altgermanische Rechtsfigur des Friedlosen, des rechtlos Gemachten anspielt.[15] Es mag zutreffen, wie Wolfgang Schild meint, dass die Germanen im gefährlichen Missetäter „Wolf“ (wargus) nicht unbedingt auch ein dämonisches Wesen sahen.[16] Wenn diese Rechtsfigur im 15. und 16. Jahrhundert jedoch virulent war, stellt sich zumindest die Frage, ob sie auf die juristische Zurichtung des hexerischen Werwolfmodells Einfluss haben konnte.[17]

Zweifellos tragen regionale Wolfspaniken als Folge überproportionaler Wolfspopulationen, wie sie beispielsweise in der Franche-Comté zu beobachten sind oder als Folge von Kriegswirren entstanden, zu Konjunkturen dieses Prozesstyps bei. Doch ein Zusammenhang von Wolfskrisen und Verfahrenshäufung erscheint nicht als zwangsläufig. Dass einzelne Juristen sich dieses Themas in besonderer Weise angenommen hatten und zur Popularität dieses Prozessmodells in ihren Regionen beitrugen, wird noch zu zeigen sein.

Weiterer Klärung bedürfte auch die Frage, ob der Rückgriff auf das pathologische Konzept der Lycanthropie, die von der antiken Medizin unter die Melancholiekrankheiten gezählt[18] und von Verfolgungsskeptikern als Einwand immer wieder in die Hexerei-Debatte geworfen wurde, den dämonologischen Entwurf eher geschwächt oder gefördert hat.[19] Andere offene Fragen betreffen die hexerisch kontaminierten Werwölfe in Ungarn, in den baltischen und skandinavischen Ländern und ihre je eigenen Wurzeln.[20] Rätselhaft erscheint auch die Abwesenheit des frühneuzeitlichen Werwolfs im Mittelmeerraum, wo trotz der reichhaltigen Tradition an antiken Verwandlungsgeschichten[21] Belege für eine dämonologische Wiedergeburt nicht zu finden sind.

Außer Frage steht, dass spätestens mit Augustinus die Theologie für diesen Topos eine entscheidende Vermittlerrolle einnahm und den alten Geschichtenkanon im Zentrum Europas nicht nur verbreitete, sondern auch mit neuen Aspekten anreicherte. Selbst unter der Kanzel konnte man schon früh von wolfsverwandelten Menschen hören, wie etwa in der Vita des Heiligen Ronan, eines bretonischen Bischofs aus dem 5. Jahrhundert, der sich jeweils zum Neumond in einen Wolf verwandelt haben soll.[22] In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts setzte eine verstärkte Rezeption der antiken Autoren ein. Mit ihr wanderten heidnisch-religiöse Traditionen in das Wissenssystem ein, die auch zu einer Neujustierung der theologischen Deutungsmodelle führen. Bei der reflektorischen Durchdringung der Heilsökonomie, an deren Ziellinie der Mensch als erlöstes, aber stets gefährdetes Geschöpf Gottes stand, erhielten nicht nur der Satan und eine beachtliche Komparserie von Halb- und Zwischenwesen neues Gewicht. Mehr als zuvor wurde die Erfahrung des Unmenschlichen, des Nicht-Menschlichen, des Tierischen, das nach einem eigenen angemessenen Platz im Schöpfungsplan verlangte, in das theologische System eingewoben.

Im frühen 13. Jahrhundert hatte der Heilige Franziskus die Wildheit der Tiere noch darauf zurückgeführt, dass sie auf diese Weise ihre Rebellion gegen Adams und Evas Sündenfall zum Ausdruck brachten. Wenige Jahrzehnte später fand Thomas von Aquin zu einem weit pragmatischeren Urteil. Da Tiere keine Seele hatten, bewertete er sie nach ihrem Verhältnis zum Menschen, je nachdem ob sie ihm zu Nutze oder zu Schaden waren. Wölfe, Bären, Füchse und andere pelzige Räuber, die sich der menschlichen Dienstbarkeit verweigerten, gerieten auf die Schattenseite der Schöpfung. Den Wolf zumal hatten die einschlägigen biblischen Titelholzschnitt zu einer reformat. Streitschrift des Urbanus Rhegius, Wittenberg 1539Zuschreibungen in besonderes Zwielicht gebracht.[23] In der neutestamentlichen Metaphorik stellte er - für beide theologische Lager - den diabolischen Gegenpart des Guten Hirten dar. Kaum ein Prediger verschmähte das homiletische Muster, das Abraham a Sancta Clara auf gewohnt plastische Weise auf den Punkt brachte: Diejenigen sollten ohne Zunge sein, welche eine Wolfszunge haben. Und diese sind die Gotteslästerer. [Denn] ein Schaf neigt sich gegen den Boden nieder und bleckt, ein Wolf aber hält den Kopf in die Höhe, über sich den Himmel, und heult. Nicht weniger hebt auch ein Gotteslästerer sein Haupt aus Grimm und Zorn gegen den Himmel: Gegen seinen Erschaffer, gegen seinen Erlöser.[24]

Der Wolf als Metapher für den Aufständischen, den Rebellen und Leugner Gottes. Ohnehin ist er von altersher der großen Angstgegner des Menschen, der listenreiche Angreifer, der im rätselhaften Zusammenspiel mit seinen Artgenossen das heimische Vieh bedroht. Er ist der gefürchtete Konkurrent bei der Jagd, der sich schon immer mit dem Raben zusammentut, was beide Tiere nicht zuletzt in den mythischen Schatten der Todessphäre bringt.[25] Bei der Neubewertung der Natur im Zeitalter der Renaissance bleibt dieses alte Erbe erhalten.[26] Sein Echo findet sich im vorax lupus, dem „raffinierten“[27] und untypischen Wolf, der vom üblichen Verhalten abweichend, auch den Menschen angreift. Der neue naturwissenschaftliche Blick auf das Tier und seinen Verhaltenskodex führt zur Unterscheidung zwischen dem „natürlichen“ und dem „unnatürlichen“ Wolf, dessen Un-Natur fast wie von selbst in die Nähe diabolischer Verursachung rückte.

Spätestens im 16. Jahrhundert steht der „neue“ Werwolf jedenfalls auf der Agenda des gelehrten Hexereidiskurses, wie wir sehen werden. Zugleich gibt es aber, wie es scheint, rätselhafte Schutzzonen. Es lassen sich Regionen, Bücher und Gedichte ausmachen, in denen von diesem Gestaltwandler ganz anders erzählt wird, so als habe ihn die Düsternis des Hexenwesens noch nicht erreicht. In seinem Gargantua-Roman[28] wirbelt der theologisch versierte François Rabelais (1495-1553) die Figur als burleske Karikatur durch seinen Wörterwald, ohne dass an ihr der neue diabolische Zug zu entdecken wäre. Die Spottlust des ehemaligen Mönches und Arztes kannte keine Grenzen, und man stellt sich unwillkürlich die Frage, ob er mit der dämonischen Kontaminierung nicht doch ein eigenes Spiel getrieben hätte, wäre sie denn überall in gleichem Maße besetzt gewesen. Noch 1554 verspottet die ungewöhnliche Schriftstellerin Louize (Charly) Labé (1525-1566) in ihrem Lyoner Salon den schlecht gebildeten und stillosen Adligen, der ungesellig lebt und seine Weste mit rostigen Nadeln zusammen hält, als Loup-garou,[29] während nicht fern, in der Franche-Comté, die ersten hexerischen Werwölfe schon längst zu Asche verbrannt sind. Die Hexenverfolgung hatte schon zur Routine gefunden, als im Jahre 1552 das Gedicht Guillaume de Palerne ins Neufranzösische übertragen wurde.[30] Es handelt von dem spanischen Prinzen Alphons, der von seiner Stiefmutter, der Königin von Spanien, in einen Wolf verwandelt wird; eine Tat, die aus Sympathie mit dem schuldlos Verwandelten für die missgünstige Königin die betrüblichsten Folgen zeitigt.

Selbst in den Hoch-Zeiten der Hexenverfolgung, so scheint es, war das Muster regional unterschiedlich imprägniert. In machen Gebieten Hessens wurde es als gerichtliche Lappalie behandelt, wenn einer seinen Nachbarn einen „Werwolf“ schalt, während schon in der benachbarten Herrschaft ein Hexereiverfahren daraus entstehen konnte. Von was also hing es ab, dass das Muster in einer Region Konjunktur hatte? Welche Bedingungen führten dazu, dass Menschen sich anderswo einfach weigerten, von diesem dämonologischen Angebot Gebrauch zu machen, das schließlich zum Ende des 16. Jahrhunderts bereit stand? Unter den Hexereiverfahren im süddeutschen Raum, den fränkischen Hochstiften Bamberg, Eichstätt und Augsburg und in Schwaben, so scheint es, hat es keine Werwölfe gegeben. Auch im verfolgungsintensiven Erzstift Würzburg oder in Kursachsen glänzen sie durch Abwesenheit. In Kurmainz hatte man vorsorglich die Möglichkeit der Wolfsverwandlung in die Fragestücke aufgenommen, die den Angeklagten vorgelegt wurden. Doch kein einziger Prozess lässt sich dort nachweisen, in dem dieses Element eine Rolle gespielt hätte. Fehlte in Oberdeutschland bis hin zur Mainlinie das präexistente Erzählgut oder hatten dort die Richter sich mit dieser hexerischen Variante einfach nicht anfreunden können?

Eine restriktive Haltung gegenüber den Verfolgungswünschen von unten, wie sie etwa in kurpfälzischen Territorien praktiziert wurde, führte offensichtlich dazu, dass auch dieses Muster ungenutzt blieb. War die landesherrliche Rechtsprechung grundsätzlich nicht von der Möglichkeit der Tierverwandlung überzeugt, wie Katrin Möller dies für das Herzogtum Mecklenburg-Güstrow nachgewiesen hat, so kam es erst gar nicht zu dieser Variante. Schon im Vorfeld wurden dort die Gerichte ausdrücklich auf die Unzulässigkeit solcher Beschuldigungen aufmerksam gemacht. Anders zeigt sich die Lage im benachbarten Herzogtum Mecklenburg-Schwerin, wo vor allem in den Jahren nach dem Dreißigjährigen Krieg eine solche Denunzierung durchaus zum gerichtsfesten Indiz aufsteigen konnte.[31] Ähnliches lässt sich in den Gebieten nördlich der Mainlinie beobachten. Dort grenzen Regionen mit auffälligen Häufungen unmittelbar an Herrschaftsgebiete an, in denen das Werwolfstereotyp nicht zum Zuge kam.

Das entscheidende Hindernis, so scheint es, lag im Werwolfmuster selbst. So sehr sich die gelehrte Welt mit dem Thema befasste, so sehr widerstrebte ihr die Vorstellung von einer substantiellen Verwandlung eines Menschen in ein Tier. Bei aller Anhänglichkeit an magische Gewohnheiten, die auch unter den Gebildeten verbreitet war, widersprach ein solcher Artenübersprung dem Wissenskanon von Theologie, Philosophie, Logik und Jurisprudenz. Wo aber entstand die Lücke im wissenschaftlichen Diskurs, durch die das hexerische Wolfmodell sich dennoch in die Realität zwängen konnte und über Menschen ein Fell auswarf, das vor Gericht häufig genug das Todesurteil bedeutete? Wie wurde der eigentlich undenkbare Gedanke denkbar?

Machen wir im Folgenden den Versucht zumindest in groben Strichen nachzuzeichnen, wie der Wolf ins Fahndungsbild der Hexenverfolger geriet und mit welchen Schwierigkeiten die Verwalter des Wissens dabei zu kämpfen hatten. Die Geburtsstunde des neu kostümierten Werwolfs liegt in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in der Übergangsphase vom Ketzerei- und Zaubereiprozess zum neuen Hexenprozess.

II. Der Wolf-Topos bei den frühen Hexenprozessen

Gleich zu Beginn der frühesten Hexereiverfahren im westlichen Alpenraum, von wo das Hexenwesen seinen Ausgang nimmt,[32] hat der Wolf seinen ersten Auftritt. Anfangs noch oszillierend zwischen Wolfsbannerei, Wolfsreiterei und Wolfsverwandlung, ist dies zuerst also eine alpine Spezialität, wie Kieckhefer anmerkt.[33]Der einsetzende Hexereidiskurs greift diesen regionalen Topos anfangs nur zögerlich auf, um ihn aber - im Gegensatz zu manch anderen Elementen aus den frühen Verfahren - nicht mehr wirklich loszulassen. Wie bei der Genese des Hexereibegriffs folgt auch im Falle des hexerischen Werwolfs die Theorie der Praxis. Es bedurfte freilich einer fast zwei Jahrhunderte dauernden Anstrengung, bis es den gelehrten Hexentheoretikern gelingt, dieses widerborstige und im Grunde ungeeignete Element aus dem alpenländischen Volksglauben so umzugestalten und zurechtzubiegen, dass es als integraler Bestandteil in das Hexenkonzept eingepasst werden konnte.

Für den Zeitraum von 1407 bis 1461 lassen sich bisher nicht ganz ein Duzend Verfahren nachweisen, bei denen Hexe und Wolf eine Verbindung eingegangen sind. In einem der frühen Baseler Zaubereiprozesse, der im Jahre 1407 „gegen eine Anzahl von Frauen aus dem Kreis des städtischen Patriciates„[34] geführt wird, ist von einem teuflischen Segensspruch der „Stammlerin“ die Rede, der uns an jene Nassauischen Hirten erinnert, die – im 17. Jahrhundert als Werwölfe angeklagt - mit ähnlich klingenden Drohungen der Bereitschaft ihrer Kunden zum Kauf eines Segens ein wenig nachzuhelfen pflegten.

Ich sich dir nach u. sende dir noch nün gwerwolffe - drie die dich zeryssent, drie die din hertzlich bluot ufflappent u. saugent - u. lege dich har zuo diesergluot din sinne u. ouch dinen muot, din schlaffen u. din wachen, din essen u. din trinken - das du min in dinem hertzen ze guetten nymer moegest vergessen. - Dir müsse nach mir werden als wunder we als dem wachsse by dem füre - das helffe mir Lutzifer in der helle u. alle sine gesellen.[35]

Der Ritt der Hexe auf dem Wolf ist bei Geständnissen in Basel (1423 und 1433), in Luzern (1450) und auch bei den frühen Prozessen im Wallis (1428/29) belegt. Hier begegnen uns zugleich auch die ersten Frauen, die in ihren Geständnissen einräumen, sich in die Gestalt eines Wolfes verwandelt zu haben, um so durch die Berge zu eilen, Schneewechten auszulösen oder das Vieh ihrer Nachbarn zu schädigen. Weitere Belege für die Wolfsverwandlung finden sich für das Jahr 1459 im Urseren Tal am Gotthard-Pass, 1461 in Lausanne und – der bisher einzige Mann in dieser Reihe – 1448 im Pays de Vaud im Kanton Neuenburg.

Im Vergleich zur strengen Sanktionierung, die bald um sich greift, herrschte in der mittelalterlichen Kirche bei der Ächtung des Volksglaubens an die Tierverwandlung im Allgemeinen und die Wolfsverwandlung im Besonderen ein noch eher milder Blick auf den Sünder. Burchard von Worms (965-1025) genügten als Bestrafung noch zehn Tage Fasten bei Wasser und Brot für jene, die glaubten, dass ein Mensch in einen Wolf oder ein anderes Tier verwandelt werden könnte, der im deutschen Werewulff genannt werde.[36] Zum Ende des 13. Jahrhunderts war Wilhelm von Auvergne noch immer der Überzeugung, im Ernstfall könne ein Exorzismus schnell bei jenen Abhilfe schaffen, die sich verwandelt glaubten.

Die Sache selbst war seit dem 10. Jahrhundert in der kirchlichen Superstitionslehre berücksichtigt und der Umgang damit im Grunde geregelt.[37] Im Kanon Episcopi, einer Handlungsanweisungen an Bischöfe und Kirchenleitungen für den Umgang mit den „abergläubischen“ Vorstellungen der Gläubigen, hatte die von dem Wormser Bischof erwähnte volkstümliche Vorstellung von der Wolfsverwandlung zwar keinen Eingang gefunden. Zur Möglichkeit eines Gestaltwandels war dort aber festgehalten: Wer immer also glaube, dass irgend etwas geschaffen werden könne oder irgend eine Kreatur zum besseren oder schlechteren hin verändert oder in eine andere Gestalt verwandelt werden könne, außer vom Schöpfer allein, der alles gemacht hat und durch den alle Dinge geschaffen worden sind, der sei ohne Zweifel ungläubig.[38]

Diese Aussage ist Teil einer Passage, in der sich der Kanon mit dem überall in Europa verbreiteten Volksglauben vom ekstatischen nächtlichen Flug der Frauen im Gefolge einer rätselhaften Feenkönigin befasst. Je nach Region unterschiedlich benannt und beschrieben, wird diese Frau von den Theologen zumeist unter dem Namen der antiken Göttin Diana geführt. Zu diesem nächtlichen Flug erklärt der Kanon, dass gewisse verbrecherische Frauen, die rückwärts, nach Satan hin, gewendet worden sind, die, von den Illusionen und Wahngebilden der Dämonen verführt, glauben und von sich behaupten, dass sie in nächtlichen Stunden mit der Diana, der Göttin der Heiden, und einer unzähligen Menge von Frauen auf gewissen Tieren reiten und viele Länderstrecken in der Stille einer tiefen, totenstillen Nacht durchqueren und dass sie ihren Befehlen wie denen einer Herrin gehorchen und in bestimmten Nächten zu ihrem Dienst herbeigerufen werden.[39]

Die Bischöfe und ihre Helfer sollten die Gläubigen darüber aufklären und die Entstehung solcher Vorstellungen im Zusammenhang mit dem Traumgeschehen deuten, auf das der Teufel mit seinen psychisch wirkenden Kräften Einfluss nehmen könne. Die daraus abgeleitete Trugbildthese wird damit sowohl für die Tierverwandlung wie für die nächtlichen Flugreisen die verbindliche Deutung. Beides konnte nur fiktiv und nicht wirklich sein, beides war als teuflisch induzierte Illusionen zu verstehen, die nichts mit der Realität gemein hatte. Denn, so der Kanon weiter, wer sei denn nicht [schon] in Träumen und in nächtlichen Visionen aus sich selbst hinausgeführt worden und habe viele Dinge im Schlaf gesehen, die er [zuvor] niemals im Wachen gesehen habe? Wer aber sei so töricht und einfältig, dass er meinen würde, dass all diese Dinge, die allein im Geiste geschehen, auch im Körper geschehen würden.[40] Der Teufel, der sich selbst in jegliche Gestalt verwandeln konnte, ist also der Urheber solcher Trugbilder. Er bewirkt sie zur Täuschung der Menschen, um sie dem Glauben abspenstig zu machen. Wer diesen Täuschungen erlag, war ein Sünder und in Gefahr, Gott zu verleugnen. Die Aufgabe der Geistlichen bestand darin, durch Predigt und Bußgespräch den Sünder zu reumütiger Umkehr zu bewegen. Blieb dies wirkungslos, drohte als äußerste Sanktion der Ausschluss aus der Gemeinschaft der Gläubigen.

Diese im Kanon Episcopi entfaltete Trugbildtheorie steht in der Übergangszeit, in der sich die Theologen abmühen, den Unterschied zwischen Ketzerei, Zaubereidelikt und dem gerade neu entdeckten Hexereiphänomen zu ermitteln und eine kirchenkonforme Interpretation zu finden, als das zentrale Deutungsinstrument zur Verfügung. Die Geständnisse vom nächtlichen Flug der Hexen auf Tieren und Gegenständen erregt neben dem Teufelspakt das besondere Interesse der Dämonologen. Weniger Aufmerksamkeit findet anfangs die Tierverwandlung. Als eine der möglichen Varianten der schadenstiftenden Zauberei rückt sie erst später ins Blickfeld, während die Wolfsbannerei, wie sie uns im Falle der „Stammlerin“ bei dem Baseler Zaubereiprozess vom Jahre 1407 begegnet, in den frühen Traktaten keine Berücksichtigung findet. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, taucht dieses Element erst wieder in der Spätphase der Verfolgung als eine Variante unter den magischen Aggressionen auf.

Für unsere Fragestellung erhält in diesem Zusammenhang eine frühe Quelle deshalb besonderes Gewicht, weil sie aus der Hand eines Laien stammt. Der Luzerner Chronist Johannes Fründ (ca. 1400-1489), dem wohl mehr an chronikalischer Vollständigkeit als an theologischen Definitionsfragen gelegen war, verfasst um 1431 einen Bericht zu den frühen Prozessen im Wallis,[41] bei denen in den Jahren zwischen 1428 und 1430 nach seinen Angaben mehr als zweihundert Personen hingerichtet worden waren. Hintergrund dieser nicht zuletzt auch politisch motivierten Verfolgungskampagne, die noch nicht nach dem neuen Hexenmodell, sondern nach dem Muster seiner Vorläufer, den Ketzer- und Zaubereiprozessen, durchgeführt wurde, waren bürgerkriegsähnliche Zustände, bei denen es um die politische Vorherrschaft im Wallis ging. Unter dem Landvogt des Bischofs von Sion, Guichard de Rarogne, war der Verdacht von einer neuartigen häretischen Sekte aufgetaucht. Diese „Gesellschaft“, wie Fründ sie nennt, sei so zahlreich geworden und habe durch zauberische Mittel einen solchen Einfluss gewonnen, dass sie innerhalb kürzester Zeit ein eigenes Königreich errichten könne, um dann den gläubigen Rest der Christen unter ihr Recht zu zwingen.[42]

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass Fründ unbeschadet kirchlicher Lehrmeinung die Fähigkeit der Hexen, sich in Wölfe zu verwandeln, wie eine Tatsache beschreibt. Bei aller Besorgnis um das gefährdete irdische Wohl und das jenseitige Seelenheil, die ihm als Rechtfertigung der Verfolgung dient, zeigt Fründ sich hier als Christenmensch mit welthaltigem Hausverstand. Er scheint vertraut mit der „Realität“ der Tierverwandlung, wie sie als volkstümliche Vorstellung für die Alpenregion gut belegt ist.[43] Nach seiner Schilderung geschieht die Umwandlung ohne jegliche Hilfsmittel und schließt die Fähigkeit ein, aus eigener Kraft wieder in die menschliche Gestalt zurückzukehren. Stets spricht Fründ vom bösen Geist, der Männer wie Frauen gleichermaßen in dieser Fähigkeit zum Zwecke der Schädigung instruiere:

Ouch waren iro vil under inen, die der boese geist leret, dz sy ze wolffen wurden, des sy selber duechtte und nit anders wussten, wann dz sy wolff werint, und wer sy ouch dennzemal sach, der wuste ouch nit anders, wonnt das einer oder eine ein wolff were uff die stund; und erluffen auch schaff, lember und geiß, und assen die also rouw in eines wolffes figur, und wenne sy wollten, so wurden sy widerumb ze moenchen als ee. [44]

(Abb. 3)  Anonym. Holzschnitt aus Johannes Vintler, Buch der Tugend, Augsburg 1486, Fol 163v.Der Wolfsritt (Abb. 3) findet bei Fründ keine Erwähnung, auch wenn er in den Prozessdokumenten der Walliser Verfahren belegt ist. Dafür kennt er den gesalbten Schemel als Reisemittel, daruff dar ritten usser eim dorff in das ander, und uss einem schloss in das ander, und kammen denn zesamen in der lueten kellre, da der beste win inne waz - wenn der böse Geist sich nicht gar selbst als Transportmittel zur Verfügung hielt und seine Getreuen nachttes umbe truog von einem berg uff den andern.[45] Auch wenn die „wilden Tiere“ hier durch einen unbelebten Gegenstand, den Schemel, ersetzt sind, scheint diese Tradition in der Region, in der sich im 15. Jahrhundert das Konzept vom Sabbat entfaltet, immer präsent zu sein.[46] Zwischen 1420 bis 1440 tauchen neben Wölfen, Füchsen und schwarzen Pferden auch Katzen als Reisemittel auf. Johannes Vintler[47] ergänzt das Arsenal an Reittieren um Ziegen und Wildschweine. Aber schon im Traktat „Errores“, der zwischen 1437-1440 im Raum um den Genfer See entsteht, zeichnet sich ab, dass Stock, Heugabel oder Besen einmal den Vorzug erhalten werden.

Ein halbes Jahrhundert nach Johannes Fründ berichtet Ulrich Molitor[48] noch einmal von einem wolfreitenden Hexer in der Konstanzer Gegend, der einen Bauer mit Lähmung geschlagen hatte. Durch diese Episode werden die Holzschneider zu einer Reihe von Darstellungen angeregt, die sich fest ins Repertoire der Hexenikonographie eingeschrieben haben.[49] Nach neu aufgefundenen Prozessakten aus dem Bregenzer Wald, lässt sich Mitte des 16. Jahrhunderts der Wolf dort zwar noch als hexerisches Reittier nachweisen,[50] doch dann beginnt dieses Bild offensichtlich zu verblassen. Über den Bodenseeraum hinaus, so scheint es, hat sich diese alpine Variante nicht weiter nach Norden ausgebreitet. Im Laufe der Entfaltung des Systems geht es immer mehr um den Akt des Reisens selbst, sodass schließlich der Besen - ein Gegenstand aus der weiblichen Sphäre und nicht ohne phallische Symbolik – zum Inbegriff des hexerischen Transportmittels wird.

Zahlreiche konstitutive Merkmale der angeblichen neuen Hexensekte und ihrer Treffen haben sich in den Verfahren, die dem Fründ'schen Bericht zu Grunde liegen, schon abgezeichnet, wie etwa der Pakt mit dem „bösen Geist“, Gottesverleugnung, Kindstötung, Kannibalismus und Schadenzauber der unterschiedlichsten Art. Sie gehen später in den kumulativen Hexenbegriff ein. Andere Elemente wie die Fähigkeit, mittels gesalbter Schemel zu fliegen, durch Anwendung von Kräutern Unsichtbarkeit zu erlangen, mit zauberischen Mitteln den Wein aus den Kellern zu stehlen, Pflüge und anderes Ackergerät zu verderben oder auch die Pflicht jährlicher Zinsleistungen an den Teufel, tauchen in der Folgezeit nur noch vereinzelt auf oder gehen ganz unter.

Der nächtliche Flug, die Rituale und Praktiken des Sabbats, die als Parodie liturgischen Handelns figurieren, werden von den Theologen bis zum Ende des Jahrzehnts weiter entfaltet. Die ersten Fälle der Wolfsverwandlung finden in der gelehrten Hexendebatte vorerst kein besonderes Interesse. Die alte katechetische Metapher vom Wolf als dem Antipoden des Guten Hirten erhält jedoch eine neue, gleichsam naturwissenschaftliche Wendung und bleibt dem Diskurs erhalten.

III. Lupino more - oder der Wolf als Metapher

Als Reaktion auf die Verfahren in der Westschweiz und dem französisch-italienischen Grenzgebiet entstehen im näheren Umkreis Schriften und Traktate, in denen die Verfasser erste Einordnungen und Systematisierungen des neuen Phänomens vornehmen. Einer der einflussreichen Autoren ist der schwäbischen Dominikaner Johannes Nider (1380-1438). Er ist Teilnehmer am Baseler Konzil (1431-1449), auf dem unter anderem auch das neue Hexenthema zur Sprache kommt. Niders kommunikative Präsenz lässt sich unter anderem daran ablesen, dass er am 27. Juli 1431 zum Start der Kirchenversammlung die Eröffnungspredigt hält und als Prior des Baseler Konventes der deutschen Konzilsdelegation den Speisesaal seines Klosters als Tagungsort zur Verfügung stellt.

Sein um die Jahre 1437/38 verfasster Traktat Formicarius ist eigentlich als Buch über die Natur und über Wunder konzipiert, in dem nach aristotelischem Vorbild das Leben und Verhalten der Ameisen als moralphilosophische Metapher für die Menschen und ihr Zusammenleben dient.[51] Die Schrift erreicht dennoch einen wichtigen Stellenwert in der dämonologischen Literatur, weil sie eine erste Systematisierung des neuen Phänomens versucht und immer wieder auf einschlägige Proto-Hexenprozesse in der Region zurückgreift. Sie wird zugleich zum Modellfall dafür, wie Geschichten über Zauberei und Hexerei als bildkräftige exempla in spätere Lehrbücher und in die volkssprachlichen Predigten einfließen. Mehr als zwei Duzend Abschriften sind heute noch erhalten.[52] Von der ersten Druckfassung im Jahre 1475 wird das Buch bis 1692 immer wieder aufgelegt. Besondere Verbreitung erlangte es dadurch, dass die einschlägigen Passagen aus dem 5. Buch häufig den Ausgaben des Hexenhammers beigebunden wurden.

Bei der uns interessierenden Frage nach Hexenflug und Tierverwandlung zeigt sich Nider mehr als zurückhaltend. Er mokiert sich zwar über die vermeintlichen Flugreisen der „alten Vetteln“, hält sie gelegentlich aber für möglich. Von diabolisch verwandelten Wölfen hören wir kein Wort, auch wenn ihm das Phänomen bekannt gewesen sein dürfte, wie sein im folgenden Jahr verfasstes Lehrbuch zu den zehn Geboten zeigt.[53] Gestützt auf die Berichte des Berner Landrichters Peter von Greyerz findet zwar das Bekenntnis einer Frau Erwähnung, dass die aus Kinderleichen hergestellte Zaubersalbe zu unseren Wünschen, Künsten und Verwandlungen diene,[54] eine nähere Ergründung dieser Künste und Verwandlungen erfolgt aber nicht. Der Wolf-Topos taucht freilich im Zusammenhang mit den kannibalistischen Praktiken im Bernischen Oberland auf, wo das Verhalten der Hexen beiderlei Geschlechts wegen der Profanierung von Kindsleichen zum Zwecke der Salbenherstellung als „wölfisch“ apostrophiert wird.[55] Hintergrund dieser Metapher ist die Beobachtung im Verhaltenskodex unter natürlichen Wolfspopulationen, nach dem im Falle eines Wechsels im Alpha-Paar die Nachkommen des Vorgängers kannibalisiert werden.

Die Stigmatisierung der Hexen, sich „lupino more“ zu verhalten, lässt sich um die gleiche Zeit auch an anderen Orten in der Region beobachten. In einem frühen Lausanner Verfahren unter dem Inquisitor Ulrich von Torrenté wirft die Anklage dem Enchimandus le Massler aus Neuchâtel 1439 vor, dass er „nach Art der Wölfe“ Menschfleisch, selbst das seines eigenen Kindes, verzehrt habe.[56] Der gleichen Wendung, die auch in einem weiteren Prozess aus dem Jahre 1448 gegen Jacquet Durier aus Blondy zur Sprache kommt,[57] werden wir später im Hexenhammer in der elften Frage zu den hexenden Hebammen wieder begegnen. Bezeichnender Weise werden ihre Verbrechen gleich im Anschluss an die Wolfsverwandlung abgehandelt.[58]

Auch wenn Niders Formicarius dem hexerisch verwandelten Wolf keine Aufmerksamkeit schenkt, so gewährt er uns doch einen aufschlussreichen Seitenblick auf das Thema Tierverwandlung. Der Hinweis findet sich in einer Passage, in der Nider Beispiele aus Zaubereiverfahren heranzieht, die vor dem Jahr 1400 in der Gegend um die Stadt Boltingen im Simmental geführt worden waren. Als Quelle für diese Episode stützt er sich auf den schon genannten Peter von Greyerz, einen ehemaligen Berner Ratsherrn, der 1392 als Landvogt eingesetzt wurde, nach dem das Simmental im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen (1389-91) an die Herrschaft der Stadt Bern gefallen war. Greyerz Aufgabe bestand im Wesentlichen darin, die militärische und juristische Eingliederung des neu gewonnenen Gebietes ins Berner Territorium durchzusetzen, was bei der Bevölkerung, die hartnäckig an alten Gewohnheits- und politischen Mitbestimmungsrechten festhielt, auf heftigen Widerstand stieß. Um dennoch den juristischen Einfluss der Berner Rechtsprechung zu etablieren, bediente sich der Landvogt gegen die Rebellen des neuartigen Zauberei- und Hexereiprozesses, der mit dem traditionellen Rechtsmaterial der Region nicht in Konkurrenz stand.[59]

Die Episode berichtet also von einem jener Simmentaler Rebellen, einem „Scavius“, in dem Niders Gewährsmann, der Bernische Landvogt, gleichsam den Urvater des neuen Hexenwesens erkannt zu haben glaubte. Scavius (= der Räudige) gehörte der Oberschicht an und war offensichtlich ein gefürchteter und zugleich listenreicher Mann. Zu einem Verfahren gegen ihn war es zwar nie gekommen, weil es ihm stets gelang, seinen Verfolgern zu entkommen. Schließlich fiel er aber doch einem gewalttätigen Überfall seiner Häscher zum Opfer. Von diesem Scavius berichtet Nider, dass er sich stets damit gebrüstet habe, er könne sich „unter den Augen seiner Gegner in eine Maus verwandeln und den Händen seiner Verfolger entwischen“.[60] Das war zweifellos Anlass genug, ihn für einen Zauberer zu halten.

Arno Borst hat auf einen bemerkenswerten Aspekt dieser Nachricht hingewiesen. Die Tierverwandlung, die als volkstümliche Vorstellung dem städtischen Richter aus Bern ebenso vertraut war wie den Bergbauern des Oberlandes, dient hier dem eigenen Schutz vor Verfolgung und war noch nicht auf die Schädigung anderer ausgerichtet wie im Oberwallis, wo sich seit 1428 die Hexer und Hexen angeblich in reißende Wölfe verwandelten. „Das satanische Element fehlte bei Scavius ganz“.[61] Die Mausverwandlung als imaginiertes Gelächter des Alteingesessenen über den politisch mächtigen Neuankömmling, der das alte Recht zu seinen Gunsten neu zu biegen versucht, wirft zweifellos ein eigenes Licht auf die präexistenten Vorstellungen von der Tierverwandlung in der Bevölkerung.

Über die spektakulären Wolfsverwandlungen aus dem Fründ'schen Bericht schweigt sich auch ein weiterer Traktat aus, der im gleichen Jahre (1437) in der Region entstand. Auch was den Flug angeht, zeigt sich der anonyme Autor von Errores gazariorum,[62] der vermutlich am Genfer See oder im Aostatal lebte, sehr zurückhaltend und konform mit der kirchlichen Trugbildtheorie. Getreu den Aussagen des Kanon Episcopi verurteilt er als Irrglauben, dass Menschen, von Dämonen verführt, in der Nacht auf Besen oder wilden Tieren gewaltige Distanzen überwinden könnten. Unbeschadet dieses Widerspruchs verbindet er den fiktiven Flug mit dem neuen Motiv der sexuellen Orgien, die beim Sabbat angeblich stattfanden. In der ersten systematischen Zusammenstellung von Schädigungsmöglichkeiten, die er der neuen Sekte zugeschrieben werden, taucht die Tierverwandlung nicht auf.

Mit dem Oberrichter der Dauphiné, Claude Tholosan, betritt ein weltlicher Jurist das Feld der Dämonologie. Zwischen den Jahren 1424 und 1436 hatte der savoyische Richter, der auch über solide Kenntnisse im Kanonischen Recht verfügt, mehr als einhundert Verfahren dieses neuen Prozesstyps im Gebiet von Briançon, einer Hochburg des spätmittelalterlichen Waldensertums, erfolgreich durchgeführt. Im ersten Teil seines um 1436 verfassten und sorgfältig aufgebauten Traktates Ut Magorum et Maleficorum Errores beschreibt er den Hexenglauben und die von den Hexern eingeräumten Bräuche. Weil ihm die einschlägigen theologischen Positionen geläufig sind, hält er folglich für Einbildung, dass manche weit auf einer Rutte ritten, die mit Knabenfett [...] bestrichen sei oder auf wilden Tieren und Besen“.[63]

Claude Tholosan unterscheidet noch Wahrsager, Prophezeier und Zauberkünstler von den götzendienerischen Hexen, die auch für ihn noch vorwiegend männlichen Geschlechtes sind. Ersteren möchte er im Falle reumütiger Umkehr den Rückweg in die Gemeinschaft offen halten. Damit steht er der alten christlichen Überlieferung erheblich näher als mancher Theologe, der in der Folgezeit in dieser Sache das Wort ergreifen und bei der Suche nach praktikablen juristischen Methoden für Verfolgung, Ermittlung und Bestrafung die kirchliche Lehre nachhaltig verändern wird. Was unsere Fragestellung angeht, hält sich auch der savoyische Oberrichter bedeckt. Unter allen Malefizien, die er aufzählt, fehlt auch hier die Tierverwandlung. Die Wolfsverwandelten, so scheint es, finden kein Interesse.

In einem ausführlichen Plädoyer, das mehr als die Hälfte des Umfangs seiner Schrift beansprucht, reklamiert Tholosan unter Berufung auf Paulus' Römerbrief und Math 22 („Was des Kaisers ist.“) vor allem die Zuständigkeit des weltlichen Rechtes für diese neue Art von Ketzerei. Seine Feststellung, dass das Schwert des Petrus verrostet sei,[64] macht darüber hinaus auf ein Dilemma aufmerksam, das den Dämonologen in der Folgezeit noch manches Kopfzerbrechen bereiten wird. Angesichts der Schwere der Verbrechen (Mord, Kindstötung, Kannibalismus und magische Aggression aller Art), die den Mitgliedern der neuen Sekte unterstellt und in den erfolterten Geständnissen eingeräumt werden, stand dem kirchlichen Arm kein angemessenes Bestrafungsinstrument zur Verfügung.

Unser letzter Zeuge aus der frühen Phase lebt ebenfalls in der westlichen Alpenregion, die in der Zeit zwischen dem Konstanzer und dem Baseler Konzil nicht nur wegen der neuen Hexereidebatte zum Schauplatz dramatischer kirchlicher Entwicklung und zum Anziehungspunkt für die gelehrte Welt geworden war. Martin le Franc ist ein weit gereister hochrangiger Geistlicher, Teilnehmer am Baseler Konzil, zeitweise Sekretär des savoyischen Gegenpapstes Felix V. und wird später zum Domprobst von Lausanne berufen. Der einflussreiche Kirchenmann wählt freilich nicht die Form eines theologischen Traktates, sondern nähert sich dem Thema mit literarischen Mitteln. In seinem 1440 - vermutlich in Basel - verfassten Versgedicht Champion des Dames, [65] das heute vor allem wegen seiner frühen bildlichen Darstellung von besenreitenden Hexen bekannt ist, macht er in klassischer Dialogform eine Typologie weiblicher Charaktereigenschaften zum Thema.

Le Francs Poem versteht sich als Gegenschrift zum allegorischen Roman de la Rose, einer viel gelesenen mittelalterlichen Dichtung, die um 1280 in Paris entstand. Ihr Autor, der französische Dichter Jean de Meun, zeichnet darin ein satirisch zugespitztes Bild von der Welt und schildert die bei seinen Zeitgenossen gebräuchlichen magischen Vorstellungen. Als Ursache dafür sieht er die mangelnde Bildung des Volkes, für die er wiederum den Klerus verantwortlich macht. Den zugespitzten Stil dieses Versgedichtes, das im Gegensatz zu einem theologisch-philosophischen Traktat weit farbigere Stilmittel erlaubt, war, wie es scheint, nicht ohne Bedacht gewählt.

Im Champion des Dames, dessen misogyner Unterton nicht zu überhören ist, vergleicht der Autor die – nunmehr entschieden weiblichen – Hexen mit den Malerinnen und ihrer Kunst, eine vorgetäuschte Welt zu erschaffen, um die Verderblichkeit ihrer magischen Künste, die er bildreich darlegt, um so nachhaltiger zu brandmarken. Als Teilnehmer des Konzils, einer der großen Nachrichtenbörsen der Zeit, wie als Inhaber eines hohen kirchlichen Verwaltungsamtes, verfügt er über detailreiche Kenntnisse aus den Hexereiverfahren der Region. Bis in der Wortwahl ähneln seine Schilderungen dem, was wir aus dem Fründ'schen Bericht und dem Kanon Episcopi kennen.[66] Ebenso sind ihm die Sachverhalte vertraut, die in den savoyischen Prozessen, in der Region des Briançonnais, verhandelt wurden. Dazu gehörte auch das Geständnis der Wolfsverwandlung und der Autor gibt zu verstehen, dass die Diskussion um Realität oder Fiktion von Hexenflug und Tierverwandlung längst entbrannt ist. Gleich zu Anfang des einschlägigen Kapitels wird die Assoziationskette vom wölfischen Charakter dieser Frauen und ihrer nachtfahrenden Aktivitäten deutlich verknüpft:

Se ce sont warous ou luitons
Se vont a pié ou sur bastons
[67]

Die Vorstellung vom wolfsverwandelten Menschen, die dem aus der Normandie stammenden Autor fraglos geläufig ist, wird gleich doppelt mit Hexenflug und dem sexuell aufgeladenen Begriff luitons (=louves) verbunden, mit dem schon im Roman de la Rose „lüsterne Frauen“ gemeint waren.[68] In der Begriffswahl varous (= loups-garous) kündigt sich bereits zu Beginn seines „Hexenkapitels“ an, dass er ganz im Sinn traditioneller kirchlicher Lehre das Thema der Tierverwandlung in engster Verbindung mit dem Hexenflug sieht. Anhand zahlreicher Exempel aus den Werken von Homer, Ovid und Plinius stellt der Adversair, der Gegenpart im Dialog, sehr bald die handfeste Alltagsfrage nach Illusion und Realität, wobei er für seinen Zweifel an der geltenden kanonischen Deutung neben anderen Autoritäten auch den antiken Gelehrten Solinus (3. Jhdt. n.C.) und den Kirchenlehrer Albertus Magnus als Zeugen aufruft.

Une maniere de gens estre,
Solin conte pour verité,
Qui se transmuent de leur estre
Et deviennent loups tout l'esté.
[...]
Loups varous, fees et luitons
Pires que la gent sarrazine ?
Ce n'est pas songe, n'en doubtons.
[69]

Der Champion antwortet ganz im Sinne der kirchlichen Überlieferung, dass es allein dem Schöpfer zukomme, eine Kreatur zu verändern, um nach einem brüsken Abbruch des Themas[70] unmittelbar auf die hexerischen Reisen mit Hilfe von Stöcken und Salben überzuleiten. Auch sie finden selbstverständlich en ame seulement, also nur im Geiste statt, und es ist der Dämon, der seinen Anhängern diese verderbte Fantasie eingibt. Die Tatsache, dass sein Gegenüber gar die theologische Autorität des Großen Albert für seinen ketzerischen Zweifel als Kronzeugen aufgerufen hatte, bleibt ebenfalls nicht unkommentiert. Das Argument freilich, das der Champion zur Verteidigung anführt, fällt wenig theologisch aus und kann wohl nur als argumentum ad hominem gelten: „Ich glaube nicht, dass dieser große Gelehrte so dumm war, dass er ein Zauberer oder gottähnlich sein wollte.“[71]

IV. Theorie mit Sollbruchstelle

Martin le Franc skizziert eines der zentralen Probleme, mit dem sich die Dämonologen und Juristen in den nächsten 150 Jahren herumplagen werden. Die bisherige Systematisierung des Hexenwesens umfasste Elemente, die schon aus dem Repertoire der Ketzerprozesse bekannt und den Theologen gewissermaßen vertraut waren: Verleugnung Gottes, Schändung von Kreuz und Eucharistie, Anbetung des Teufels, geheime Zusammenkünfte, Kannibalismus und Tötung von Kindern sowie Schadenzauber der unterschiedlichsten Art.[72]

Als neue Elemente, die bisher nicht zum Ketzerprozess gehörten, mussten in das Hexenwesen integriert werden: die mit dem Teufelspakt verbundene Teufelsbuhlschaft, mit der auch die Frage nach satanisch gezeugter Nachkommenschaft aufgeworfen war, sowie Hexenflug und Tierverwandlung. Zu diesen Elementen existierten eindeutige Aussagen der kirchlichen Lehre, soweit sie als causa fidei zu verstehen waren. In ihrer Kombination jedoch verbarg sich gewissermaßen eine Sollbruchstelle, die in dem Augenblick offenkundig wurde, in dem ein weltliches Gericht sich mit diesem Sachverhalt zu befassen hatte.

Dennoch stellte sich den frühen Dämonologen die Tierverwandlung vorerst nicht als eines der dringlichsten Probleme dar. Als eine partielle Variante der vielfältigen Schädigungen, die der neuen Hexensekte zugeschrieben wurden, war sie gleichsam auf einem niederen Rang angesiedelt. Das dringlichere Problem zeichnete sich beim illusionären Hexenflug ab und seinem engen Zusammenhang mit dem Sabbatkonzept. Die Gefährlichkeit der neuen Sekte bestand vor allem darin, dass sie im Gegensatz zu bisherigen Ketzersekten nicht auf einen menschlichen Gründer zurückging, sondern vom Satan selbst initiiert und dauerhaft geführt wurde. Als geheimer Verschwörungs- und Versammlungsort stand der Sabbat im Mittelpunkt des Interesses. Dort wurden die Mitglieder nicht nur instruiert und zu sexuellen Ausschweifungen verführt, sondern auch mit den magischen Aggressionsmitteln (Salben und Pulver) ausgerüstet. Neben dem religiösen Verbrechen der Ketzerei erhielt mithin das gesellschaftlich wirksame Verbrechen, das von dort seinen Ausgang nahm, besonderes Gewicht. Nach den theologisch-philosophischen Grundüberzeugungen war die Wurzel des Übels, der Satan selbst, nicht auszurotten. Er gehörte unverzichtbar zur Heilsökonomie und befeuerte gerade in dieser Zeit die Theologen, die Sphäre seines Einflusses in der geistigen wie in der materiellen Welt neu auszuloten. Zugleich hatte sich allmählich das Gottesbild gewandelt vom gnädigen Schöpfer, der nur das Gute und Vernünftige zuließ, zum rächenden Richtergott, der wegen der menschlichen Sündhaftigkeit dem Teufel weitreichende Vollmachten gewährte.

Ziel aller Bemühungen konnte nur die Ausschaltung der Adepten der neuen Satanssekte sein. Um dies zu erreichen, waren kirchliche Mittel wie Sakramente oder die Sanktionen des Kanonischen Rechtes nur beschränkt tauglich. Schon der savoyische Richter Claude Tholosan hatte mit seinem Hinweis auf das verrostete Schwert des Petrus den Finger in diese Wunde gelegt. Vor kirchlichen Richtern konnte kein Urteil erwirkt oder gar vollstreckt werden, das der Todeswürdigkeit der unterstellten Verbrechen angemessen war. Auf diesem Hintergrund verlangte das Hexereidelikt nach einer Definition, die auch vor der weltlichen Gerichtsbarkeit Bestand hatte und den dort geltenden Maßstäben für Ermittlung, Verfahren und Aburteilung entsprach.

Der Hexenflug erwies sich für die juristische Zurichtung dabei als eine besonders neuralgische Komponente. Auf der einen Seite sollte er die Bedrohlichkeit der Sabbatteilnahme belegen, weil damit die Vorstellung einer unkontrollierbaren Menge von Teilnehmern, die Tyrannei der Unzahl, verbunden war. Andererseits brachte er die reale Teilnahme sogleich ins Zwielicht, weil ausgerechnet die Reise zu diesen geheimen Treffpunkten nach kanonischem Recht als Fiktion, als nur subjektiv wahrgenommenes Trugbild festgeschrieben war. Damit verloren sowohl die Geständnisse wie auch die Aussagen von Komplizen, die solche Zusammenkünfte bezeugten, an argumentativer Kraft und erwiesen sich für die juristische Verwertung als äußerst brüchig. So lange für den illusionären Charakter des Hexenfluges keine stimmige Begründung gefunden war, klaffte eine Lücke im Schuldbeweis, den die gerichtlichen Behörden zu erbringen hatten.

Anfangs behalfen sich die Theoretiker mit neuen Distinktionen, in dem sie beispielsweise die körperliche Anwesenheit der Reisenden im heimischen Bett als „Scheinleib“ und als teuflisches Blendwerk erklärten. Auf die Dauer jedoch vermochten solche Hilfskonstruktionen die juristische Sollbruchstelle, die mit dem Hexenflug verbunden war, nicht wirksam zu heilen. Die Trugbild-Theorie, so wie sie aus der Auseinandersetzung der alten Kirche mit den volkstümlichen Vorstellungen vom nächtlichen Flug erwachsen war, konnte unter den neuen Konstellationen im Grunde keine justiziable Kraft entfalten. Einem solchen Irrglauben anzuhängen war eine Sünde, aber kein strafrechtlich sanktionierbares Delikt. Der illusionäre Charakter schwächte also die dramatische Dimension des Sabbats und relativierte zugleich die verheerenden gesellschaftlichen Schäden, die qua Definition aus ihm hervorgingen. Erst wenn die Autorität des Kanon Episcopi gebrochen war, konnte das Element der geheimbündlerischen Sabbatreise zum juristischen Beweismittel werden. War diese Bastion gefallen, begann auch das Fundament für den illusionären Charakter der Tierverwandlung zu wanken.

Wirkungsgeschichtlich betrachtet kommt den bisher zu Rate gezogenen Texten recht unterschiedliche Bedeutung zu. Die Befunde deuten jedoch in die Richtung, in der sich die Konstruktion eines dämonologischen Leitbildes entfalten musste. In den ersten Traktaten aus der Übergangsphase von der Ketzerverfolgung zum neuen Hexenwesen und ihren Systematisierungsversuchen zeigte sich, dass einerseits das Erbe aus dem Kampf gegen Katharer und Waldenser noch im Labor der Theoretiker als ansteckender Keim bereitlag. Zugleich kündigt sich an, dass es am Ende die Juristen sein würden, die den Theologen das neue - religiös begründete - Modell aus den Händen nehmen, um unter juristischen Gesichtspunkten damit so zu hantieren, wie sie es mit jedem Kapitalverbrechen zu tun gewohnt waren. Die Handreichungen dazu mussten freilich aus den Studierstuben der Theologen kommen.

V. Im dämonlogischen Laboratorium

Im Gegensatz zur ersten Phase der Verfolgungspraxis, in der vor allem Laien gegen vorwiegend männliche Verdächtigte vorgingen, übernehmen in der zweiten Phase die Theologen und Geistlichen die Initiative. Die juristische Zurichtung dieses Krisenphänomens beginnt in den Laboratorien der Dämonologen. Dabei wird aus der causa fidei letztlich eine causa juris. Zugleich rückt die Frau immer mehr ins Zentrum des Fahndungsbildes, was nicht zuletzt der Dominanz dominikanischer Lehrer und ihren asketischen Vorstellungen zuzuschreiben ist. Die meisten von ihnen gehören jenem reformerischen Flügel an, der sich für die Erneuerung ihres Ordens in besonderer Weise der sexuellen Enthaltsamkeit und der Tugend der Jungfräulichkeit verpflichtet fühlt.

Möglich wird dieser Blickwechsel auch durch eine Art von latenter Entchristianisierung, zumindest bei Teilen der theologischen Lehrer. Durch Einlagerung magischer Vorstellungen von Religiosität und Assimilierung heidnischer Traditionen in die kirchliche Lehre, die dem dogmatischen Konzept der frühen Kirche fremd waren, formt das scholastische System den spezifischen Verbrechenstatbestand des crimen magiae. Zwischen 1450 und 1540 entsteht jene neue Literaturgattung, die vom Bemühen zeugt, das neue Hexenwesen, das mit regional noch sehr lebendigen Vorstellungen von Zauberei, Zwischenwesen und Tierverwandlung angereichert war, mit der spätantiken Dämonenlehre und den alten kirchlichen Lehrsätzen in Einklang zu bringen. Die schulmäßige Vermittlung arbeitet zugleich an der Übertragbarkeit auf andere Gegenden, in denen vergleichbare volkstümliche Vorstellungen vorhanden waren und gleichsam zum Resonanzboden werden konnten, selbst wenn sie ihre ursprüngliche Vitalität und Virulenz schon eingebüßt hatten. Das zentrale Anliegen der Dämonologen jedoch ist die eindringliche Darstellung der realen gesellschaftlichen Bedrohung, was zu mancherlei Konzession zwingt.

Nach den Prozessen in der Schweiz, Südfrankreich, den französischen Alpen, der Dauphiné, Savoyen, Burgund, in der Bischofsstadt Arras, in Lothringen und in der Erzdiözese Trier kam es nach 1450 zu einem spürbaren Anstieg der theologischen Traktatproduktion. Angereichert mit konkreten Erfahrungsberichten dokumentieren sie einen allmählichen Veränderungsprozess, der vom Bemühen geprägt ist, das Hexenkonzept wissenschaftlich zu durchdringen und für die großen europäischen Länder zu synchronisieren. Da es längst zur theologischen Gewohnheit gehört, auch die heiligsten Geheimnisse des Glaubens logisch beweisbar zu machen, bringt es die scholastische Methode mit sich, dass im mystischen Chaos des Neuplatonismus manch verwegene Doppelbotschaft ans Tageslicht kommt.

Bei den aus dem Alpenländischen eingeschleppten Themen vom Flug auf Schemeln oder Wölfen und der Verwandlung in Tiere argumentieren die Autoren zunächst noch im Sinne der traditionellen Lehrmeinung. Der spanische Minorit Alfons de Spina erklärt 1459 in seinem Traktat Fortalitium fidei solche diabolische Tierverwandlung einfach als non credendum.[73] Der Veroneser Dominikaner Jordanus de Bergamo belegt allerdings, dass in der gelehrten Debatte vielerorts die Frage der Katzen- und Wolfsverwandlung eingehend diskutiert wird: Et insurexerunt multe opiniones modernorum firmiter asserentium, virum vel mulierem posse converti in catas vel lupos et huiusmodi, virtute demonis.[74] Was die Realitätsproblematik angeht, stellt er in seiner Quaestio de strigis fest, dass dies von zahlreichen Gelehrten und heiligen Autoritäten mit guten Gründen als unmöglich bewiesen worden sei. In Wirklichkeit seien es die Dämonen, die in Gestalt von Katzen des Nachts in die Häuser eindrängen, um die Kinder zu töten. Zugleich riefen sie in den zuhause Schlafenden die Illusion hervor, sie seien selbst in diese Tiere verwandelt.[75]

Schon 1540 war der spanische Kardinal Johann von Torquemada dazu übergegangen, für den hexerischen Transport der Menschen jene einschlägigen biblischen Stellen und Heiligenviten zum Vergleich heranzuziehen, die von Translokation und anderen Wundertaten berichteten. Die fliegenden Chaldäer bei Habakuk (Habakuk 1,8), Jesu Versuchung durch den Satan (Luk 4,5; Matth 4,5f.), die Heilung der Besessenen (Matth 8,28) und die Episode von Simon Magus ( der nach den Pseudo-Clementinischen Schriften mit dem Apostel Petrus einen Wettstreit im magischen Flug bestritt; vgl. auch Apg 8,9ff.) zeigten, wie er meint, dass der Teufel sehr wohl in der Lage sei, Körper realiter zu bewegen. Im Falle der Hexen freilich müssten feinste Unterscheidungen beachtet werden, was zur Folge hatte, dass der Glaube an Nachtfahrende nach wie vor ebenso ketzereiverdächtig war wie der Glaube, der Teufel könne die Menschen nicht durch die Lüfte entführen.[76]

Einer der ersten, der über einen formalistischen Umweg klar die strenge Linie des Kanon Episcopi verlässt, ist der französische Dominikaner und Inquisitor Nicolaus Jacquier. In seinem Kommentar zum Kanonischen Recht Flagellum haereticorum von 1458 räsoniert er, dass die einschlägigen Aussagen nicht von einem allgemeinen, sondern nur von einem Regionalkonzil beschlossen worden seien. Zudem sei der Wortlaut so unklar, konfus und missverständlich, dass es für einen Laien allzu gefährlich sei, sich darauf zu berufen.[77] An der Verbindlichkeit des alten Kanons hatte auch schon der spanische Theologe und Bischof von Avila, Alfons de Madrigal, (Tostatus) gerüttelt. In seinem Bibelkommentar von 1440 vertrat er die Ansicht, der Kanon Episcopi verbiete gar nicht den Glauben an die Wirklichkeit des Fluges, sondern nur an das heidnische Beiwerk, das damit verbunden sei. Es könne nicht geleugnet werden, dass solche Flüge durch die Luft auch in Wirklichkeit vorkämen.[78]

Der Fragekomplex wird nun gewissermaßen zum scholastischen Spezialgebiet erklärt, auf dem nur erfahrene Theologen im Stande seien, den gerichtlich relevanten Tatbestand ausreichend sicher zu klären.[79] Eine erfolgreiche Interpretation konnte dann so aussehen, wie sie der spanische Theologe Bernhard Basin aus Saragossa 1482 in seinem Tractatus de artibus magicis ac magorum maleficiis vorlegte.[80] Der einschlägige Passus des Kanon Episcopi sei nur dann seiner Stelle würdig, wenn man ihn so interpretiere, dass die luftigen Transporte sowohl in der Phantasie als auch in Wirklichkeit vor sich gingen.[81] Der Kanon Episcopi hatte damit gewissermaßen den Status einer „doppelte Wahrheit“ erlangt,[82] ein Phänomen, an dem sich die Theologie schon in der Auseinandersetzung mit dem Averroismus geübt hatte.

Es sind natürlich auch die Nichttheologen, die der Illusionstheorie heftige Stöße verpassen, wie sich vor allem in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts verstärkt zeigen wird. Doch der laikal praktische Hausverstand ist bisweilen schon jetzt am Werk, selbst wenn er zwangsläufig theologisch nicht ungeschult ist. Der okkultistisch orientierte Leibarzt des Herzogs von Bayern, Johannes Hartlieb, der eingangs Erwähnung fand, hatte schon 1456 in seinem Buch aller verbotenen Künste zumindest den Flug der Hexen als Realität behandelt.[83] Werwölfe waren ihm in seiner Heidelberger Zeit offensichtlich nicht begegnet, obwohl in einem Dämonentraktat einer Mainzer Sammelhandschrift aus dem Jahr 1415 neben den Bär- auch die Werwölfe erwähnt sind.[84] Wenn auch noch nicht mit starker Präsenz, so ist diese spezielle Tierverwandlung doch weiterhin in der Diskussion und verlangt nach Erklärungen. Ein besonderer Zeuge in dieser Sache ist Petrus Mamoris, ein Theologieprofessor aus Poitiers. Seine Erwähnung an dieser Stelle geschieht auch im Vorgriff auf das Ende dieser Entwicklung. In der Schlussphase der Diskussion um die justitiable Realität der Werwölfe wird er als hohe Autorität und wichtiger „scribent“ und damit als einer der theologischen Kronzeugen aufgerufen werden. Jean Bodin wird seine Lesefrüchte aus Mamoris Werk so darstellen, als habe jener höchst selbst im Savoyischen als Augenzeuge an einer Wolfsverwandlung teilgenommen.

Petrus Mamoris schreibt am Ende des hundertjährigen Krieges und seine Sachkenntnis stammt unter anderem aus den Massenprozessen in der Gasgogne, im Lyonais, Nivernais, Artois und der Normandie, die von den endlosen Kriegswirren zwischen Frankreich und England und dem damit verbundenen allgemeinen Kulturverfall begünstigt worden waren. In seinem Flagellum maleficorum aus dem Jahre 1462 erwähnt er unter den magischen Aggressionen außer der zauberischen Entwendung von Wein und dem später vielzitierten Flug der Hexen durch den Schornstein auch die Verwandlung in den Wolf. Er greift zwar korrekt zur alten Illusionsthese, wenn er schreibt, „qui homines substantialiter in lupos non sund conversi“. [85] Zugleich wagt er sich schon einen Schritt näher an die Realitätsthese heran, wenn er das subjektive Erlebnis der Geständigen auf die Wirkung einer Materie, nämlich der Salbe, zurückführt. Im Übrigen schließt er sich der These Jacquiers an, dass der Kanon Episcopi nur auf einem Partikularkonzil verabschiedet worden sei und deshalb keine allgemeine Verbindlichkeit beanspruchen könne.[86]

Auch in der Vendée, so scheint es, sind Werwölfe virulent. Das veranlasst den französischen Prior des Klosters in Les Moustiers, Johannes Vincentius, in seinem Liber adversus magicas artes aus dem Jahre 1475 weiter nach Vergleichen zu suchen, die eine „natürliche“ Erklärung unterfüttern könnten. Der subjektive Eindruck solcherart Verwandelter entstünde in einem vom Dämon induzierten tiefen Schlaf, der dem gleiche, den der Arzt hervorrufe, wenn er zur Schmerzvermeidung bei einer Amputation den Patienten mit Mandagora-Wein betäube.[87] Die alte Illusionstheorie gerät umso stärker unter Druck, je mehr sich die gelehrte Hexentheorie und die Geständnisse gegenseitig durchdringen. In ihnen spiegeln sich zwangsläufig eher die volkstümlichen Vorstellungen der Opfer als die fein gesponnen scholastischen Distinktionen.

VI. Der Hexenhammer – Der Werwolf als integraler Bestandteil des Systems

Zum Zeitpunkt an dem Heinrich Kramer, genannt Institoris, seinen Malleus Maleficarum (1486/87) drucken lässt,[88] ist das System schon fast vollständig ausgebildet und durch die Prozesspraxis erprobt. Auch wenn der Autor im Vorwort (Apologia) betont, dass aus unserem Geiste wenig und praktisch keine Sachen hinzugefügt wurden, [89] stellt dieses Werk durch seine wirksame Neugruppierung und Zuspitzung eine der wichtigsten Etappen in der juristischen Zurichtung des Hexenwesens dar. Zugleich vertritt Kramer eine gründliche Kehrtwendung gegenüber der theologischen Tradition, die seit Augustinus davon ausging, dass magischem Handeln keine faktische Wirksamkeit zugeschrieben werden könne. In seinem praxisorientierten Blick auf die Dinge beseitigt der Malleus hemmende und widersprüchliche Positionen der kirchlichen Lehre, in der eine unbedingte Verfolgung und tödliche Bestrafung des Hexereideliktes wegen des neutestamentlichen Grundsatzes der Begnadigung des reuigen Sünders noch immer keine volle Zustimmung gefunden hatte. Kramers Ziel ist es, den theologischen Hexenbegriff so zu präsentieren, dass der Zugriff der weltlichen Justiz unabweisbar wurde. Schon im Titel wird der Schwerpunkt auf das Maleficium, auf den Schadenzauber gelegt, der neben der Sodomie (die sich aus der Teufelsbuhlschaft ergab) das ausschlagende Delikt für die weltliche Gerichtsbarkeit darstellte.

Mit der Konstruktion des crimen mixtum (Apostasie und gesellschaftliche Schädigung) wurde die weltliche Autorität geradezu aufgefordert, auch eigenständig und ohne Zustimmung kirchlicher Amtsträger aktiv zu werden. Aus dem dritten Teil des Werkes, in dem die notwendigen konkreten Verfahrensweisen als Handreichung für die Gerichte mitgeliefert werden,

entwickelt sich in der juristischen Praxis später jenes verhängnisvolle System, das nur auf das Geständnis zielt. Die zermürbende Abfolge von Befragung, Haft, heuchlerischem Zureden über mögliche Begnadigung, die unterbrochene und wieder fortgesetzte Folter vermochte nicht nur jeglichen Widerstand der Angeklagten zu brechen, sie garantierte zugleich auch die fortwährende Selbstreproduktion und Aktualisierung des Systems. Einerseits erzeugte die durch Folter erzwungene Nennung von Komplizen regelrechte Prozesskaskaden, andererseits erfuhr das allgemeine Hexenmuster seine regionale Anpassung, indem es über die Geständnisse mit lokalen Elementen angereichert wurde.

In der 1484 von Kramer bei Papst Innozenz VIII. in Rom erwirkten und vermutlich von ihm selbst vorformulierten Bulle Summis desiderantes affectibus,[90] mit der zwar keine Definition des Hexenwesens, wohl aber so etwas wie eine schlüssige Kurzbeschreibung aus höchsten Munde beabsichtigt war, hatten Hexenflug und Tierverwandlung unter den Malefizien keine Erwähnung gefunden. Für den Autor stellten sie jedoch geeignete Elemente dar, seine zentrale Absicht zu untermauern, die weltliche Autorität von der Tatsächlichkeit der Handlungen und der Wirklichkeit der bestehenden Gefahr zu überzeugen.

Energisch wendet sich Kramer gegen jene, die immer noch die Illusionstheorie des Kanon Episcopi als klassisches Argument gegen den Realitätsbeweis ins Feld führten, wo doch der faktische Schadenzauber nachweisbar sei. Er beschuldigt sie nicht nur der Häresie, er macht ihnen vor allem zum Vorwurf, dass sie sehenden Auges die Bestrafung der Hexen verhinderten.[91] Das alte kirchenrechtliche Dokument befasse sich mit ganz anderen abergläubischen Praktiken als den moderenae maleficae, den aktuellen Schadenzaubereien. Gott lasse einen diabolisch bewirkten Transport tatsächlich zu und der Teufel leite seine Anhänger wirksam an, die Salbe so zu gebrauchen, dass sie sichtbar oder auch unsichtbar durch die Luft zu reisen vermöchten. Getreu der gebräuchlichen Methode, seine Argumentation mit praktischer Erfahrung und konkreten Beispielen zu untermauern, führt er unter seinen Beweisen das Geständnis jener Breisacher Hexe an, die nach eigenen Angaben sowohl in der Fantasie als auch körperlich ausgefahren sei.[92] Doch auch ohne Salbe könne das vor sich gehen, wenn nämlich der Satan sich selbst in ein Tier verwandle und so die Hexe davon trage.[93]

Theorie und Praxis durchdringen sich wechselseitig. Zugleich fördert die scholastische Konstruktion des crimen mixtum die „gemischte Argumentation“. Durch die Warnung vor kleinlicher Auslegung des Kanon Episcopi einerseits und durch den Wortlaut eines konkreten Geständnisses andererseits, kann eine Variante der alten Illusionstheorie fortbestehen, nach der sich die die Luftfahrt gleichzeitig als Produkt der Fantasie wie auch als Wirklichkeit erklärt. Diese Methode findet auch Anwendung auf die problematische Tierverwandlung. Die von Gott geschaffene Seele und der menschliche Geist seien für den Teufel zwar unerreichbar, doch durch den Pakt gewähre der Adept dem Teufel freie Hand, Verwandlungen jeglicher Art vorzutäuschen.

Auch die Extrakte der bisherigen Debatte um die Wolfsverwandlung baut Kramer schon im ersten Fragekapitel des ersten Buches ein: Drittens ist es auch förderlich [den Kanon Episcopi] recht zu verstehen, da die heutigen Zauberer öfter durch das Werk der Dämonen in Wölfe oder andere wilde Tiere verwandelt werden. Aber der Kanon spricht von wirklicher Umwandlung und wesensmäßiger und nicht von trügerischer, die öfters vorkommt.[94] Später gibt Kramer in der Nebenfrage von den Wölfen weitere Auskünfte über den Charakter dieser Verwandlung. Solche Dinge geschehen durch besondere Zulassung Gottes und durch das Werk der Dämonen und nicht aus einem natürlichen Mangel, wenn sie [die Werwölfe] durch keinerlei Kunst oder Macht verletzt oder gefangen werden können.[95] Hier spielt die Frage von Illusion oder Realität nur noch beiläufig eine Rolle. Entscheidender ist der Subtext. Primäres Ziel der Argumentation ist die Betonung und Dramatisierung der faktischen Gefahr, die von solchen wie auch immer Verwandelten ausgehe.

Galt früher der Werwolfglaube als häretisch, so stand jetzt der Glaube an eine tatsächlich wahrgenommene Verwandlung unter Häresieverdacht. Das wird später unter anderem jene rätselhaft konjunktivischen Formulierungen in Fragestücken und Verhörprotokollen hervorbringen, mit denen die Beteiligten versuchen, auf dem riskanten Seil zwischen Theorie und Praxis die Balance zu halten. Diese waghalsige Konstruktion verlangte nach einer angemessenen psychologischen Argumentation, mit der zu erklären war, wie der Teufel Menschen davon überzeugte, sich selbst verwandelt zu haben oder von anderen als solch Verwandelte gesehen worden zu sein. Kramer erläutert dies an Hand einer quasi frühen kinomatographischen Variante der Illusionstheorie, der heutzutage womöglich Hirnforscher einen gewissen Reiz abgewinnen könnten. Der Teufel ziehe aus dem Gedächtnis dort vorhandene Bilder vor die Augen der Betreffenden, um damit sowohl das subjektive Empfinden als auch den objektiven Blick dritter gleichsam zu überblenden. Da er dies – durch Gottes Zulassung - nur vollbringen könne durch das im Pakt getroffene Einverständnis des Adepten, war dessen verantwortliche Beteiligung justiziabel festgestellt.

Wie auch immer, im Zusammenhang unserer Frage bleibt festzuhalten, dass es zu Kramers Strategie gehörte, die Deutungshoheit des ehemals einflussreichen Kanon Episcopi weiter zu schwächen, in dem er ihn als inaktuell und unzuständig erklärte. Wer dennoch dem alten Erklärungsmodell anhing, mühe sich nur an der Oberfläche der Kanonworte ab und denke durchaus gegen Sinn und Geist der heiligen Doctores.[96]

In der wechselseitigen Verschränkung von Theorie und Praxis, bei der Volksglauben, Geständnisse und theologische Beweisführung als experientia, als durchgearbeitetes empirisches Material eine enge Verbindung eingingen, entstand ein eigenes komplexes System, dem schwer zu entkommen war. Es konterkarierte die alte Doktrin und betonte zugleich ihren Fortbestand. Das verlangte nach angemessenen Vermittlungsstrategien für die Kommunikation mit dem einfachen Publikum. Die Wirkungsgeschichte des Malleus zeigt, dass dies erst auf Umwegen geschah. Der Autor selbst hatte dazu jedoch erste Trittsteine gelegt, wenn er die Parole ausgab: Aber weil es schwierig ist, die vorhergehenden Dinge zu predigen, deshalb müssen sie zur Belehrung des Volkes einfach erklärt werden.[97]

VII Komplexitätsreduktion und Konkretion

Das von Kramer auf Gerichtsverwertbarkeit zurechtmodellierte Hexereikonzept brachte anfangs nicht den vom Autor erhofften Erfolg. Unter den neuen kommunikativen Bedingungen des Buchdrucks, der eine bisher nicht gekannte massenhafte Verbreitung von Texten möglich machte, führte die Debatte und der Streit um die reine Lehre jedoch auch zu einer Veränderung der Deutungsherrschaft und zu einer Komplexitätsreduktion des theoretischen Gebäudes. In einer Zeit des Glaubenszwangs und des unfreien Wortes war die gelehrte Argumentation höchst formelhaft, abstrakt und ständig besorgt, offen sichtbare Grenzüberschreitung durch Differenzierung zu vermeiden. Die als Beweismittel eingesetzten exempla entwickelten in ihrer Farbigkeit und Konkretheit eigenwillige Wirkungen. Beim Auftreffen dieses Kommunikationsstils auf die Mitteilungsformen der einfachen Leute, die an Bildhaftigkeit, Konkretion, an alltagspraktischen und anschaulichen Verknüpfungen interessiert waren, veränderten sich auch die Inhalte. Es bildeten sich eigene Standards, die der theologischen Kontrolle entzogen waren. Wenn der Teufel nach christlicher Lehre wirklich vorhanden war, sprach in den Augen der Menschen wenig dagegen, dass katzenverwandelte Hexen und wolfsverwandelte Zauberer, die doch realen Schaden stifteten, ebenso wirklich sein konnten.

Zur Komplexitätsreduktion trugen schon längst die in zahllosen Ausgaben gedruckten Bußbücher bei. In ihrer zumeist vereinfachten Version vom sündigen Glauben an das Wirken der Dämonen und an Zauberpraktiken spiegelten sie mit dem katechetischen Instrumentarium nicht nur die kirchliche Lehre, sondern auch die vorhandenen oder vermuteten volkstümlichen Imaginationen zurück und statteten sie gleichsam mit Realitätsgehalt aus. Schon zu Lebzeiten Kramers hatten sich die Lübecker - von ihrem Beichtspiegel (1474-1485) angeregt - die Frage stellen können: Hast du geglaubt, dass die Leute werden zu Wehrwölfen?[98] Daran zu glauben war verboten. Verboten war aber auch zu bezweifeln, dass ein Gericht einen Menschen tatsächlich als vermeintlichen Werwolf erkennen und hinrichten konnte.

Auch jene, die gegen die neue Zurichtung des Hexenwesens Einwände erheben, tragen auf ihre Weise zur Vereinfachung und zur Popularisierung des im Hexenhammer präsentierten Modells bei. In seinem 1489 erstmals erschienen Buch De laniis, mit dem der Konstanzer Jurist Ulrich Molitor auf das breite Publikum zielt, bestreitet er die Möglichkeit von Hexenflug, Tierverwandlung und Sabbatteilnahme. Er tut sie nicht nur als Fantasie und als Trugbilder ab, sondern stellt auch die durch Folter erpressten Geständnisse in Frage.[99] Er mahnt die Frauen, sich gegen die Versuchung des Teufels mit Frömmigkeitsübungen und Gebet zu wappnen. Denn vom alten - aus der Ketzerverfolgung stammenden - Teufelspakt ist er gleichwohl überzeugt und besteht auf der Todesstrafe für diesen häretischen Akt.

Molitors Traktat, der in lateinischer und deutscher Fassung fast zwanzig Auflagen erlebt, ist mit Holzschnitten[100] ausgestattet, die ganz im Gegensatz zur textlichen Aussage Hexenflug und Tierverwandlung nicht als diabolische Illusion, sondern als reale und tatsächliche Vorgänge zeigen.[101] Die bildliche Darstellung, die man im Buchgewerbe gerade als Bereicherung und absatzfördernde Attraktion entdeckt hat, stellt dem scholastisch kasuistischen Konzept eine eigentümliche und eigengesetzliche Wirkungsweise entgegen. Ganz gegen die Absichten des Autors verdichten die Bilder in Molitors Hexenbuch die konkretistischen Vorstellungen von wolfreitenden und tierverwandelten Hexen. Bilder haften tiefer im Gedächtnis als Worte. Sie liefern den Grund für die Annahme, dass etwas existiert, das dem gleicht, das darauf zu sehen ist. Die Illustrationen leisten ihren eigenen Beitrag zur Schwächung der alten Illusionstheorie und werden zugleich zum ikonographischen Modell, das Nachfolger anfeuert, die Palette möglicher Varianten zu erforschen und zu erweitern.

Wie bei Johannes Vintlers Buch der Tugend von 1411,[102] das 1486 zum ersten Mal mit reichem Illustrationsschmuck[103] im Druck erscheint, setzt sich dieser Prozess der Konkretisierung und Komplexitätsreduktion auch bei Ulrich Tenglers Layenspiegel von 1510 fort. Im Gegensatz zum Konstanzer Juristen Molitor ergreift der pfalz-neuburgische Landvogt jedoch das juristisch zurechtgerückte Angebot des Hexenhammers bereitwillig auf und fügt unter Mithilfe seines Sohnes – eines Geistlichen – die Ratschläge für die systematische Aufspürung und die effektive Prozessführung in sein für die weltliche Kriminalpraxis konzipiertes Handbuch ein.[104] In der von Hans Schäufelein geschaffenen Illustration zeigen sich die zauberischen Praktiken ganz real und über allem fliegen die Hexen auf Böcken durch die Luft.

In den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts erheben noch einige streitbare Vertreter des alten Kanons ihre Stimme, wie etwa Martin von Arles. In seinem Tractatus de superstitionibus von 1515 räsoniert er noch über die falsa opinione [...] credentes cum Diana vel Herodia nocturnis horis equitare, vel se in alias creaturas transformare. [105] Vor allem die der franziskanischen Theologie verpflichteten Minoriten halten länger stand als Kramers dominikanische Mitbrüder,[106] die – meist in der Rolle der Inquisitoren – an der praktischen Handhabung interessiert sind. Letztere verfolgen entweder die Doppelstrategie des Hexenhammers, nach der Flug und Verwandlung sowohl Illusion als auch real sein konnten,[107] oder aber sie geben dem alten Kanon zumindest für eines der beiden Elemente den Abschied. Dem Inquisitor Bernhard von Como beispielsweise scheint die Tierverwandlung nur von sekundärem Interesse, weil der in dieser Gestalt bewirkte reale Schaden ohnehin stärkere Beweiskraft hatte. In seinem Tractatus de strigiis von 1508 hält er folglich an der Unmöglichkeit einer substantiellen Verwandlung fest. Mit Verweis auf die Vita des Heiligen Petrus und den Magier Simon steht für ihn der reale Hexen-Transport als eines der zentralen Beweismittel für die Sabbatteilnahme jedoch außer Frage.[108]

Juristen wie Pompeius von Brescia (1518), Paulus Grillandus aus Florenz (1528) oder später der Spanier Franz Pegna, der an der römischen Kurie als Dekan der Rota Romana tätig ist und die Neuausgabe des Corpus Juris Canonici besorgt (1570), verabschieden sich in ihren Traktaten ebenfalls von der alten Illusionstheorie.[109] Es ist die Praxis, die der Theorie im Nacken sitzt. Auf dem Hintergrund der Prozesse in der Diözese Como, wo zwischen 1500 und 1525 jährlich 1.000 Frauen vor Gericht stehen, von denen jeweils etwa 100 hingerichtet werden, oder den Verfahren im benachbarten Val Camonica (60 Hinrichtungen im Jahre 1510) und in Piacenza (1520),[110] zählen für den Dominikaner und Magister der Theologie, Bartholomäus de Spina, die praktischen Argumente. In seiner mehrfach nachgedruckten Quaestio de strigibus et laniis von 1525[111] verweist er auf die Autorität des Papstes Innozenz VIII. und seine Bulle Summis desiderantes von 1484. Sie sei der Lächerlichkeit preisgegeben, wenn die Schandtaten der Hexen nur im Traum ausgeführt würden.[112] Für ihn ist der körperlich reale Flug zum Sabbat unbestreitbare Tatsache und entschlossen stellt er sich auf den Standpunkt, dass sich die Hexen auch tatsächlich in Katzen verwandelten.[113]

Damit war die Theorie wieder bei der frühen Praxis des Hexenwesens angelangt. Nach dem fast hundertjährigen Kampf um den Kanon Episcopi war seine Autorität in dieser Sache mehr als beschädigt. Bei dem Bemühen, dem luftigen Sabbattransport dadurch justiziables Gewicht zu verleihen, dass er vom Makel des Illusionären und Fiktiven befreit wurde, war gewissermaßen als Nebeneffekt auch dem Realitätsvorbehalt gegenüber der Tierverwandlung fast schon der Boden entzogen. Vor den Gerichten jedoch kam dieser Komponente bisher meist nur beiläufige Bedeutung zu und hatte in der Regel keinen maßgeblichen Einfluss auf die Urteilsbegründung. Die Tierverwandlung stellte im Grunde nicht mehr als ein Hinweis dar, ein Indiz für den Teufelspakt, der aber hauptsächlich durch das Geständnis der Sabbatteilnahme und des Schadenzaubers belegt wurde. Dennoch hat sich der Gedanke einer substantiellen Transformation in der kirchlichen Lehre nie wirklich durchsetzen können.[114] Unter die konstitutiven Elementen des kumulativen Hexenbegriffs wurde sie nicht aufgenommen und blieb meist ein nachrangiges Argument

Vier Jahre vor de Spina's Abkehr vom Kanon Episcopi hatte man 1521 in der Franche Comté allerdings die ersten Delinquenten hingerichtet, die eine Wolfsverwandlung eingestanden hatten. In der zeitlichen Distanz zu den ersten alpenländischen Prozessen dieser Art in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts und dem plötzlichen Aufflackern nach der Hungerzeit ab den 1570er Jahren waren dies aber Einzelfälle geblieben. Als eigene Variante des hexerischen Deliktmodells lag die Verwandlung von Menschen in Wölfe bisher immer nur am Rande des theoretischen Blickfeldes. Ein justiziables Konzept dazu war noch nicht entfaltet. Man hatte es wie ein nicht sonderlich praktisches Erbe mitgeschleppt. Wie die Entwicklung zeigt, bot sich erst nach der Konsolidierung des Hexenbildes, das sich durch Theorie und gewöhnliche Verfolgungspraxis vom religiösen allmählich zum gesellschaftlichen Phänomen gewandelt hatte, die Möglichkeit einer Wiederanknüpfung an, um damit auf regionaltypische Anforderungen zu antworten. Bei der Entwicklung der Blaupause für das Werwolf-Stereotyp werden die genannten Fälle aus dem Jura jedoch den Charakter des Historischen und die Beweiskraft der experientia erhalten.

VIII Der Werwolf auf der Agenda des 16. Jahrhunderts

Mit der anwachsenden Buchproduktion strömen neue Büchergattungen wie Bestiarien, Weltchroniken und Kosmologien auf den Markt, die den fantasiebeflügelnden Personalbestand an Dämonen und Monstern dramatisch erweitern. In der Tradition der frühmittelalterlichen Etymologen wie Isidor von Sevilia berichten Konrad von Megenberg 1475 (Buch der Natur), Schedles Weltchronik von 1493 oder Sebastian Münsters Cosmographia aus dem Jahre 1555 von Monstren, wolfsverwandelten oder auch nur wolfsköpfigen Menschen. Diese Wesen leben zwar in den fernen oder neu entdeckten Ländern, aber durch das den Texten beigegebene Bildprogramm erlangen sie Plastizität und treten aus dem mythischen Nebel heraus. Durch den Bischof von Uppsala, Olaus Magnus[115] rücken sie fast in greifbare Nachbarschaft. Obwohl er die meiste Zeit seines Lebens in Rom verbrachte, berichtet er 1555 detailversessen von den Werwölfen in Livland, Litauen und Preußen, an deren realer Verwandlung er nicht im Geringsten zweifelt.

Hatte sich in vorreformatorischer Zeit die Debatte um Realität oder Fiktion zumeist an den Universitäten und in den Gelehrtenstuben abgespielt, suchten nun Predigtsammlungen, Volksbücher, Exempla- und Prodigienliteratur diese wachsende Komparserie im Weltgeschehen schlüssig in Gottes Heilsplan einzubauen. Nachdem sich seit der Wende ins 16. Jahrhundert die Verfolgung bis nach Norddeutschland ausgebreitet hatte, war das Hexenstereotyp schon so sehr zum Allgemeingut geworden, dass es von der reformatorischen Kritik an der alten Kirche nur am Rande berührt wurde. Gewissermaßen als Teil des gesellschaftlich Selbstverständlichen stand nicht mehr die ketzerische Qualität im Vordergrund, sondern das Malefizium, die schädigende Zauberei. Auch Martin Luther hatte das Hexenwesen keiner fundamentalen Kritik unterzogen. Basierend auf dem Teufelspakt hielt er die These vom Schadenzauber durch magische Aggression für durchaus vertretbar. Mit Blick auf die abergläubischen Vorstellungen der Menschen bestritt er jedoch grundsätzlich die Möglichkeit der Tierverwandlung und sprach sich ausdrücklich gegen solche Auffassungen aus.[116]

Was die Menschen der Zeit tatsächlich mit dem Werwolf verbanden, darüber – so scheint es – kann die Forschung nur wenige zutreffende Aussagen machen. Rückschlüsse auf eine orale Tradition lassen sich, wenn überhaupt nur auf Umwegen ziehen. Diese führen zwangsläufig durch den Zerrspiegel jener verschriftlichten Produkte, die sich volkstümlich umgehender Erzählmotive zum Zwecke der Beweisführung instrumentell bedienten. Die nachdrückliche Art jedoch, mit der Theologen, Mediziner und Juristen auch aus dem reformatorischen Lager in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in dieser Sache argumentieren, lässt auf eine gewisse Präsenz, ja Virulenz dieses alten Erzählgutes und seiner Verknüpfung mit dem Hexenwesen schließen. Der Werwolf steht jedenfalls immer wieder auf der Agenda und nimmt Teil am bunten Reigen der Teufelserzählungen.[117] Den Stoff beziehen die Schreiber einerseits aus den Werken der spätmittelalterlicher Autoren (Thomas von Cantimpré, Wilhelm von Auvergne, Wilhelm von Brabant), deren Geschichten damals schon zur Belehrung und Ermahnung des Publikums dienten, dem Glauben an Menschenwölfe endlich abzuschwören. Zum anderen bildet sich allmählich ein Corpus von zeitgenössischen Episoden und Berichten heraus, denen von Beginn an der Makel der Hexenverwandtschaft eingeschrieben ist.

Zur Illustration und Belebung seiner Vorlesung zitiert Philipp Melanchthon aus dem Brief eines aus Litauen stammenden Schülers, wonach ein dort kürzlich hingerichteter Hexenmeister zuvor gestanden habe, sich jeweils um die Weihnachtszeit in einen Wolf zu verwandeln.[118] Folgt man den Nachforschungen Clemen's, handelt es sich bei diesem „Hermanus ex Livonia“ um den späteren Heidelberger Mathematiker Hermann Wilken (Wedekind, Wittekind), der 1585 unter dem Pseudonym Augustin Lercheimer noch einmal auf diese Begebenheit aus seiner litauischen Heimat und auf seine Augenzeugenschaft zurückkommt.[119] Ich bin einmahl mit eim Kirchendiener, meinem Freunde, in eins Landvogts Hauß gangen, der einen Wehrwolff (wie man solcher Leute auff teutsch pflegt zu nennen) gefangen hielt. Den ließ er für uns kommen, daß wir Gespräch mit im hielten.“[120]

Melanchthons Schwiegersohn, der Mediziner und Historiker Caspar Peucer, kennt die baltischen Werwölfe ebenfalls und erörtert das Thema im Zusammenhang mit Ekstase und Entrückung.[121] In seinen Deutungsversuchen stützt er sich auf das alte medizinische Konzept der Säftelehre und auf die spezielle Wirkungsweise des humor melancholicus. Bei diesem pathologischen Zustand, so seine Auffassung, könne sich das Mischungsverhältnis der Säfte im Gehirn so verändern, dass sich die Seele nicht nur aus der Verwaltung des Körpers förmlich zurückziehe, sondern ihn unter Umständen auch verlasse, um in Tiergestalt verwandelt am Sabbat teilzunehmen.

Ein anderer Melanchthonschüler, der Mediziner Job Fincel (Hiobus Fincelius) wird mit seinen Werwolfgeschichten zu einer wichtigen Quelle für eine Reihe von nachfolgenden Autoren, unter denen der französische Staatsrechtler Jean Bodin wohl derjenige ist, der seine Interpretation am weitesten treibt. Fincel ist eifriger Flugschriftensammler, aber meist mehr als zurückhaltend, wenn es darum geht, seine Quellen zu offenbaren. Von 1556 bis 1563 lässt er in Wittenberg seine dreibändigen „Wunderzeichen“ erscheinen, in denen die spätmittelalterlichen und zeitgenössischen Werwolfepisoden auf einander verweisen. Stark geprägt von religiöser Endzeitstimmung häuft er ein Exempel auf das andere, um damit die Gesetzmäßigkeit von Gottes Fingerzeigen auf das bevorstehende Strafgericht zu untermauern. Gott, so schreibt er in seiner Vorrede, wird nicht mehr wie es bisher geschen mit einer veterlichen ruten, sondern mit einem henkers schwert Deutschland daheim suchen.[122]

Fincels Werwolfexempel - wie die seiner kompilatorischen Nachfolger[123] -zeigen letztlich zwei Grundmuster. Einmal ist es der ungebildete (oder wie bei Weyer auch weise) Mann, der wegen seines Unglaubens mit Verwirrung des Geistes bestraft wird und sich in Wolfsgestalt verwandelt fühlt. Dabei erfährt er nach dem einen Autor Errettung und Heilung, während er bei anderen wegen seiner aggressiven Taten notwendig den Untergang erleidet. Zu diesem Strang gehört auch jene häufig zitierte Episode aus Padua vom Jahre 1541, die je nach Autor auch nach Pavia, nach Patavia oder gar - wie bei Godelmann - nach Passau verlegt wird. Im zweiten Strang wird von glaubhaften Verwandlungen berichtet (baltische Länder, Preußen, Konstantinopel), die mit Hilfe des Teufels vor sich gehen. Gemeinsam ist allen Historien die dämonologische Kontaminierung, bei deren Deutung die Autoren neben dem pathologischen Konzept der antiken Medizin vor allem die alte Illusionstheorie zu Hilfe nehmen, wie sie in der Tradition von Augustinus und dem Kanon Episcopi geprägt worden war.

Unter den dezidierten Gegnern im protestantischen Lager ist es vor allem der klevesche Hofarzt Johannes Weyer, der sich am ausführlichsten mit dem Werwolf befasst. In seiner 1563 erstmals erschienen Schrift De Praestigiis Demonum erörtert er dieses Thema nicht nur mehrfach in eigenen Kapiteln (3, 4. und 6. Buch), sondern bezieht auch in anderen Zusammenhängen den Werwolfvorwurf immer wieder in seine apologetische Argumentation mit ein. Weyer verfügt auch über Informationen von dem frühen Prozess in der Franche-Comté vom Jahr 1521 und er verweist auf Zusammenhänge mit Ereignissen in Saffoyen und beiliegenden Landen.[124] Zur Unterstützung seiner Argumentation gegen des leidigen Teüffels list vnnd betrug [125] fügt er am Ende des sechsten Buches die Predigten Geilers von Kaisersberg an, die jener 1508 im Straßburger Münster zum Hexenthema und ganz im Sinne der alten Trugbildthese gehalten hatte. Darunter auch die Predigt Am dritten Sonntag der Fasten Oculi / von den werwolffen,[126] die im Gegensatz zur Emais-Ausgabe von 1516 jedoch nur in abgekürzter Form wiedergegeben ist. Es fehlen nicht nur die „natürlichen“ Gründe für „unnatürliche“ Wölfe, die Geiler neben der Selbstverwandlung des Teufels als Erklärung anbietet, sondern auch jene rhetorische Wendung an sein Publikum, mit der er unzweifelhaft dessen Vorerfahrung in Sachen Werwolf zum Ausdruck bringt. Du weist mee daruon den ich.[127]

Weyers Einwände, in denen er alles aufbietet, was wir bisher an Gegenargumenten gehört haben, müssen hier nicht im Einzelnen erörtert werden. Bei Spekulationen über die Gründe seiner - in Relation zu anderen Autoren - fast obsessiven Beschäftigung mit dem Thema, erscheint jedoch die Vermutung nicht von der Hand zu weisen, dass in den 1560er Jahren das Werwolfthema erheblich an Aktualität gewonnen hatte und nicht mehr nur in Studierstuben, sondern auch in Gerücht und Prozesspraxis verhandelt wurde. Bemerkenswert ist dabei der Umstand, dass in Weyers näherem oder weiteren Umfeld - vor allem zu seinen Lebzeiten - bisher keine Hexereiverfahren nachgewiesen wurden, bei denen das Werwolfstereotyp eine prozessbestimmende Rolle gespielt hätte.

Neben der theologischen Betrachtungsweise waren unruhige Geister längst dazu übergegangen, im Sinne eines neuen naturwissenschaftlichen Verständnisses nach der Mechanik und der individuellen Veranlagung der Verwandlung zu suchen. Die Theologen hatten in dieser Richtung schon vorgearbeitet, wenn sie Hilfsmitteln wie den Gürtel, die Salbe oder das Überwurffell in ihr Modell aufgenommen hatten. Bei der Beantwortung der Frage nach Ursache und Wirkung waren jedoch immer theologische Implikationen eingewoben, insofern diese Mittel selbst als unwirksam galten. Sie wurden im Sinne der Augustinischen Zeichentheorie primär als Zeugnisse für die demütigende Abhängigkeit der Hexe vom willkürlichen Spiel des Teufels verstanden. Ohnehin war der Hexe selbst nicht die Kraft verliehen, sich zu verwandeln. Wenn es dazu dieser Medien bedurfte, so waren sie nur kraftloser Vorwand und täuschende Kulisse für das Werk, das einzig der Dämon selbst zuwege brachte, der damit seine Anhänger in Wirklichkeit betrog.

Heinrich Kramers quasi-kinomatographischer Erklärungsversuch über das Zustandekommen des „Realitätsanscheins“, zog weitere Materialisierungshypothesen nach sich, wie sie beispielsweise Jacob von Liechtenberg in seinem Hexen-Büchlin von 1545 vortrug. Der verblüffende Realitätsgehalt des teuflisch behaupteten Trugbildes faszinierte, weil es qua definitionem so überzeugend gestaltet war, das niemandt widerfechten mag noch will.[128] Das verlangte gewissermaßen nach Konkretionen in der Art alchimistischer Rezepturen. Liechtenberg freilich greift zu einem einfachen und allgemeinverständlich Bild, in dem er die Verwandlung anhand der Arbeitsweise des Töpfers erklärt:

Wie ein hafner auß einem leim [=Ton] ein krug / ein kachel oder ander geschir machen vnd wider zerbrechen vnd wider anderst machen mag. Also ist der geist vnd der Hexen / der geist ist der Meister / die Hex ist der leim vnd auff solche weise / wirt auß der Hexen ein katz / wolff / geiß vnnd wirt da der person nichts benommen / noch hinzugesetzt.[129]

Aber auch solche Erklärungsversuche werden stets über eine systemkonforme Rückbindung abgesichert: Bleibt dennoch der mensch ein mensch / wie wohl er anderst Organisiert vnd gestaltet ist.[130]

Liechtenbergs Hexenbüchlein wurde nach seinem Tod von treuen Verfechtern immer wieder neu aufgelegt und verstand sich ausdrücklich als Handreichung zunutz allen Vögten, Schultheissen, Amptleuten oder Amptsverwaltern, Regenten des Weltlichen Schwerdts vnd Regiments, wie der vielschreibende Colmarer Stadtarzt Johann Jakob Wecker auf dem Titelblatt der von ihm besorgten Neuauflage von 1575 anpreisen lässt. Dem genannten Personenkreis war die Verfolgung praktisch ex officio zugefallen, seit das Laterankonzil im Jahre 1514 die Zauberei als gemischtes Verbrechen bestätigt und der Zuständigkeit beider Rechte zugewiesen hatte. Die kirchlichen Gerichte hatten im Zuge der nachreformatorischen Umwälzungen allmählich an Bedeutung eingebüßt, so dass sich in den katholischen wie in den protestantischen Territorien die weltliche Gerichtsbarkeit dieses Themas bald in aller Strenge annahm.

Die Constitutio Criminalis Carolina, die neu gestaltete Strafrechtsordnung Kaiser Karl V. von 1532, hatte das Hexenwesen nicht zu seinem Gegenstand gemacht, sondern nur das traditionelle Zaubereiverbrechen im Artikel 109 berücksichtigt. Danach setzte eine Verurteilung zum Scheiterhaufen einen erwiesenen Schadenzauber und zwei Tatzeugen voraus. Nach Auffassung der territorialen Gerichtsbarkeit war dem komplexen und zumeist heimlich verübten Hexereiverbrechen mit diesem Instrumentarium aber nicht beizukommen. In der Folge verschärften Landesherrschaften wie Kursachsen, Württemberg und die Kurpfalz innerhalb weniger Jahre ihre Gesetzgebung und wechselten vom Akkusations- zum Inquisitionsverfahren. Statt zweier Tatzeugen galten jetzt Gerücht und Denunziation als hinreichende Gründe für die Eröffnung eines Verfahrens, in dessen Verlauf die Gerichte sogar häufig darauf verzichteten, die schädigende Zauberei im Einzelnen nachzuweisen. Für ein Todesurteil reichten böser Wille und Teufelspakt aus. Da beide Sachverhalte jedoch erst durch die Selbstbeschuldigung des Angeklagten Beweiskraft erlangten, war alles Bemühen darauf gerichtet, dieses Geständnis zu erlangen.

Auch wenn die Befürworter der traditionellen Lehre des Kanon Episcopi noch nicht verstummt waren, so hatten sie zumindest in Deutschland und Frankreich seine Gültigkeit für Hexenflug und Tierverwandlung nicht überzeugend glaubhaft machen können. Am Ende des 16. Jahrhunderts stand für die entschiedenen Verfolger die Realität der Hexensekte und des Hexenfluges fest.

IX Jean Bodins juristische Blaupause für das Werwolfstereotyp

Im Jahre 1580 veröffentlichte der französische Staatsrechtler und Kronanwalt Jean Bodin sein Buch De la Démonomanie Des Sorciers[131] und fügte damit dem einschlägigen Schrifttum nun auch eine politisch säkulare Dämonologie hinzu, die im Alten Reich mit Aufmerksamkeit und breiter Zustimmung rezipiert wurde. In seinem wenige Jahre zuvor erschienenen Hauptwerk Six livres de la République[132] hatte er die Grundlagen für einen neuzeitlichen Souveränitätsbegriff des Staates gelegt, nach dem der Herrscher nur an göttliches Recht und an das Naturrecht gebunden war. Für Bodin gehörte die Bekämpfung des Bösen - auch in der Gestalt magischen Handelns - unmittelbar zum Auftrag des souveränen Fürsten und seiner Gerichtsbarkeit. Hexerei als Häresie, als Abfall von Gott, war damit ebenso als staatsfeindliches Delikt qualifiziert, wie die Leugnung der staatlichen Ordnung selbst.

Der angesehene Jurist ist kein bedingungsloser Anhänger der katholischen Partei und folgt in Religionsfragen eher einer neuen aufklärerischen Richtung. Nach seiner Ansicht hatte jede Religion das Recht anerkannt zu werden, sofern sie nichts enthielt, was sich gegen den Staat, die Sittlichkeit und die Gottesfurcht richtete. Auf diesem Hindergrund jedoch wird der Hexensabbat einschließlich seiner religiösen Implikationen Gegenstand der politischen Betrachtung und der weltlichen Gerichtsbarkeit. Hexerei wird mit Ketzerei identifiziert und damit zum Staatsdelikt. Gegner der Hexenverfolgung, die noch immer am Argumentationssystem der alten kanonische Lehre festhielten, gerieten dabei ebenso unter den Verdacht politisch illoyalen Verhaltens, wie Gelehrte, die sich – wie beispielsweise Johann Weyer - auf die antike Medizin beriefen, um die Geständnisse von Tierverwandlung als pathologischen, schicksalhaften Zustand zu beschreiben, für den das Individuum Hilfe beanspruchen und keine Bestrafung erwarten dürfe.

Gleich zu Beginn seiner systematischen Auseinandersetzung mit dem von der Gelehrtenkultur bisher aufgehäuften Stoff zum Hexenwesen zeichnet Bodin ein düsteres Bild dieses in seinen Augen noch immer einflussreichen gegnerischen Lagers. Schon in den ersten Zeilen seiner Vorrede nimmt er das konkrete Verfahren gegen die 1578 als Hexe verurteilte Jeanne Harnillier aus der Region Compiegne zum Anlass, um die Gegner zuerst im Lager der eigenen Zunft ausfindig zu machen. Obwohl gerade im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts eine neue Verfolgungswelle ihren Anfang genommen hatte, wirft er Richtern und Schöffen vor, immer wieder Hinrichtungen zu unterbinden und geltendes Recht durch Begnadigung von Angeklagten oder durch die Zulassung von Urteilsrevision zu sabotieren. Selbst unter Päpsten, Kaisern, Königen und Fürsten glaubt er seine Gegner ausmachen zu können. Wenn sie - nach seiner Einschätzung - auf allerlei Weisen und Wegen Hexen und Zauberer zu entschuldigen und zu salvieren suchten, habe dies unzweifelhaft seinen Grund darin, dass sie selbst Mitglieder der Sekte seien.

Im folgenden Jahr 1581 findet Bodins Buch in dem protestantischen Juristen am Reichskammergericht in Speyer und späteren Amtmann im lothringischen Forbach, Johann Fischart, einen engagierten deutschen Übersetzer. Unter dem flamboyanten Titel Vom außgelasnen Wütigen Teuffelsheer[133] reichert Fischart den Text mit satirischen Zuspitzungen, Wortspielen, Ergänzungen und Einschüben an, ohne Bodins Konzeption damit wirklich Abbruch zu tun. Seinem eigenen Interesse an einer zweifelsfreien Klärung der juristischen Sachverhalte gibt Fischart in einer vorangestellten eigenen Vorrede Ausdruck. Die Theologen und andere Gelehrte hätten zum Zauberei- und Unholdenwesen zwar viel herzliches vnd treflichs zuschreiben sich bemühet.[134] Da aber die wirksame Aufspürung, Verfolgung und Bestrafung des Teufelsgesinds durch die Obrigkeit im Vordergrund stehe, liege es nun in der Zuständigkeit versierter Juristen, sich der Sache anzunehmen und die Voraussetzungen der notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen darzulegen. Mit diesem Zuständigkeitsanspruch hatte nun die Justiz die Aufgabe übernommen, die noch immer schillernde Komponente Tierverwandlung mit einem entsprechend tragfähigen theoretischen Unterbau zu versehen, durch den auch das Thema der hexerischen Wolfsverwandlung zu einem gerichtsverwertbaren Delikt aufsteigen konnte.

Schon die Position, an der Bodin in seinem Werk dem Phänomen der hexerischen Wolfsverwandlung ein eigenes Kapitel widmet,[135] macht deutlich, dass er das Thema mit der gleichen Konnotation abzuhandeln gedenkt, zu der schon die frühen Dämonologen gegriffen hatten. Im vorausgehenden Kapitel werden die Profanierung von Leichen und die vermeintlich kannibalistischen Praktiken der Hexen erörtert, während er im anschließenden Kapitel der sexuellen Devianz und der Frage nach dem geschlechtlichen Umgang mit dem Teufel nachgeht. Nachdem im Zusammenhang mit Leichenfraß das Stichwort von der Lycanthropie gefallen ist, mit dem Bodin nicht nur die Krankheit sondern häufig auch jegliche Art der Tierverwandlung beschreibt, leitet er mit einer rhetorischen Frage zum Wolfskapitel über, die in Fischarts beherzter Übersetzung freilich schon jene Realität vorweg nimmt, zu der Bodin gerade erst die Beweisführung eröffnet.[136]

So laßt vns derwegen nun von disem Puncten in folgendem Capitel auch handelen / vnd wo es möglich ist / darthun, daß die Menschen entweder wahrhafftiglich / oder durch einbildung vnd Fantasey / oder durch Krankheit in Wölff verwandelt werden.[137]

Bodin zieht für seine Argumentation das erkenntnistheoretische Prinzip des Aristoteles heran, nach dem der Mensch niemals die ganze Wahrheit erkenne. Wenn der menschliche Geist, der durch seine Schwäche und Gebrechlichkeit Gottes Allmacht nur umso größer erscheinen lasse, die eigentlichen Ursachen solcher Verwandlungen nicht erkenne, so sei deren Realität doch als Beweis ausreichend. In der Folge setzt er nun zu einer Beweisführung ex posteriore an und referiert die oben schon genannten einschlägigen Episoden: die Werwolfsprozesse in der Franche-Comté (1521 und 1573), der immer wieder zitierten Fall aus Padua (1541), die von Fincel übernommenen Wolfsmenschen von Konstantinopel und einen nicht näher ausgeführten Werwolfprozess in den Niederlanden. Daran schließt sich der Bericht von einem französischen Verfahren gegen mehrere Frauen im französischen Vernon (1561) an, die ihre Verwandlung in Katzen eingestanden hatten. Den Charakter des „Realen“ erhalten sie für Bodin durch die Tatsache, dass sie real erzählt und überliefert werden. Dabei werden alle seine Gewährsmänner von Johannes Nider, Petrus Mamoris, Heinrich Kramer, Ulrich Molitor (Meusnier), Job Fincel bis zu Caspar Peucer und einige weitere nicht näher genannten deutschen Autoren kurzerhand zu Kronzeugen: Es ist zwar gar ein frembde sach. Aber noch viel frembder kompt mir für / das solchs vil nicht glauben können / so sie doch sehen / das alle Völcker auff dem Gantzen Erdrich / vnnd die Alt sampt der Jungen Welt hierüber vberein stimmen.[138]

Um eine seiner Hauptthesen vorzubereiten, führt Bodin in der Folge eine Reihe von antiken bis zeitgenössischen Autoren an, die in immer neuen Episoden von der wundersamen Verwandlung von Menschen in gelehrige Esel berichten. Der argumentative Zweck dieser Exempel wird vor allem in jener Geschichte eines ägyptischen Gauklers deutlich, dessen aufgeweckte eselsverwandelten Hilfskräfte nicht allein das Publikum mit allerlei Scherzen zu erheitern verstehen, sondern auch zu außerordentlich vernünftigen Dienstleistungen in der Lage gewesen sein sollen. Für Bodin sind sie Belege dafür, dass diese in Esel verwandelten Menschen zwar die Gestalt gewechselt, nicht aber Verstand und Vernunft verloren hatten. Dass es sich in den genannten Fällen um eine reale Verwandlungen gehandelt habe, so Bodin, sei durch den Bischof Petrus Damianus belegt, der damit gar die höchste kirchliche Lehrautorität befasst habe: Endlich hat ers Papst Leoni dem Sibenden[139] erzehlt / vnd nach dem sich die sach vor dem Bapst zu beiden theilen haben disputiert vnnd Erwogen / ist vnter ihnen beschlossen worden / daß die Wandelung wol möglich sey.[140]

Autoren wie etwa Plinius oder Apuleus, die in ihren Texten keinen Zweifel darüber lassen, dass sie solchen Verwandlungsgeschichten keinen Glauben schenken, isoliert Bodin aus seiner Beweiskette mit dem Hinweis, als Fabulierer und Poeten seien sie an der Realität ohnehin nicht interessiert gewesen. Selbst der Kirchenlehrer Augustinus muss sich in dieser Sache den Vorwurf der Unentschlossenheit machen lassen. Im 18. Kap. seines Gottesstaates habe er nicht „gewagt“, in dieser Frage zu einem klaren Urteil zu kommen, wo doch “viele andere dies für möglich hielten“:

Ja dise verwandelung oder Transformation des Apuleij belangend / da weiß S. Augustinus nicht / ob ers verneinen oder bewären soll. Es bedunckt jn zwar es sey eine verblendung / vergalsterung vnd Fascination. Aber andere Theologi halten solchs könn eygentlich vnd Natürlich sich also zutragen.[141]

An diesem Beispiel lässt sich im Übrigen Fischarts eigenwillige Übersetzungsstrategien beobachten. Das recht konfrontative Urteil Bodins über Augustinus, der eine klare Aussage nicht „gewagt“ habe, übersetzt er mit dem milderen „nicht wissen“. Aus den anonymen „anderen“, die Bodin als Befürworter seine Realitätsthese heranzieht, werden bei Fischart „andere Theologen“.

In seinem zentralen Argumentationsgang wendet sich Bodin nun direkt gegen den Kanon Episcopi und gegen das theologische Konzept seiner Gegner, die an der gottgewollten Unveränderbarkeit des menschlichen Individuums festhalten. Das eigentliche Kontinuum und Unveränderbare des menschlichen Wesens, so Bodin, sei einzig die Vernunft (raison), nicht aber Form und Gestalt. Am Beispiel der Verwandlung des Nebukadnetzar und dem antiken medizinischen Modell der pathologischen Lykanthropie sei ersichtlich, dass dem Teufel sehr wohl die Macht gegeben sei, den Leib zu verändern, auch wenn dadurch Geist und Gemüt des Betreffenden in große Bedrängnis und Leid gebracht werde.

[...] weil / die Essentialisch oder Wäsentlich Form des Menschens / Welches die Vernunfft ist / nicht wird geändert / sondern allein die Figur oder gestalt desselbigen.[142]

Getreu der scholastischen Regel, dass Glaube und Vernunft sich nicht wirklich widersprechen können, untermauert Bodin seine Realitätsthese stets mit einer gezielten Mischung aus literarischen Beispielen, Naturbeobachtungen und theologischen Argumenten: Wenn der Mensch durch seine Pfropfkünste auf dem Kirschbaum Rosen, und auf dem Kohl Äpfel hervorbringen könne, wenn er Eisen in Stahl, Gold in Silber und noch tausenderlei andere Arten solcher natürlichen Verwandlungen vollbringen könne, wie soll es dann einem so frembd beduncken / wann der Sathan / dem Gott eine grosse Macht inn dieser Elementarischen Welt hat gegeben / die Gestalt eins Cörpers inn anderen kan verändern.[143]

Erneut dekliniert er all die biblischen Stellen durch, die dem dämonologischen Diskurs schon immer als Argumente des Für und Wider gedient haben. In seiner ausführlichen Auseinandersetzung mit Johann Weyer, die er als eigenen Teil dem 4. Buch anfügt, verweist Bodin beispielsweise auf das Buch Job. Das alttestamentarische Beispiel hatte schon Thomas von Aquin und Bonaventura als Beleg dafür gegolten, dass es den Dämonen tatsächlich möglich sei, Wetter zu machen und unter Gottes Zulassung eine Vielzahl von Leid und Ungemach über dem ewig geduldigen und gottwohlgefälligen Protagonisten auszuschütten. Weyers Einwand gegen die Möglichkeit der substantiellen Wolfsverwandlung hält er diese Überlegungen entgegen. Und so als verlange er im Grunde weit weniger als die zitierten kirchlichen Autoritäten, verweist er auf all die Plagen, denen Job unterworfen wurde. Sie seien weitaus schwieriger zu bewirken, als einen Menschen in die Gestalt eines Wolfes zu verwandeln.[144]

Bodin sucht nach möglichen Bruchstellen in der theologischen Argumentation seiner Kontrahenten und konfrontiert die einschlägigen biblischen Belege stets mit seinem Verständnis von der unerschütterlichen Gültigkeit der Naturgesetze. Wenn Lots Weib tatsächlich in eine Salzsäule verwandelt und wenn – wie Thomas und Augustinus eingestehe – Jesus tatsächlich und leiblich vom Satan auf den Berg und auf die Spitze des Tempels getragen worden sei, dann müsse, was einmal gelte, auch immer gelten: S'il est possible en vn, il es possible en tous: car il est dit que cela fut, fait par Sathan.[145] Mit diesem Basta-Argument setzt Bodin den Schlusspunkt unter sein Kapitel über die Wolfsverwandlung.

Ziel seiner Argumentation ist nicht allein, die alte Illusionsthese für unzuständig und überholt zu erklären, um Hexenflug und Tierverwandlung mit dem Charakter gerichtsverhandelbarer Realität auszustatten. Bodins philosophisch theologische Kehrtwende besteht darin, dass er dem alten Konzept von der Unveränderbarkeit der integralen Person aus Leib und Seele überhaupt den Abschied gibt. Der Mensch ist nicht mehr individuelles und von Gott so und nicht anders gewolltes Geschöpf. Der Leib ist wie beim Töpferbeispiel Liechtenbergs wandelbare Materie und kann sowohl von den Engeln als auch von den Dämonen umgestaltet werden. Für ihn stehen der Geist, die Vernunft und der darin begründete freie Wille als das einzige unwandelbare Kontinuum des Menschen im Mittelpunkt. Dort ist zugleich der justiziable Ort, an dem der einzelne sich freiwillig für oder gegen ein Bündnis mit dem Teufel entscheiden kann.

Wenn wir noch einmal zu unserer eingangs gestellten Frage zurückkehren, in der wir darüber rätselten, warum ausgerechnet der Wolf und der wolfsverwandelte Mensch ins Fahndungsbild der Hexenverfolger geriet, nicht aber beispielsweise der zum aufrechten Gang fähige Bär oder ein anderes Tier, so verspricht Bodin auch dazu die gültige Antwort zu geben. Es muss nicht weiter überraschen, dass dabei neben den Wölfen auch die Esel mit ins Bild kommen, die in den Hexenprozessen nie eine Rolle gespielt haben. Wir wissen aus dem oben angeführten Beweisgang, dass sie nur zur Beschaffung eines wichtigen Argumentes ihre hilfreiche Dienste zu leisteten hatten, weil ausgerechnet diese Esel so trefflich die fortbestehende Vernunft im verwandelten Körper bezeugten:

Fordert man dann etwas Vrsach / warumb die Menschen viel eher vnnd mehr in Wölff vnnd Esel / dann inn andere Thier verwandelt werden? Da bedunckt mich / es sey die vrsach / weil die ersten / die man inn Wölff verwandelt gesehen / Menschenfleisch gessen haben / wann sie dem Jupiter / den man den Lyceum oder Wölffischen genant / geopffert hat. Auch sicht man / das der / so zu Dol sich inn ein Wolff hat verkehren können / vnnd daselbst ist gericht worden / vnnd die auß Sauoy / deren wir droben gedacht haben / allsampt dessen bekanntlich waren / das sie viel Kinder gefressen hetten.[146] Was die livländischen Werwölfe betrifft, die so offensichtlich ohne hexerischen Teufelspakt auskamen und die Bodin durch die Schilderungen von Caspar Peucer und Olaus Magnus kennen lernte, so schreibt er ihre Verwandlung gewissermaßen einem sympathetischen Effekt zu: Weil si mit den Zäuberern vnd wolffleuten gern vmmgehen / darüber endlich jnen auch gleich werden.[147]

Damit hat Bodin alles unter einem Dach versammelt, was die gelehrte Welt bisher zu diesem Thema aufgeboten hatte. Die antiken Mythen sind bruchlos mit den alpenländischen volkstümlichen Vorstellungen aus den frühen Savoyer Prozessen verbunden. Die Geständnisse der zweifellos pathologischen Lykanthropen aus den frühen Werwolfprozessen in der Franche-Comté verschmelzen scheinbar nahtlos mit den womöglich auf schamanistische Wurzeln zurückreichenden baltischen Werwölfen, die nach eigenen Auskünften die Hexen bekämpften. Zugleich hat sich in dem fast zwei Jahrhunderte dauernden Diskurs die kannibalistische, kinderfressende Assoziation des lupino more der frühen dämonologischen Traktate erhalten. Für die spezielle sexuelle Devianz, von der ein Teil der späteren Werwolfprozesse geprägt sein wird und die sich womöglich allein um der Dramatik willen von der hexerischen Buhlschaft der Frauen unterscheiden sollte, sind die Geständnisse des Pierre Burgot und des Michel Verdun beigesteuert.[148] Die beiden Hirten aus Poligny bei Dôle hatten das Szenarium mit der lustvoll praktizierten Sodomie mit den Wölfinnen um einen weiteren Aspekt bereichert, der allein schon den richterlichen Zugriff rechtfertigte.

Bodin bekennt sich entschieden zur realen Möglichkeit der Wolfsverwandlung und steht damit entschlossen auf der Seite der kleinen Leute, die sich diesen latenten Tabubruch von den Predigern nicht wirklich hatten ausreden lassen. Der argumentative Aufwand gilt aber nicht zuerst den Theologen, die sich noch immer an der Autorität des Kanon Episcopi abarbeiten. Im Blick hat er vor allem die Juristen, die er noch in starker Abhängigkeit vom Kanonischen Recht weiß und die er gerne mit alltagspraktischen Argumenten versorgt. Durch die Systematik seiner Gedankenführung befreit er die Wolfsverwandlung vom alten Einwand des Fiktiven und verschafft dieser Untergattung des hexerischen Deliktkomplexes ein stabil erscheinendes Fundament und die notwendige Verknüpfung mit dem Gesamtsystem.

Damit war die juristische Zurichtung dieses Elementes aus den frühen alpenländischen Verfahren im Grunde abgeschlossen und die erste praktikable Blaupause für das Werwolfstereotyp entstanden. Als hätte man auf diesen bisher fehlenden Baustein gewartet, wurde er – wenn auch regional unterschiedlich stark - unverzüglich in das Instrumentarium der Hexereiverfahren aufgenommen und führte noch im gleichen Jahrzehnt zu ersten Varianten dieses Prozesstyps. Wirkungsgeschichtlich gesehen, hatte die Tatsache kaum eine Rolle gespielt, dass die römische Kirche Bodins Werk 1596 wegen all zu großer Nähe zur jüdischen Tradition auf den Index der verbotenen Schriften setzte. Der staatstheoretisch fundierte Dämonentraktat des renommierten französischen Rechtsgelehrten erlebte sechsundzwanzig Auflagen in französischer, lateinischer und italienischer Sprache, darunter allein drei Auflagen der deutschen Übersetzung innerhalb von zehn Jahren.[149]

X. Vom verwandelten Wolf zum maskierten Wolf

Die Mischung aus theologischer Spekulation und juristischer Praxis, wie sie vom Hexenhammer vorgeprägt und von Jean Bodin für seine Systematisierung konsequent fortgeführt wird, bestimmt auch weiterhin das dämonologische Schrifttum, das im Übergang zum 17. Jahrhundert und nicht zuletzt durch die Beteiligung von Juristen eine neue Blütezeit erfährt. Primäres Ziel der Autoren ist jedoch nicht mehr die weitere Aufarbeitung der alten noch immer nicht ganz widerspruchsfreien Ausgangspunkte und Deliktkomplexe. Solche Aspekte spielen angesichts der routinierten Verfolgungspraxis nur noch eine Nebenrolle. Es geht vor allem um den nachdrücklichen Appell für eine bedingungslose Bestrafung jener, die unter den Verdacht eines teuflischen Paktschlusses geraten sind. Der Trierer Weihbischof und exponierte Verfolgungsbefürworter Peter Binsfeld bringt es auf die Formel:

Alle Werck der Zauberer haben jhre Krafft vnd Wuerckung / auß dem außtruecklichen oder stillschweigenden Versprechen mit dem laidigen Teuffel / daß der Zauberer allzeit / wann er etwas wuercken oder thun / den Teuffel außtruecklich oder stillschweigend zu huelff anruffe / daß er jhme zu solchem seinem Versprechen verholffen sey.[150]

Bei der seit dem Hungerjahr 1570 überall in Mitteleuropa wieder aufgeflammten Verfolgung hält man sich kaum mit den skrupulösen scholastischen Feinunterscheidungen zwischen realer oder fiktiver Tierverwandlung auf. Bodins Argumentation war zwar grundsätzlich erfolgreich, doch seiner Auffassung von einer substantiellen Verwandlung von Menschen in Wölfe war kaum ein Theologe oder Jurist wirklich gefolgt. Für die praktische Handhabung spielte das auch kaum mehr eine Rolle. Als der neue Erzbischof von Lüttich, Ernest Bavaro bei seinem Amtsantritt 1581 ein scharfes Edikt[151] gegen das Hexenwesen erlässt, gehört das Werwolf-Stereotyp wie selbstverständlich zum breiten Katalog der Untaten. Unbeschadet aller scholastischen Debatten vertritt er die Ansicht, dass die Wolfsverwandlung nicht allein die Frucht eines freiwilligen Teufelspaktes sei. Sie könne auch das Ergebnis eines Malefiziums einer Hexe sein, der damit die absolut neue Möglichkeit zugesprochen wurde, gleichsam unbeteiligte Dritte in ein Tier verwandeln zu können.

Schon seit 1580 kommt es zu Hexereiprozessen, bei denen der Vorwurf der Wolfsverwandlung eine explizite Rolle spielt (Luzern, Hessen, Rheinland, Lothringen, Mosel, Niederlanden).[152] Eine weitere Systematisierung und Zuspitzung erfährt das Muster in der unter habsburgischer Herrschaft stehenden Franche-Comté. In dieser immer wieder von Wolfspaniken heimgesuchten Region entwickelt sich sein Gebrauchswert als Deutungsmöglichkeit für rätselhafte Angriffe auf Menschen. Der – nach Zeugenaussagen - zumeist schemenhafte Auftritt der Angreifer nährt die Vorstellung von zauberisch organisierten Tieren, die sich ihre Opfer vorwiegend unter Kindern suchen. Das Parlament von Dôle ergreift 1573 die Initiative und verordnet eine regelrechte Treibjagd auf vermeintliche Werwölfe, um den Paniken in der Region beizukommen. Nach der Gefangennahme und Aburteilung von Gilles Garnier, einem verwilderten Außenseiter, liefert das Parlament am 18. Januar 1574 in einem „Arrest memorable“[153] gewissermaßen die konzeptionelle Begründung nach. Das dreiundzwanzigseitige Dokument enthält neben der juristischen Wertung des Parlamentes unter anderem auch die Stellungnahme des Domkapitulars Challemaison von Sens, aus der hervorgeht, dass man sich auch vor Bodins Blaupause in der Region schon mit dem hexerischen Werwolf befasst hatte.

Die kollektive Imagination, Wolfsattacken als Aggression magischen Ursprungs zu deuten, wird bei einer zweiten Wolfspanik in den Jahren 1597/98 durch den Oberrichter des Klosterbezirks St. Claude, Henri Boguet, mit einer neue Dynamik ausgestattet, die vor allem der Optimierung der gerichtlichen Praxis dienen soll. Der dezidierte Katholik, der sich auch an religiöser Erbauungsliteratur versucht, greift Bodins Vorarbeiten auf und entwickelt die gerichtliche Handhabung des Modells weiter. Im Rahmen der über zwei Jahre andauernden Verfolgungswelle in der hungergeplagten Region des Jura entdeckt er fast ein Duzend vermeintlicher Werwölfe und veranlasst ihre Verurteilung und Hinrichtung.[154] Als eingeschworener Feind der Hexen, wie er in der Vorrede betont,[155] verarbeitet er die Erfahrungen aus diesen Prozessen in seinem Traktat Dicours execrable des sorciers, der 1602 erstmals im Druck erscheint. Schon auf den ersten Seiten führt er unter den typischen Zauberpraktiken seiner Region neben den Wettermachern, den magischen Menschen- und Tiermördern oder Milchdieben auch die Wolfsverwandler auf.[156] Wie Bodin widmet er ihnen ein eigenes Kapitel, in dem allerdings weniger die alte Grundsatzfrage nach Realität oder Fiktion, als vielmehr die praktischen Erfahrungen aus den von ihm geführten Prozessen im Mittelpunkt stehen.[157]

Als Zielgruppe hat Boguet die Richter und das Verhörpersonal im Auge, für die er eigens eine 71 Artikel umfassende Instruktion in Form von konkreten Handlungsanweisungen am Ende seines Buches anfügt. Auf den ersten Blick – so scheint es – zeigt er sich als skrupulöser Rechtsgelehrter, der Besonnenheit und Augenmaß im Umgang mit den Angeklagten anmahnt. Im letzten Artikel der Instruktion beispielsweise weist er seine Kollegen darauf hin, dass entgegen der üblichen Praxis ein Angeklagter, der im Gefängnis stirbt ehe ihm das Urteil verkündet wurde, in geweihter Erde beigesetzt werden dürfe.[158] Er plädiert auch für eine Zurückhaltung bei der Folter, allerdings aus dem wenig mildtätigen Grund, weil er sie bei den Hexen für nicht wirksam hält. Von seinem Vorschlag, Verurteilte bei der Hinrichtungsprozedur zuerst zu erdrosseln und dann erst zu verbrennen, möchte er freilich die Werwölfe ausdrücklich ausgenommen wissen. Nach Ansicht Michelets erreichte das “goldene Buch des kleinen Richters von St. Claude“ ein „ungeheures Ansehen“ in Frankreich und „die Richter der Parlamente studieren [es] wie ein Handbuch“.[159]

In der alten Streitfrage des Hexenfluges spiegelt sich in Boguets Darlegungen die längst gängige Praxis. Auch wenn die Konzilien den Glauben an einen realen Flug verböten, habe ich mich immer leicht von Gegenteil überzeugen lassen, sowohl durch die großen Gelehrten [...] als auch durch die gleichlautenden Geständnisse.[160] Bewirkt wird der Transport nicht durch Salben und Fette, die er für unwirksam hält, sondern allein durch den Dämon, der die Hexen wie ein Wind davonträgt.[161] Bei der uns interessierenden Frage nach dem Charakter der Tierverwandlung verfolgt Boguet anfangs eine vorsichtig pragmatische Linie. Befürworter wie Gegner einer substantiellen Metamorphose verfügten nach seiner Einschätzung zwar durchaus über gute Begründungen,[162] er selbst aber halte eine reale Metamorphose nicht für möglich.[163] Er könne nicht glauben, dass der Körper eines wilden Tieres eine vernunftbegabte Seele aufnehmen könne. Da der Mensch nach Gottes Ebenbild geschaffen sei, erschiene es nur all zu absurd, dass ein so schönes Bild in einem Tier wohne. Wenn aber bei der Verwandlung die Seele vom Körper getrennt sei, wie Bodin meinte, so stelle sich doch die Frage, wo sie in der Zwischenzeit untergebracht sei, bis der Mensch sich wieder zurückverwandelt habe.[164]

Unter philosophisch theologischer Flagge steuert Boguet damit freilich auf ein juristisches Problem zu. Wenn nur der Körper verwandelt und nicht von der vernunftbegabten Seele bewohnt war, dann fehlte dem Richter gewissermaßen das verantwortliche Subjekt. Unter diesen Umständen war das begangene Verbrechen der Akt eines unvernünftigen Tieres, für das ein Mensch nicht wirklich zur Rechenschaft gezogen werden konnte. Auch die klassische Position des Kanon Episcopi erscheint ihm nicht nur wegen des fiktiven Charakters der Handlung als juristische Zwickmühle. Darüber hinaus sieht er hier einen Widerspruch zwischen theologischer Aussage und naturwissenschaftlicher Beobachtung: Wenn der Hexer seine Untaten nur en ame, also nur im Geiste begehe, während sein Leib schlafend im Gebüsch liege, müsse dies als eine faktische Trennung zwischen beiden angesehen werden. Da aber erfahrungsgemäß bei der Trennung von Seele und Leib zwangsläufig der Tod eintrete, würde dies bedeuten, dass der Satan den Hexer bei der Rückverwandlung wieder zum Leben erwecke. Das aber sei unmöglich, weil ein solches Werk allein Gott vorbehalten sei.[165]

Fast in protestantischer Manier greift Boguet für seinen eigenen Argumentationsgang auf jenen alttestamentlichen Beleg zurück, in dem von der Verwandlung des Nebukadnezar in ein Rind (Daniel 4,30-31) berichtet wird. Es ist jene Stelle, die Theologen schon früh vor besondere Herausforderungen gestellt hatte und ohne die - wie Daxelmüller zu Recht anmerkt - womöglich niemals das Modell des hexerischen Werwolfs entstanden wäre.[166] Boguet löst das Problem gewissermaßen mit einer Handbewegung. Der babylonische König (605-526 v. Chr.) sei nicht wirklich verwandelt worden, sondern habe sich nur verwandelt gefühlt. Um die Entstehung dieser subjektiven Täuschung zu erklären, folgt – auf die Wolfsverwandlung angewendet – zuerst einer der bekannten Trugbildvarianten: Der Satan versetzt den Hexer in Schlaf und während jener unter einem Busch liegt, führt der Satan selbst jene Untaten aus, die der Hexer plante. Zugleich induziert der Satan dem Schlafenden im Traum die Vorstellung, sich als Wolf und Vollbringer der Taten zu fühlen. Die Salbe spielt dabei nicht die Rolle eines Verwandlungsmittels, sondern unterstützt lediglich den Schlaf. Dritten gegenüber suggeriert der Satan das Bild einer Wolfsgestalt. Um die satanische Mechanik dieses Vorgangs zu illustrieren, greift Boguet zum einleuchtenden Beispiel des Zauberkünstlers, dem es ja auch gelinge, bei seinen Kartentricks die Aufmerksamkeit des Publikums zu manipulieren.[167]

Der Rückgriff auf diesen traditionellen Erklärungsversuch dient Boguet freilich nur als taktischer Zwischenschritt, um zum Ziel seiner Argumentation vorzudringen und eine neue, sehr pragmatische These zu formulieren. Auf dem Hintergrund seiner Prozesserfahrung, so betont der Richter, gehe es eigentlich gar nicht um die Frage von fiktiver oder realer Verwandlung. Die Praxis habe ihn gelehrt, dass die von ihm abgeurteilten Werwölfe ihre Taten zumeist gar nicht in Wolfsgestalt ausgeführt, sondern sich lediglich mittels eines vom Satan bereitgestellten Wolfsfells maskiert hätten, um unter dieser Verkleidung Kinder zu überfallen und Menschen zu töteten.[168] Boguet verzichtet also kurzerhand auf die alte Debatte über Realität und Fiktion und erklärt sie gleichsam als unnötig, wenn nicht gar unzuständig. Die von allem übernatürlichen Ballast befreite Maskenthese, die in der Folge mit zahlreichen Beispielen aus den Geständnissen der Delinquenten belegt wird, bereichert zugleich das hexerische Werwolfmuster um weitere volkstümliche und religiös magische Vorstellungen: Die Werwölfe, so Boguet, entkleiden ihre Opfer[169] ehe sie sie verzehren, was ihnen mit Wolfspfoten nicht gelingen könne. Nach den Geständnissen töteten sie mit Messern und Schwertern,[170] nicht aber mit Wolfszähnen. Auch habe man sie nie mit einem Schwanz gesehen, was sich aus dem übergeworfenen Fell erklärte.

Den zauberischen Hintergrund dieser Gewalttaten und die satanische Verstrickung der Delinquenten werden mit Aussagen aus den Geständnissen von Clauda Jeamprost, Thiévenne Paget und Jacques Bocquet untermauert. Sie hatten angegeben, ihre Opfer nicht am Kopf und an der rechten Seite berühren zu können, was darauf zurückführen sei, dass diese Körperteile bei der Taufe mit Chrisam gesalbt würden.[171] Auch die Ergebnisse einer eigenen Testreihe – so muss man es wohl nennen – führt Boguet als weiteres Beweismittel an. Während der Verhöre habe man den Delinquenten Wein gereicht, dem im Verborgenen Weihwasser zugesetzt worden war. Nie habe einer davon getrunken, aber unwillkürlich gezittert, wenn man ihm den Becher an die Lippen gesetzt habe. Andererseits hätten die Delinquenten den Wein problemlos getrunken, wenn er nur mit natürlichem Wasser vermischt worden war.[172]

Mit dieser These von der wölfischen Maskerade der Täter verflüchtigt sich gleichsam die juristisch unfruchtbare Diskussion um Fiktion oder Realität der Wolfsverwandlung. Zugleich bleibt die satanische Gestaltungsmacht als Begründung im Hintergrund erhalten. Sie dient sowohl als Erklärung für die subjektiven Äußerungen der Delinquenten, wie als Indiz für den Teufelspakt. Im Blick auf die juristische Praxis war es Boguet damit gelungen, auch ohne Zustimmung zu der von Bodin vertretenen substantiellen Verwandlung wieder Einverständnis mit seinem juristischen Lehrmeister herzustellen. Im Vordergrund des gerichtlichen Verfahrens stand allein die Tatabsicht, der böse Willen des Täters. Die alte theologische Position musste nur für den Zweifelsfall herangezogen werden. Zu welchen Auswirkungen diese These in der späteren Gerichtspraxis führen wird, kündigt sich bei dem burgundischen Richter schon an. Auch ihn überfällt bisweilen der Zweifel, ob er es vielleicht doch mit einem tatsächlich Verwandelten zu tun hat, wenn sich beispielsweise der Delinquent Pierre Gandillon bei den Verhören ausschließlich auf allen Vieren bewegt und nichts Menschenähnliches an sich hat.[173] Manchmal reicht aber auch nur das Argument der Wahrscheinlichkeit, um einen Zweifel auszuräumen. Als eine Zeugin von der Verfolgung durch einen Wolf ohne Schwanz berichtet, von dem sie allein zwei menschliche Hinterbeine erkannt haben will, kommt der Richter zu dem Schluss: Mit großer Wahrscheinlichkeit war diese Wolf niemand anderes als Clauda Gaillard.[174] Sowohl über Pierre Gandillon als auch über Clauda Gaillard hatte Henri Boguet das Todesurteil gesprochen.

In der passenden Abwandlung des alten Sprichworts, dass „der Mensch des Menschen Dämon“ sei, schließt Boguet sein Werwolfkapitel mit jener Variante, die später meist dem erklärten Atheisten Thomas Hobbes und seinem „Leviathan“ (1660) zugeschrieben wird. Que l'homme est loup à l'homme. Boguet verbindet damit die rhetorische Schlussfrage: Wenn es also um gar nichts anderes geht als um die verdammenswerte Absicht, die sie haben, warum verurteilen wir sie nicht zum Tode, wo das Gesetz doch selbst in Angelegenheiten, die weniger schwerwiegend sind, den [bösen] Willen bestraft.[175] Unter diesen Voraussetzungen musste es keinen Widerspruch bedeuten, wenn er im Zusammenhang mit der „Verwandlung“ immer wieder die aktive Form wählt und davon spricht, dass dieser oder jener Angeklagte sich zum Wolf gemacht habe.[176] In dieser Wendung konnte es sowohl Maskerade wie Verwandlung bedeuten. Für Boguet war der Werwolf im Grund nicht mehr als eine Metapher für einen verkleideten kannibalistischen Hexer oder für eine teufelsverbandelte Kinderfresserin, die in ihrem Hunger nach Menschenfleisch auch vor Gräbern nicht halt machten.

XI. Für jeden Richter das passende Konzept

Mit Boguetes Bearbeitung der Bodin'schen Blaupause war es nicht nur gelungen, die hexerische Wolfsverwandlung mit dem theologisch-philosophischen common sense der Gelehrtenwelt wieder zu versöhnen. Zugleich war ein durchlässiges Paradigma modelliert, in das je nach Erkenntnisinteresse der Richter regionaltypische Vorstellungen vom wolfsverwandelten Hexer einfließen konnten. Auch wenn der Einfluss Boguets auf die theoretische Debatte nicht im gleichen Maße bedeutsam ist wie die wirkungsgeschichtliche Rolle Bodins, so steht der Richter aus dem Jura doch beispielhaft für die pragmatische Art und Weise, mit der sich die Gerichte mit diesem Phänomen nun beschäftigen. Innerhalb der zwanzig Jahre nach Bodins Veröffentlichung bis zum Jahre 1600 lassen sich mittlerweile fast drei Dutzend Hexereiverfahren nachweisen, bei denen das bisher nur theoretisch diskutierte Werwolfstereotyp im Prozessablauf eine Rolle spielt. In ihrer geographischen Verteilung folgen sie einer Linie, die von der Westschweiz über die Franche-Comté (Jura), Lothringen, das Moselgebiet und die Rheinlande bis in die südlichen Niederlande reicht. Weitere Fälle lassen sich im heutigen Hessen, in Soest und in der Paderborner Region belegen. Sie bereichern die dämonologische Debatte, die - von wenigen Ausnahmen abgesehen - vor allem von Juristen geführt wird.

Das Modell vom dämonologisch kontaminierten Wolf – zumeist in Verbindung mit den antiken Vorlagen - ist bis nach England vorgedrungen. Auch wenn es dort bei Prozessen keine Rolle spielt, mag die gelehrte Welt auf dieses Thema nicht verzichten. Der englische Schriftsteller Reginald Scot[177] wendet sich 1584 ausdrücklich gegen Bodin, den er unter den Hexenverfolgern ironisch als den cheef champion of this age apostrophiert und dessen Belege für eine reale Verwandlung er ridiculous exemples nennt.[178] Scot ist zwar von der Wirklichkeit der Dämonen überzeugt, er bestreitet aber im Sinne der alten Melancholiethese[179] die Wolfsverwandlung und alle anderen den Hexen zugeschriebenen magischen Fähigkeiten. Der englische König James I., der in Hexensachen die Verfolgerposition einnimmt und in den Men-Woolfes sehr wohl Gottes Fingerzeige erkennt, wendet sich in seinem eigenen Dämonentraktat[180] heftig gegen die Entlastungsstrategien von Weyer und Scot. Die königliche Abneigung gegen Scots Thesen geht gar soweit, das er nach dessen Tod im Jahr 1599 alle Exemplare seines Buches, deren er habhaft werden kann, vernichten lässt.

An der Nahtstelle zwischen Frankreich und dem Reich nimmt sich der lothringische Generalprokurator Nicolas Rémy, der schon für Boguet - neben dem Hexenhammer und Bodins Dämonologie - ein wichtiger Kronzeuge in dieser Sache war, die hexerischen Wölfe vor. In seinem Traktat von 1595,[181] in dem er die Erfahrungen aus seiner fünfzehnjährigen Praxis am Gerichtshof in Nancy verarbeitet, findet unter den zahlreichen exempla auch der Fall des Bedburger Bauern Peter Stump Erwähnung, dessen Hinrichtung im Jahre 1589 über zahlreiche Flugschriften bekannt gemacht und zu einem prägenden Muster für diese Prozessvariante wird. Doch Bodins krude Realitätsthese ist für ihn, wie für die meisten französischen Autoren, nicht wirklich akzeptabel. Sowohl Claude Prieur[182] wie der Sieur de Beauvoys de Chauvincourt[183] widmen dem Thema der Lycanthropie eigene Abhandlungen. Sie folgen Bodins These eben sowenig wie der Arzt Jean den Nynauld,[184] der in den Bekenntnissen der Angeklagten teuflische Verwirrung und Krankheit am Werke sieht.

Eines aber ist allen gemeinsam. Mit der strategischen Mixtur aus Episoden der antiken Autoren und konkreten vor Gericht erwirkten Bekenntnissen, befeuern sie nicht nur die gelehrte Debatte, sondern reichern das ehemals so sperrige Thema weiter mit regionalen Elementen und volkstümlichen Vorstellungen an. Der Richter Pierre de Lancre, der 1603 durch das Parlament von Bordeaux beauftragt wird, das Hexenwesen im Baskenland, in den Bezirken von Labourd und Bayonne, im Südwesten Frankreichs zu bekämpfen, schöpft in einem Traktat von 1612 nicht nur aus dem, que les bons liures disent de la Lycanthropie,[185] sondern steuert das schon in der Antike bekannte Moment der periodischen Verwandlung als regionale Besonderheit bei. Nach den alten Erzählungen aus der Auvergne und dem Vivarais verwandelten sich die Werwölfe vor allem bei Neumond und am Karfreitag.[186] De Lancre, der immer wieder die Rechtmäßigkeit der Prozesse betont, möchte, wie er schreibt, die Loups-garous bis in die Tiefen der Hölle verfolgen, damit sie dort ihrem Meister, dem Satan, dienen“.[187] Ohnehin ist er der Ansicht, dass im Grunde alle 30.000 Einwohner der Region - inklusive ihrer Geistlichen - der Teufelsbündelei verfallen sind.

Unter den rund 600 Opfern seiner Jagd in den Jahren 1609 bis 1610 verschont er auch die Kleriker nicht, die für ein zölibatäres Leben zumeist nicht zu gewinnen waren und die sich in dieser Region traditionsgemäß im Konkubinat eingerichtet hatten. Unter den aufgereihten Werwolffällen, mit denen sich de Lancre an der Debatte beteiligt, widmet er sich mit besonderem Interesse dem geistesschwachen Knaben Jean Grenier, der in seinem Prozess von 1603 nicht nur seine kannibalistische Neigungen gestanden hatte, sondern nach eigenen Angaben auch der Sohn eines Priesters war.[188] De Lancre berichtet ausführlich von einem Besuch bei dem vierzehnjährigen Hirtenjungen aus Guienne im Bezirk Roche Chalais bei Bordeaux, den man wegen seines offenkundigen Schwachsinns zur Klosterverwahrung verurteilt und den auch an diesem frommen Verbannungsort die Lust auf das süße Fleisch junger Mädchen nicht verlassen hatte.[189] Noch einmal unterzieht sich der Richter der intellektuellen Anstrengung, eine differenzierte Theorie der Verwandlungsarten vorzulegen, wobei neben der göttlichen, der natürlichen und der eingebildeten vor allem – im Sinne von Boguets Maskierungsthese – die vierte, die hexerische Transformation im Mittelpunkt steht. Als Beleg führt er dazu die Geschichte des genannten schwachsinnigen Jean Grenier an, der sich bei seinen Aktivitäten mehrmals eines Felles bedient hatte.

Im Jahre 1630 erscheint ein flugschriftenartiger Extrakt von De Lancres Thesen in deutscher Übersetzung. Das ehemals umfangreiche Werwolfkapitel ist dort auf knappe zwei Seiten eingedampft, die aber nach Ansicht der Herausgeber ausreichen, den Richtern die nötigen Erklärungen für typische Phänomene bereitzustellen, die auch in deutschen Prozessakten immer wieder auftauchen. Dazu gehörten die Berichte von Zeugen, die dem Beklagten irgendwo im Wald begegnet waren, der dann aber innerhalb von Augenblicken verschwunden und sogleich in Wolfsgestalt wieder erschienen war. Dies – so der Text - konnte nur auf eine den Hexern verliehene besondere Fähigkeit zurückzuführen sein, dann der Teufel stehet jhnen bey / macht jhnen ein Hertz / vund daß sie so geschwindt lauffen wie die Wölf / welcher jhr lust gibt zum Fleisch vnd zum Geschmack..[190]

Die Spezialität des deutschen Textes besteht jedoch darin, dass er de Lancres ursprünglich vorsichtige Distanz zu Bodins Realitätsthese auf pragmatische Weise einebnet. Auf den Haupteinwand, dass man nie den schlafenden Leib eines Hexers gefunden habe, während dessen Geist – vom Satan in eine Wolfsgestalt gebannt – seine Untaten vollbrachte, lautet die klare Antwort: Es ist dem Teuffel ein leicht sach / einen Leib schlaffende zu machen / vund denselben vnsichtbar zu machen / also daß man jhn nimmermehr sehen soll / es sey das es jhm gefelt. Zum anderen / wann die Währwölff von der Jacht kommen / so seyndt sie an Händen / Angesicht / Füssen gekratzt / welches ein zeichen ist / das selbst da seynd gewesen vnter einer Wolffhaut.[191]

Damit war das Kunststück gelungen, den bisher unversöhnlichen Gegensatz zwischen dem philosophisch-theologischen Postulat von der Unwandelbarkeit der gottgewollten menschlichen Gestalt und der volkstümlichen Vorstellung von der Möglichkeit eines realen Gestaltwandels wie unter einer Milchglasscheibe zu vereinen. Bodins Realitätsthese und Boguets Maskenthese standen nun praktisch gleichwertig nebeneinander. Jedem Richter oder Schöffen war die Möglichkeit freigestellt, die Angelegenheit im Sinne seiner Weltbetrachtung zu deuten. Die Intellektuellen, die nie für eine substantielle Verwandlung zu gewinnen waren, konnten zu Boguets Maskenthese greifen. Für jene aber, die wie die einfachen Leute noch von der magischen Durchlässigkeit dieser realen Welt zu jener „Welt dahinter“ überzeugt waren und schon immer an den „wirklichen“ Werwolf geglaubt hatten, stand Bodins juristische Autorität bereit.[192]

XII. Die Fieberkurve der Prozesswirklichkeit

An dieser Stelle soll nun nicht die Behauptung gewagt werden, dass ausgerechnet dieser deutsche Extrakt aus de Lancres juristischer Dämonologie vom Jahre 1630 endlich die Lösung des alten Problems gebracht hätte. Das späte Echo des französischen Juristen erscheint jedoch gleichsam als Indikator für jene Denkschemata, durch die eine intellektuell so geräuschlose Abwicklung von Werwolfprozessen möglich wurde. Im Grunde hatte der Diskurs selbst den drängenden Charakter der Frage einer substantiellen Verwandlung beseitigt. Wie auch immer die Wolfsgestalt bewirkt wurde, ob der Teufel sich selbst in Tiergestalt präsentierte oder nur die Seele des Delinquenten mit einem (scheinbaren oder realen) Tierleib ausgestattet hatte, ob der Delinquent tatsächlich verwandelt worden war oder nur unter einer Wolfsmaskerade seine Untaten begangen hatte, immer konnte der Gestaltwandel oder seine Vortäuschung als Werk des Satans und damit als justiziable Frucht des Paktes imaginiert werden. Welches der unterschiedlichen Deutungsmodelle seitens der Gerichte, der Denunzianten oder der Opfer auch immer unterlegt wurde, sie verbanden sich in der Mischung aus Hexenangst und allgemeiner Apathie bruchlos in der Gesamtinterpretation des Verfahrens.

Während die ersten Prozesse am Ende des 16. Jahrhunderts noch als spektakuläre Ereignisse wahrgenommen wurden, wie sich etwa an der Publizität oder Übernahme der drakonischen Hinrichtungs- und Bestattungsrituale bei dem Bedburger Fall zeigt, erscheinen sie mit Beginn des 17. Jahrhunderts - zumindest regional – als Selbstverständlichkeiten, die auch durch Wiederholung zu ihrer gerichtlichen Routine finden. Die knapp hundertseitige Flugschrift dokumentiert gleichsam den Endpunkt einer über zwei Jahrhunderte währenden geistesgeschichtlichen Entwicklung, bei der ein ursprünglich undenkbarer Gedanke - mit einem doppelten Boden ausgestattet - zu einem unspektakulären juristischen Sachverhalt mutierte.

Diese Inversion, die unter dem erkenntnisleitenden Interesse justiziabler Handhabung entstand, hatte jedoch keine Chance auf Beständigkeit. Ihr Übergangscharakter, so scheint es, bildet sich nicht zuletzt auch in den schon erwähnten seltsam wagen und konjunktivischen Formeln ab, wie sie sich immer wieder in den Verhörprotokollen und Prozessakten finden. Dass das hexerische Werwolfmuster dennoch ein Jahrhundert Bestand hatte, verdankt es vor allem seinem taktischen Bündnis mit regional unterschiedlich ausgeprägten Assoziationsketten.[193] Angelegt war diese Entwicklung freilich schon in den ersten Zaubereiverfahren und den frühen Systematisierungsversuchen des Hexenwesens. Mitten im Dreißigjährigen Krieg endlich waren sowohl gebildete Richter wie einfache Schöffen wieder bei der „Realität“ der kleinen Leute angekommen. Aus der Amalgamierung von Gelehrtenkultur und volkstümlicher Vorstellungswelt entstand jene aufflackernde Vitalität, die allerdings schon beim ersten Abklingen des allgemeinen Verfolgungsfiebers unweigerlich verlöschen musste.

Auf diesem Hintergrund wirken die Klagen des Bergsträßer Pastors und Verfolgungsgegners Anton Prätorius wie unzeitgemäße Nachhutgefechte, wenn er im 8. Kapitel seines Plädoyer gegen das Hexenjagen der Frage nachgeht, was die Zäuberer thun können: Vnd ob sie können / was der gemeine Pöbel jhnen zuschreibt,[194] nämlich dass Weiber zu Katzen und die Männer zu Wölfen werden. Prätorius kann die Möglichkeit „realer“ Verwandlungen gar nicht mehr ablehnen. Die zweihundertjährige dämonologische Debatte mit ihrer „gemischten“ Argumentation und den viel strapazierten biblischen Hinweisen auf Lods Weib oder auf das Weinwunder von Kanaan hatte den Rückweg längst versperrt. Dem alten theologischen Programm von der göttlich gewollten, integralen menschlichen Person scheint er kaum mehr die Überzeugungskraft zuzutrauen, den „gemeinen Pöbel“ von diesen Vorstellungen wieder abzubringen. Und so erscheint es wie ein pastoraler Stoßseufzer, wenn er seine Hoffnung auf psychologische oder ästhetische Argumente setzt: Was nun das erste belangen thut / daß nämlich sie sich in andere Thier verwandeln können / frage ich / warumb sie nur in so schlimme / verächtliche / vnd zum theil abschewliche Thier sich verwandeln / vnd nicht auch in schöne lämmer / dauben / Gänse / Atzeln / Füchse/ ec.[195]

Die Verfahren selbst hatten sich ihren Gegenstand erschaffen. Der „gemeine Pöbel“, wie Prätorius weiß, steht längst vor den Richtern und legt - aus welch unterschiedlichen Motiven auch immer - Zeugnis ab, höchst selbst im Wald, auf Äckern und Fluren Augenzeuge von realen Wolfsverwandlungen geworden zu sein. Auch den Opfern steht das Muster so detailreich vor Augen, dass sie als letzte Rettung danach greifen, um der Folter endlich ein Ende zu machen. Auf der Seite der Richter geht es zumeist so pragmatisch zu, wie es der Kurkölnische Hexenjurist Heinrich von Schultheiß den Kollegen in seiner Instruction von 1634 als Verhöranweisung vorschlägt. Um unter den Beklagten einen Werwolf ausfindig zu machen, brauche man nur nüchtern die schlichte Frage nach den einschlägigen Indizien zu stellen: Ob einer frisch ungekochtes Fleisch außgeworfen, dann die Werwölffe pflegen das vom niedergerissenen Thier gefressenes Fleisch widerumb außzuwerffen.[196] Und wenn der fiktive Gesprächspartner, der „Freyher“, der hier den Gerichtsherrn repräsentiert, noch einmal zögernd auf den Kanon Episcopi verweist, dann ist es der weltliche Richter, der sich jetzt für die Auslegung der alten theologischen Aussage als zuständig erklärt: Also seyn in gemeltem Capitulo Episco., zween grobe jrtumben begrieffen [...] das Capitul reddet von den dingen so im Geiste geschehen / vnser discurs ist von sachen so leiblich geschehen.[197]

Das ist die Praxis. Daran ändern auch Theologen und Mediziner wenig, die in den Gelehrtenstuben noch einmal die alten Widersprüche durchdeklinieren.[198] Wenn sie denn an der Unmöglichkeit der Verwandlung festhalten, was nicht alle tun, ist ihre Arbeit vermutlich nicht wertlos, vorerst jedoch wirkungslos.[199] Ihr einziger Trost mag darin liegen, dass sie Vorarbeit leisten für das noch ausstehende 18. Jahrhundert, in dem sich allmählich ein anderer Blick auf den Werwolf und die Hexe einstellen wird. Wie hartnäckig die Vorstellungen in der Bevölkerung eingewurzelt sind, vermag das Beispiel des „Ansbacher Werwolfs“ von 1685 zu belegen. In einer Region, in der für diese Zeit weder nennenswerte Hexenprozesse, geschweige denn ein Werwolfprozess überliefert ist, wird ein gefangener Wolf durch umlaufende Gerüchte und im Nachhinein zum hexerischen Wiedergänger eines kurz zuvor verstorbenen korrupten Beamten erklärt.[200] Mit einer Maske und Kleidern zu menschenähnlicher Gestalt verkleidet wird er an einem eigens errichteten Schnellgalgen aufgehängt.

Diese in mehreren Flugblättern weit über die Region hinaus bekannt gewordene Begebenheit nimmt der zweifellos gebildete Autor Theophil Lauben zum Anlass für seine Abhandlung Dialogi und Gespräch Von der Lycanthropia Oder Der Menschen In Wölff-Verwandlung.[201] Nach dem Vorbild der alten Traktate setzt sich darin ein gelehrtes Quartett aus Theologe, Jurist, Mediziner und Philosoph noch einmal und in aller Ausführlichkeit mit dem Thema auseinander. Doch auch in diese „Aufklärungsschrift“ ist der Widerspruch eingewoben, in den die gelehrte Welt seit mehr als zweihundert Jahren verstrickt ist. Schon auf dem Titelblatt kündigt der Autor „allerhand erschröckliche und entsetzliche Geschichten“ von Wolfsverwandlungen an, die womöglich wirklich umlaufendes Erzählgut wiedergeben. Im Gegensatz zu den alten Traktaten dienen sie jedoch nicht mehr als farbige exempla und beweiskräftige experientia, um eine These des Autors zu stützen. Sie finden sich kommentarlos im Appendix.[202] Wie ethnologische Fundstücke sind sie durchnummeriert von eins bis elf und dienen, wie man nüchtern feststellen muss, einzig dem Zweck der Verkaufsförderung. In dieser Präsentation wirken sie wie die Holzschnitte in Ulrich Molitors Hexentraktat. Sie stellen die vorausgehende gelehrte Debatte vom Kopf auf die Füße.

Der langwierige Weg, auf dem in einem über fast zweihundert Jahre währenden akademischen Diskurs das Werwolfmuster entfaltet wird und im Übergang vom 16. ins 17. Jahrhundert endlich zur gerichtsfesten Form reift, lässt sich auch an dem bisher zusammengetragenen Prozessarchiv - bei allen Vorbehalten gegenüber seiner Ergänzungsbedürftigkeit – ablesen. Nach den ersten Anfängen bei den alpenländischen Verfahren, unter denen hier auch noch die ersten Fälle von Wolfreiterei und Wolfsbannerei einbezogen sind, bildet sich - abseits der allgemeinen Verfolgswellen - jene Latenzphase ab, in der das Muster wegen seiner theologisch-philosophischen wie juristischen Handicaps noch keine signifikante Rolle in der Prozesswirklichkeit spielt. Verstreute Einzelfälle in dieser Phase weisen auf den laufenden Suchprozess hin. Einige der Verfahren, die aus regionalen Wolfspaniken wie im Jura hervorgingen, erlangen später bei den genannten Autoren den Charakter von „historischen“ Beweisen.

(Abb. 4)  Zeitliche Verteilung der Fälle, bei denen der Wolf-Topos in Zauberei- und Hexenprozess auftaucht.


(Abb. 4)
Eine signifikante Veränderung lässt sich erst für jene Epoche ablesen, in der das spezielle Delikt unter den Händen der Juristen eine pragmatische und relativ systemkonforme Zurichtung erfahren hatte. Um diese Zeit ist das Werwolfkonzept auch mit weiteren regionalen und volkstümlichen Vorstellungen ausgestattet, gegen die sich ein Teil der Gelehrtenwelt so lange gesträubt hatte. Bodins Blaupause von 1580 und der spektakuläre Bedburger Fall des Peter Stump von 1589 wirken gleichsam wie die Initialzündung für eine Prozesswelle, die synchron mit der stärksten Verfolgungswelle in Mitteleuropa - während und nach dem Dreißigjährigen Krieg - ihren Höhepunkt erreicht, um schon im letzten Viertel des Jahrhunderts wieder abzuebben. Dabei richtet sich das dämonologisch kontaminierte Werwolfmuster entgegen früheren Annahmen nicht ausschließlich gegen Männer. In dreißig Prozent der dokumentierten Verfahren sind Frauen mit diesem Vorwurf konfrontiert oder räumen freiwillig oder nach peinlicher Befragung die Wolfsverwandlung ein. Vor allem aber wird deutlich, dass der Werwolfprozess eine regionale Besonderheit darstellt, die sich nicht gleichmäßig in den typischen Verfolgungsgebieten Frankreichs und im Alten Reich ausgebreitet hat. Auffällig sind die späten Verfahren im Salzburger Raum und die noch späteren Wolfsbannerprozesse in Kärnten und in der Steiermark.[203]

Das Muster vom hexerischen Werwolf hat bei der weltlichen Gerichtsbarkeit deutlich früher an Glaubwürdigkeit verloren als sich das für das Hexenstereotyp beobachten lässt. Dennoch kam es noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts zu ernsthaften behördlichen Nachforschungen in dieser Sache. Als in dem kleinen Dorf Börry in der Nähe von Hameln eine Magd und später auch ein Schäfer erklärten, mehrfach von einem Werwolf belästigt worden zu sein, forderte der protestantische Pastor des Dorfes das königlich Großbritannisch-Hannoversche Amt Grohnde-Ohsen am 29. März 1824 auf, Nachforschungen in dieser Sache aufzunehmen, was auch geschah. Erst nach mehreren Wochen vergeblicher behördlicher Anstrengungen wurde die amtliche Recherche zur Aufklärung dieser „Störung öffentlicher Ordnung“ kleinlaut eingestellt.[204]

In der Bevölkerung haben sich die Vorstellungen von den Verwandlungsmöglichkeiten der Menschen in Tiere weit länger gehalten, wie Konrad Müller bei seinen Feldforschungen noch in den 1930er Jahren feststellen konnte.[205] Womöglich ist es aber gerade einer der modernsten Wissenschaftszweige, der dieser Frage zu neuer Aktualität verhelfen könnte. Nach jüngsten Meldungen ist es chinesischen Wissenschaftlern im Rahmen gentechnologischer Experimente gelungen, den Kern einer menschlichen Hautzelle in einer Kaninchen-Eizelle einzupflanzen und zur Vermehrung anzuregen.[206] Fast jeder zehnte Ansatz wuchs dabei auf 200 Zellen an und erreichte damit das so genannte Blastozysten-Stadium. Dies gilt als Beweis, dass embryonale Stammzellen auch auf diese Weise hergestellt werden können. Unwillkürlich sieht man sich an jene von Vintler überlieferte „abergläubische“ Angangsregel erinnert, nach der eine morgendliche Begegnung mit einem Hasen als schlechtes Vorzeichen zu gelten hat.



Anmerkungen

[1] Hans Vintler, Die Pluemen der Tugend 1411; erste Druckausgabe: Buch der Tugend, Augsburg 1486, hier zitiert nach Jacob Grimm, Deutsche Mythologie. Berlin 1875-78, Bd. III, S. 421.

[2] Johannes Hartlieb, Puech aller verpotten kunst, unglaubens und der zauberey 1455/1456, hier zitiert nach Grimm, Deutsche Mythologie (wie Anm. 1), Bd. III, S. 428; vgl. auch die neuhochdeutsche Übertragung von Frank Fürbeth, Frankfurt a. M. 1989, S. 81; Güting glaubt im übrigen hier keine autochthone Ausprägung des Volksglaubens des 15. Jahrhunderts annehmen zu können. Solcher Angangsglaube gehe vermutlich auf antike Ursprünge zurück, vermittelt über Bußordungen und Konzilsbeschlüsse. Vgl. Ernst-Dietrich Güting, Michel Beheims Gedicht gegen den Aberglauben und seine lateinische Vorlage, in: Forschung und Berichte zur Volkskunde in Baden-Württemberg 1974-1977, H. 3, (S. 197-218). S. 215 u. 218.

[3] Zu den typischen Regionen des loup-garou in Frankreich vgl. Alfred Nore, Coutumes, mythes et traditions des Provinces de France. Paris-Lyon 1846 ; Max Gerhard, Der Aberglaube in der französischen Novelle des 16. Jahrhunderts. Berlin 1906, S. 75: „Der Aberglaube in Bezug auf den Werwolf ist in allen Provinzen Frankreichs wiederzufinden“.

[4] Jean Palou: De la sorcellerie, des sorciers et de leur juges. Sazeray (Indre) 1972, S. 90f. ; „Im Früh- und Hochmittelalter versteht man dieses Phänomen der Lycanthropie nicht – oder man will es nicht verstehen – und deutet es als teuflisches Blendwerk. Claude Lecouteux Geschichte der Gespenster und Wiedergänger im Mittelalter. Köln/Wien/Böhlau 1987, S. 216.

[5] „Le garou n'est pas un sorcier, comme on l'affirmera bientôt, c'est bien souvent une victime“. Gaël Milin, Les chiens de Dieu. Brest 1993, S. 62 ; zum Werwolf als einem zentralen Erzählmotiv für die Beziehung zwischen Mensch und Mensch im Bereich der Liebe, vgl. Manfred Bambeck: Wiesel und Werwolf. Typologische Streifzüge durch das romanische Mittelalter und die Renaissance. Stuttgart 1990, S. 80f.

[6] Vgl. Güting (wie Anm. 2), S. 209: „Kann, selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass wir nur über Widerspiegelungen aus gelehrten Kreisen verfügen, von einem weit verbreiteten Volksglauben vom Werwolf bis zum 15. Jahrhundert überhaupt die Rede sein? Es kommt nicht von ungefähr, dass von den mittelhochdeutschen Dichtern keiner den Namen „Werwolf“ nennt. Auch Michel Beheim, der behauptet das die lüt / zu wolffen werden kennt den Volksglauben nicht. Die wesentlichen Züge der Werwolfsage, das Periodische und Reversible der Verwandlung, unterschlägt er, kann aber auch den Begriff „Werwolf“ nicht nennen, da ihm dieser anscheinend nicht bekannt ist.“

[7] Gütting (wie Anm. 2), S. 200.

[8] Vgl. Grimm (wie Anm. 1), Bd. III, S. 316.

[9] Johann Fischart, De Magorum Daemnomania. Vom außgelasnen Wütigen Teuffelsheer, Allerhand Zauberern, Hexen und Hexenmeistern, Unholden, Teuffelsbeschwerern, Warsagern, Schwarzkünstlern, Vergifftern, Augenverblendern. Straßburg 1591, S. 116, S. 120.

[10] Reinhard Heydenreuter, Der Landesherrliche Hofrat in München und die Hexenprozesse in den letzten Regierungsjahren des Herzogs und Kurfürsten Maximilian I. (1598-1651), in: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 55, 1992, (S.137-150), S. 145.

[11] Bayerisches Hauptstaatsarchiv Kurbayern Hofrat 105, Bl. 347ff; vgl. Heydenreuter (wie Anm. 10), S. 142.

[12] Bayerisches Hauptstaatsarchiv Kurbayern Hofrat 105, Bl. 232 ff; vgl. Heydenreuter (wie Anm. 10), S. 143.

[13] Hermann von Sachsenheim, Die Mörin. Nach der Wiener Handschrift ÖNB 2946 hg. v. Horst Dieter Schlosser.Wiesbaden 1974, S. 109, Vers 2050-2054.

[14] Joseph Hansen, Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns und der Hexenverfolgung im Mittelalter. Bonn 1901, S.131, Anm. 3.

[15] Gerade in jüngerer Zeit ist im Anschluss an Foucaults Konzept von der Biopolitik der Werwolf als zoo-politische Metapher wieder aufgetaucht. (Zuvor schon in den zwanziger Jahren vgl. Walter Mehring, Neubestelltes abenteuerliches Tierhaus. Potsdam 1925, bes. S. 114-122); Giorgio Agamben, Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben. Frankfurt a. Main 2002, bes. S. 114 – 121 greift dabei auf die altgermanische Rechtskonstruktion des Friedlosgemachten, des vargr, zurück; vgl. auch Joseph Vogl / Ethel Matala de Mazza,: Bürger und Wölfe. Versuch über politische Zoologie, in: Vom Sinn der Feindschaft, hg. v. Christian Geulen / Anne van der Heiden / Burkhard Liebsch. Berlin 2002, S. 207 – 217; zum vargr im altgermanischen Recht, das auf dem Begriff des Friedens und auf der entsprechenden Ausschließung des Übeltäters gründet, vgl. Lily Weiser-Aall, Zur Geschichte der altgermanischen Todesstrafe und Friedlosigkeit, in: Archiv für Religionswissenschaft 30, 1933, S. 220f; auch Michael Jacoby, „wargus, vargr, Verbrecher, Wolf“. Eine sprach- und rechtsgeschichtliche Untersuchung. Uppsala 1974, S. 89f.

[16] Vgl. Wolfgang Schild, Stichwort Werwolf, in: Lexikon des Mittelalters, München 1988, Bd. IX, Sp. 13.

[17] „Dass er [der Verbannte] als Wolfsmensch und nicht einfach als Wolf bestimmt wird (die Wendung caput lupinum hat die Form eines rechtlichen Status), ist hier entscheidend: Das Leben des Verbannten ist – wie dasjenige des homo sacer (uomo sacro) – kein Stück wilder Natur ohne jede Beziehung zum Recht und zum Staat; es ist die Schwelle der Ununterschiedenheit und des Übergangs zwischen Tier und Mensch, zwischen physis und nomos, Ausschließung und Einschließung. Es ist das Leben des loup garou, des Werwolfs, der weder Mensch noch Bestie ist, einer Kreatur, die paradoxerweise in beiden Welten wohnt, ohne der einen oder der anderen anzugehören.“ Agamben (wie Anm. 15), S. 115. „Das, was wir in den abendländischen Texten über den Werwolf lesen, ist eine Mischung beider Überlieferungsstränge [frühmittelalterliche volkstümliche Vorstellungen und antike literarische Quellen. A.d.V.], und es ist nicht zu leugnen, daß die volkstümliche Tradition ihren Niederschlag im Schrifttum der gelehrten Literatur verdankt. [...] Vieles, das lange mündlich tradiert worden war, wurde niedergeschrieben, sobald sich der Dichter oder der Erzähler auf die Auctoritas früherer Autoren berufen konnte, die dann für die Wahrheit des Erzählten bürgten.“ Claude Lecouteux; Geschichte der Gespenster (wie Anm. 4) S. 217.

[18] U.a. von den Naturphilosophen Marcellus Sidetes (150 n. C.), Paulus Aegineta (um 650) und Avicenna (11. Jhdt.).

[19] Nach Ende der Hexenverfolgung waren die Mediziner unter den ersten, die nach dem Realitätsgehalt solcher ohne Folter erbrachten Geständnisse fragten. Die schwer nachvollziehbare Tatsache, dass Wolfsverwandlung als justitiabler Sachverhalt vor Gerichten verhandelt worden war, hat vor allem im 19. Jahrhundert immer wieder dazu geführt, Geisteskrankheit oder unerkannte Tollwut als Erklärungsmodell heranzuziehen. So z.B. der französische Mediziner L.-F. Calmeil, der mit seiner Analyse bereits bei den frühen Verfahren in Bern ansetzt: De la Folie, Paris 1845 I. S. 135f. Auf ihn stützte sich der Berliner Arzt Rudolf Leubuscher, Über die Wehrwölfe und Thierverwandlungen im Mittelalter. Berlin 1850. Zur Tollwutthese: Joseph Claudius Rougemont, Abhandlung von der Hundswuth. Frankfurt am Main 1798. Von Einzelfällen abgesehen wird dieser Ansatz der Mehrzahl der Prozessakten jedoch nicht gerecht.

[20] Vgl. Carlo Ginzburg, Die Benandanti. Feldkulte und Hexenwesen im 16. und 17. Jahrhundert. Frankfurt a. M. 1980 und die von ihm angestoßene Diskussion zu schamanistischen Aspekten dieser Figur.

[21] Etwa bei Herodot (IV, 205), Petronius (Satyr.62), Plinius d. Ä. (Hist.nat. VIII,80), Apollodorus, Ovid, Pausanias, Virgil, Augustinus (De civ. Dei XVIII, 17) und Isidor von Sevilla (Etym. XI, 4, 1)

[22] Vgl. Charles de Smedt: Catalogus codicorum hagiographicorum. Brüssel 1889, Bd. I, S. 438-458.

[23] Matth 10,16; Joh 10,11.

[24] Zitiert nach Abraham a Sancta Clara, Gott zur Ehr und uns zur Lehr. Leipzig 1988, S. 38.

[25] Zur Fressgemeinschaft und Kooperation von Wolf und Rabe vgl. Micha Dudek, Von Raben und Wölfen – über eine hochentwickelte Allianz aus Vogel und Säuger, in: Charadrius 37, 2001, H.3, S. 123-126; Kurt Kotrschal / Thomas Bugnyar/ Mareike Stöwe, Kognition und Neophobie bei Raben, in: Charadrius 37, 2001, H.3, S127-134.

[26] Zur Symbolik des Wolfes vgl. Elmar M. Lorey, Henrich der Werwolf. Eine Geschichte aus der Zeit der Hexenprozesse mit Dokumenten und Analysen. Frankfurt a. M. 1998, S. 260-290.

[27] Vgl. Milin (wie Anm. 5), S. 39.

[28] Im II. Buch, Kapitel 29 ; vgl. François Rabelais, Gargantua und Pantagruel, deutsch Frankfurt a. M. 1974, S. 294 – 298.

[29] Louize Labé, Débat de la folie et d'amour. (ed. pr. Lyon 1554); Oevres complètes, Genf 1981.

[30] Vgl. Keith Roberts: Eine Werwolf-Formel. Eine kleine Kulturgeschichte des Werwolfs, in: Dämonen Monster Fabelwesen. Mittelalter-Mythen, hg. v. Ulrich Müller / Werner Wunderlich. St Gallen 1999, Bd. 2. (S. 565-581), S. 574.

[31] Vgl. Katrin Möller, „Das Willkür über Recht ginge“. Hexenverfolgung im Mecklenburg der Frühen Neuzeit. (Diss.) Rostock, 2002, S. 197f.

[32] Zur Frühphase der Hexenverfolgung vgl. Ketzer. Zauberer, Hexen. Die Anfänge der europäischen Hexenverfolgung, hg. v. Andreas Blauert. Frankfurt am Main 1990; Manfred Tschaikner,: Magie und Hexerei. Im südlichen Vorarlberg zu Beginn der Neuzeit. Konstanz 1997.

[33] Vgl. Richard Kieckhefer, European Witch Trials. London 1976, S.71.

[34] Hansen, Quellen (wie Anm. 14), S 527.

[35] Carl Buxtorf Falkeisen, Baslerische Stadt- und Landesgeschichten aus dem sechzehnten Jahrhundert. Bd. IV. Basel 1868, S 18f.

[36] Vgl. Hansen, Quellen (wie Anm. 14), S. 41: in lupum transformari possit, quod teutonice werewulff vocatur, aut in aliam aliquam figuram [...] decem dies in pane et aqua debes poenitere.

[37] Zur Geschichte des Kanon Episcopi vgl. Werner Tschacher, Der Flug durch die Luft zwischen Illusionstheorie und Realitätsbeweis. Studien zum sog. Kanon Episcopi und zum Hexenflug, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanonistische Abteilung 85, 1999, S. 225-276.

[38] Vgl. Hansen, Quellen (wie Anm. 14), S. 38ff.; Übersetzung nach Tschacher (wie Anm.  37), S. 231.

[39] Vgl. Tschacher (wie Anm. 37), S. 229.

[40] Vgl. Tschacher (wie Anm. 37), S. 230.

[41] Vgl. die kommentierte Neuedition von Kathrin Utz Tremp: Hans Fründ, Rapport sur la chasse aux sorciers et aux sorcières menée dès 1428 dans le dioecèse de Sion, in: L'imaginaire du sabbat. Edition critique des textes les plus anciens (1430 c.-1440 c.) hg. v. Martine Ostorero / Agostina Paravacini Bagliai / Kathrin Utz Tremp.Lausanne 1999, S. 30-93; auch bei Hansen, Quellen (wie Anm. 14), S. 533-537.

[42] Vgl. Utz Tremp (wie Anm. 41), S. 42. So wolten sy einen kung haben auffgeworffen under inen selben.

[43] Vgl. Etres fantastiques dans les Alpes. Recueil d'études et de documents en mémoire de Charles Joisten (1936-1981), in: Le Monde alpin et rhodanien. I - 4, 1992, S. 17-182; Laurence Harf-Lancner, La métamorphose illusoire, in: Annales. Economies, sociétés, civilisations Nr. 40, 1985, S. 208-226.

[44] Utz Tremp (wie Anm. 41), S.36.

[45] Utz Tremp (wie Anm. 41), S.34.

[46] Vgl. Catherine Chène in ihrem Kommentar zu Johannes Nider, in: L'imaginaire du sabbat. (wie Anm 41), S. 215.

[47] Johann Vintler, Buch der Tugend, Augsburg 1486. (Vgl. Anm. 1)

[48] Ulrich Molitor, De laniis [recte lamiis] et phitonicis [recte pythonicis] mulieribus tractatus pulcherrimus. Straßburg 1489.

[49] Zur Frage der seltenen Werwolfdarstellungen vgl. Lorey, Henrich (wie Anm. 26) „Das Rätsel der Bilder und der wirkliche Wolf“, S.260ff.

[50] In frühen Verfahren im Jahre 1546 gegen zwei Frauen aus der Herrschaft Feldkirch im Hinteren Bregenzerwald gestehen die Angeklagten, dass sie „uff welffen und stecken“ zu den Treffen reiten. Einer von ihnen, der Förnlerin, erscheint „ir theüffel“ gar in Wolfsgestalt. Auch Anna Burghards aus Lingenau, die 1551 in Bregenz hingerichtet wird, begibt sich auf dem Rücken eines Wolfes zum Treffen „der geselschafft“ und nicht mittels Salbung. In anderen Verfahren, wie etwa dem gegen Christ(i)a(n) Häsler (1550), zeigen sich auch Elemente der Wolfsbannerei. „Die gefürchteten Wölfe erscheinen ( ) als gehorsame Reittiere, die nicht den Teufel verkörpern, sondern in dessen Namen gebannt werden konnten.“ (S. 167) Zugleich dient der Sattel – von den Wölfen genommen und auf ein Rind gelegt – als magisches Mittel, dieses Tier zu töten. Vgl. dazu: Manfred Tschaikner, „... haben das ganz Land wellen verderben“ – Die Ausrottung der Bregenzerwälder Hexen-Gesellschaften um die Mitte des 16. Jahrhunderts, in: Hermann Denz / Manfred Tschaikner, Alltagsmagie, Hexenglaube und Naturheilkunde im Bregenzer Wald. Innsbruck 2004, S. 151-204.

[51] Vgl. die kommentierte Neuherausgabe von Catherine Chènein: L'imaginaire du sabbat. (wie Anm. 41), S 99-265; Tschacher, Werner: Der Formicarius des Johannes Nider von 1437/38. Studien zu den Anfängen der europäischen Hexenverfolgungen im Spätmittelalter, Aachen 2000.

[52] Vgl. Catherine Chène in ihrem Editionshinweis, in: Imaginaire du sabbat (wie Anm. 41), S.108

[53] Johannes Nider, Praeceptorium divinae legis. ed. pr. Köln 1472.

[54] Johannes Nider (wie Anm. 51), S. 154: De solidori huius materia unguentum facimus nostris voluntatibus et artibus ac transmutaccionibus accomodum.

[55] Johannes Nider (wie Anm. 51), S. 152: circa districtum Bernensis domminii quidam malefici utriusque sexus qui contra humane nature inclinacionem, ymmo adversus condiciones specierum omnium bestiarium, lupina exepta tantummodo, proprie speciei infantes vorant et comedere solent.

[56] Vgl. Bernhard Andermatten / Kathrin Utz Tremp, De l'hérésie à la sorcellerie: l'inquisitor Ulric de Torrenté OP (vers 1420-1445) et l'affermissement de l'inquisition en Suisse romande, in: Zeitschrift für schweizer Kirchengeschichte 86, 1992, S. 116: Lupino more humanam carnem etiam propriorum liberorum commendendo.

[57] Vgl. Martine Ostorero, Folâtrer démons. Sabbat et chasse aux sorciers à Vevey (1448), Lausanne 1995, S. 218.

[58] Vgl. Heinrich Kramer (Institoris), Der Hexenhammer. Malleus Maleficarum. Kommentierte Neuübersetzung hg. v. Günter Jerouscheck und Wolfgang Behringer, München 2000, S. 286f.

[59] Vgl. Arno Borst, Anfänge des Hexenwahns in den Alpen, in: Ketzer, Zauberer, Hexen (wie Anm. 32), (S. 43-67), S. 51.

[60] Vgl. Nider (wie Anm. 51), S. 168.

[61] Borst (wie Anm. 59), S. 53.

[62] Vgl. Hansen, Quellen (wie Anm. 14), S.118ff.

[63] Vgl. Claude Tholosan, Ut Magorum et Maleficiorum Errores. in: Ketzer, Zauberer, Hexen. Die Anfänge der europäischen Hexenverfolgung, hg. v. Andreas Blauert (wie Anm. 32), aus dem Lateinischen von Astrid Seele(S. 143-158), S. 145.

[64] Tholosan (wie Anm. 63), S. 149.

[65] Martin le Franc, Champion des Dames; kritische Edition von Robert Deschaux, in: L'imaginaire du sabbat (wie Anm. 41), S. 439-508; Hansen, Quellen (wie Anm. 14), S. 100 – 104.

[66] Martin le Franc (wie Anm. 65), S. 469: Oui baston ou ramon chevausse / Cuide passer mont et valle.

[67] Martin le Franc (wie Anm. 65), S. 451; deutsch: Es sind Werwölfe oder (läufige) Wölfinnen. Sie reisen zu Fuß oder auf Stöcken.

[68] Diese Assoziationskette war schon in der Antike geknüpft. Das lateinische Wort lupanarium (=Wolfslager) hatte auch die Bedeutung von Bordell. Nach Plinius (Naturgesch. 8. Buch) galt u.a. das Haar vom Schwanz des Wolfs als Aphrodisiakum.

[69] Martin le Franc (wie Anm. 65), S. 467; deutsch: Es ist eine Art dieser Leute, wie schon Solinus als wahr berichtet, dass sie ihr Wesen verändern und Wölfe werden [...] Werwölfe, Feen und [lüsterne] Wölfinnen, schlimmer als die Sarrazenen ? Das ist kein Traum, daran zweifeln wir nicht.“

[70] Martin le Franc (wie Anm. 65). S. 469: Sy ne convient plus disputer / De l'asne ne de l'autre affaire.

[71] Martin le Franc (wie Anm. 65), ebd. S. 469: Tu parles du grand Alebert: / Je ne croy que si grand docteur / Fust si fol ou sie coquebert (=stupide) / Qu'il voulsit estre invocateur, / Ou ressembler le Createur.

[72] Vgl. Joseph Hansen: Zauberwahn, Inquisition und Hexenprozeß im Mittelalter und die Entstehung der großen Hexenverfolgung. München 1900, S. 380f.

[73] vgl. Hansen, Quellen (wie Anm. 14), S. 148.

[74] vgl. Hansen, Quellen (wie Anm. 14), S. 196.

[75] vgl. Hansen, Quellen (wie Anm. 14), S. 195f.

[76] vgl. Hansen, Zauberwahn (wie Anm. 72), S. 456.

[77] vgl. Hansen, Quellen (wie Anm. 14), S. 133f.

[78] vgl. Hansen, Quellen (wie Anm. 14), S. 108.

[79] So etwa in der Recollectio von 1460 zu den Prozessen in Arras. Vgl. Hansen, Quellen (wie Anm. 14), S. 149f.

[80] vgl. Hansen, Quellen (wie Anm. 14), S. 236f.

[81] vgl. Hansen, Zauberwahn (wie Anm. 72), S. 459.

[82] Ähnlich kontroverse Positionen lassen sich im Übrigen auch zur Frage des Wettermachens in der kirchlichen Superstionslehre finden. Vgl. Dieter Harmening, Superstitio. Überlieferungs- und theoriegeschichtliche Untersuchung zur kirchlich-theologischen Aberglaubensliteratur. Berlin 1974, S. 247f.

[83] Vgl. Hansen, Zauberwahn (wie Anm. 72), S. 447.

[84] Vgl. Hansen, Quellen (wie Anm. 14), S.82f.

[85] Vgl. Hansen, Quellen (wie Anm. 14), S. 210.

[86] Vgl. Hansen, Zauberwahn (wie Anm. 72), S. 446f.

[87] Vgl. Hansen, Quellen (wie Anm. 14), S. 228f.

[88] Zum Verfasserproblem vgl. Heinrich Kramer (Institoris), Der Hexenhammer (wie Anm. 58), S. 31f.

[89] Malleus (wie Anm. 58), S. 119.

[90] Hansen, Quellen (wie Anm. 14), S. 24f.

[91] Malleus (wie Anm. 58), S. 149.

[92] Malleus (wie Anm. 58), S. 394.

[93] Malleus (wie Anm. 58), S. 384.

[94] Malleus (wie Anm. 58), S. 152.

[95] Malleus (wie Anm. 58), S. 285.

[96] Malleus (wie Anm. 58), S. 349.

[97] Malleus (wie Anm. 58), S. 248.

[98] Hefstu gelouet dat de lude werden to warwulven. Vgl. Johannes Geffcken, Der Bildercatechismus des fünfzehnten Jahrhunderts und die catechetischen Hauptstücke in dieser Zeit bis Luther, mitgeteilt und erläutert. Leipzig 1855, Beilage Bd. I, Sp.129; vgl. auch: Hexen und Hexenprozesse in Deutschland, hg. v. Wolfgang Behringer. München 2000, S. 71.

[99] Vgl. Hansen, Quellen (wie Anm. 14), S. 243f.

[100] Eine Variante der sechsteiligen Folge bei Hansen, Quellen (wie Anm. 14), S. 244.

[101] Vgl. Charles Zika, Magie – Zauberei – Hexerei. Bildmedien und kultureller Wandel, in: Kulturelle Reformation. Sinnformation im Umbruch 1400-1500, hg. v. Bernhard Jussen / Craig Koslofsky. Göttingen 1999, S. 317-382; dazu auch Lorey: Henrich (wie Anm. 26), S. 260-279.

[102] Vgl. Grimm (wie Anm. 1), III. Bd. S. 420-426.

[103] Eine Auswahl der Abbildungen bei Zika (wie Anm. 101).

[104] Vgl. Hansen, Quellen (wie Anm. 14), S. 296.

[105] Hansen, Quellen (wie Anm. 14), S. 308.

[106] Vgl. Hansen, Zauberwahn (wie Anm. 72), S. 510f.

[107] Vgl. Hansen, Zauberwahn (wie Anm. 72), S. 515f.

[108] Vgl. Hansen, Quellen (wie Anm. 14), S. 279f.

[109] Vgl. Hansen, Zauberwahn (wie Anm. 72), S. 517f.

[110] Vgl. Hansen, Zauberwahn (wie Anm. 72), S. 500.

[111] Vgl. Hansen, Quellen (wie Anm. 14), S. 326f.

[112] Vgl. Hansen, Zauberwahn (wie Anm. 72), S. 472.

[113] Vgl. Hansen, Zauberwahn (wie Anm. 72), S. 455.

[114] Der Kanon Episcopi blieb Bestandteil des Corpus Juris Canonici bis zum Inkrafttreten des Codex Juris Canonici 1918.

[115] Olaus Magnus, Historia de gentibus septentrionalibus, Rom 1555.

[116] Vgl. Martin Luther, Weimarer Ausgabe 1883f. Bd.1, S.406.

[117] Vgl. Rainer Alsheimer, Katalog protestantischer Teufelserzählungen des 16. Jahrhunderts, in: Volkserzählung und Reformation. Ein Handbuch zur Tradierung und Funktion von Erzählstoffen und Erzählliteratur im Protestantismus, hg. v. Wolfgang Büttner. Berlin 1974, S. 417-519.

[118] Se quotannis factum esse lupum per dies duodecim; post natalem diem Domini vidisse se parvam speciem pueri, qui diceret, ut converteretur in lupum. Zitiert nach Otto Clemen, Zum Werwolfglauben in Nordwestrußland, in: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 30-32, 1920-22 (S. 141-144), S. 141.

[119] Augustin Lercheimer, Ein christlich Bedenken und Erinnerung von Zauberey. Heidelberg 1585.

[120] zitiert nach Clemen (wie Anm. 118), S. 142, Anm. 1.

[121] Caspar Peucer, Commentarius de praecipuis divinationum generibus. (ed. pr. 1553) Augsburg 1591, S.166-173; Zum Thema Werwölfe als Kämpfer gegen die Hexen vgl. Carlo Ginzburg, Hexensabbat. Entzifferung einer nächtlichen Geschichte. Frankfurt a. M. 1993, S. 163f.

[122] Zitiert nach Wolfgang Brückner, Historien und Historie. Erzählliteratur des 16. und 17. Jahrhunderts, in: Volkserzählung und Reformation. (wie Anm. 117), (S.12-123), S. 31.

[123] Johannes Manlius, Collectanea locorum communum. ed. pr. 1562 ; Caspar Goltwurm, Wunderzeichen. ed. pr. 1557; Andreas Hondorff, Promptuarium exemplorum. ed. pr. 1568; Cyriacus Spangenberg, Der Jagdteufel, ed. pr. 1560; Wolfgang Bütner, Epitome historiarum. ed. pr. 1576; Abraham Saur, Ob zu dieser Zeit Hexen, Zauberer und Unholden vorhanden. ed. pr. 1570; Heinrich Meybaum, Von Erforschung, Prob und Erkenntnis der Hexen. ed. pr. 1584; Johannes Ewich, Von der Hexe, die man Zauberin nennt. ed. pr. 1585; Georg Go(e)delmann, De magis. ed. pr. Lat. 1591, dt.1592.

[124] Johann Weyer, De praestigiis Demonum (ed. pr. 1556), zitiert nach der deutschen Ausgabe von 1578, (Neudr. Amsterdam 1967), S. 195v.

[125] Weyer (wie Anm. 124), S. 213v.

[126] Weyer (wie Anm. 124), S. 215v.

[127] Johann Geiler von Kaysersberg, Die Emais, Straßburg 1516, S. XLI.

[128] Jacob von Liechtenberg, Hexen-Büchlin. ed. pr. 1545, zitiert nach der Ausgabe (Colmar) 1575, S. 34.

[129] Liechtenberg (wie Anm. 128), S. 30.

[130] Liechtenberg (wie Anm. 128), S. 35.

[131] Jean Bodin, De la Démonomanie Des Sorciers. Paris 1580.

[132] Jean Bodin, Six livres de la République. Paris 1576; deutsch München 1981.

[133] Fischart (wie Anm. 9)

[134] Fischart (wie Anm. 9), Vorrede (unpag.), Blatt 1.

[135] Bodin (wie Anm. 131), II. Buch, Kap. VI : De la Lycanthropie et si le Diable peut changer les hommes en bestes, S. 94v – 104r.

[136] Bodin (wie Anm. 131), S. 94r: Disons donc, s'il es posible, que les hommes soyent conuertis en loups, & autres bestes veritablement, ou par fantasie ou par maladie.

[137] Fischart (wie Anm. 9), S. 118.

[138] Fischart (wie Anm. 9), S. 123; Bodin (wie Anm. 131), S. 99r: Or c'est schose bien estrange: Mais ie trouue encores plus estrange, que plusieurs ne le peuuent croire, veu que tous peuples de la terre, & toute l'antiquité en demeure d'accord.

[139] Papst Leo VII. gest. 939.

[140] ischart (wie Anm. 9), S. 125; Bodin (wie Anm. 131), S.100v.: Petrus Damianus [...] en sist le recit au Pape Leon VII. & apres auoir disputé d'vne part & d'autre deuant le Pape, il fut conclud, que cela estoit possible.

[141] Fischart, (wie Anm. 9), S. 125; Bodin (wie Anm. 131), S. 101r: Et quant à la transformation d'Apulee, Saint Augustin au XVIII. Liure de la Cité de Dieu, chap XVIII. n'ose le nyer, ny l'asseurer. Bien est il d'aduis, & luy semble, que c'est vne fascination : les autres disent, que cela peut aduenir veritablement, & naturellement.

[142] Fischart (wie Anm. 9), S. 126; Bodin (wie Anm. 131), S. 102r: [...] que la forme essentiell de l'homme ne change point, qui est la raison, ains seulement la figure.

[143] Fischart (wie Anm. 9), S. 127; Bodin (wie Anm. 131), S. 102r: Or si nous confessons [...] doibt on trouuer estrange, si Sathan change la figure d'vn corps en l'autre, veu la puissance grande que Dieu luy donne en ce monde elementaire.

[144] Bodin, (wie Anm. 131), S. 243r: Toutes lesquelles action font plus difficiles, que de tourner vn homme en figure de loup.

[145] Bodin (wie Anm. 131), S. 104r.

[146] Fischart (wie Anm. 9), S. 128; Bodin (wie Anm. 131), S. 103v: Et s'il faut rendre quelque raison pourquoy principalement les hommes sont plustost tournez en loups & asnes qu'en autres bestes, la raison m'a semblé que les premiers qu'on voit auoir changé de forme en loup, mangeoyent la chair humaine en sacrifiant à Iuppiter, qui s'appelloit pour cestre cause Lyceus, comme qui fut executé à Dol, qui changeoit d'homme en loup, & ceux de Sauoye confesserent auoir mangé plusieurs enfans.

[147] Fischart (wie Anm. 9), S. 128; Bodin (wie Anm. 131), S.103v: que ceux qui frequentent les Sorciers & Lycanthropes deuiennent en fin semblables à eux

[148] Vgl. Bodin (wie Anm. 131), S. 96v.

[149] 1581, 1586, 1591.

[150] Peter Binsfeld, Tractat von Bekanntnuß der Zauberer und Hexen. (ed. pr.1589) München 1592, fol.4.

[151] Vgl. Jean Chapeauville, Gesta Pontificium Leodiensium. Jüttich 1616, S. 557.

[152] Vgl. die chronologische Prozessliste auf diesen Seiten.

[153] Arrest memorable de la Cour de parlement de Dole, du dixhuictiesme iour de Ianuier, 1574 contre Gilles Garnier, Lyonnois, pour auoir en forme de loup-garou deuoré plusieurs enfans, & commis autres crimes : enrichyd'aucuns poincts recueillis de diuers autheurs pour esclaircir la matiere de telle transformation. Imprimé á Sens, par Iean Sauine, 1574; schon Bodin (wie Anm. 131), S. 96r hatte beiläufig auf dieses Dokument verwiesen, verbunden mit dem Hinweis, dass es in mehreren gedruckten Varianten (Orleans, Paris und Sens) vorliege. Als (allerdings schwer lesbare) Digitalisierung ist es heute über eine Internetseite der Französischen Nationalbibliothek, Paris, einsehbar. (http://galica.bnf.fr).

[154] zu diesen Verfahren vgl. Lorey, Henrich (wie Anm. 26), S. 238f.; Rolf Schulte, Hexenmeister S. 21f.

[155] Henry Boguet, Discovrs Execrable Des Sorciers. Ensemble leur Procez, faits depuis deux ans en çà, en diuers endroicts de la France. Auec vne Instruction pour vn Iuge, en faict de Sorcelerie (ed. pr. 1602); in der Folge zitiert nach der Ausgabe Paris 1603. Vorrede (unpag.) Bl. 7; sorcier steht sowohl für die männliche wie für die weibliche Form. Unter den von Boguet abgeurteilten Werwölfen befinden sich nun mehr auch Frauen.

[156] Boguet (wie Anm. 155), Vorrede (unpag. ) Bl. 2. [...] ils se changent en loups.

[157] Boguet (wie Anm. 155), Kap. 46, S. 110 -124: De la metamorphose d'homme en beste, & specialement des Lycanthropes, ou Loups-Garoux.

[158] Vgl. Boguet (wie Anm. 155), S. 191; ebenso S. 157.

[159] Jules Michelet, Die Hexe (1862), deutsch München 1974, S. 132.

[160] Vgl. Boguet (wie Anm. 155), S. 58.

[161] Vgl. Boguet (wie Anm. 155), S. 42.

[162] Vgl. Boguet (wie Anm. 155), S. 112.

[163] Boguet (wie Anm. 155), S. 115: Toutesfois i'ay tousiours estimé la lycanthropie faulse, que ie tiens impossible la metamorphose d'homme en beste.

[164] Vgl. Boguet (wie Anm. 155), S. 116.

[165] Vgl. Boguet (wie Anm. 155), S. 117.

[166] Vgl. Christoph Daxelmüller, Zauberpraktiken. Die Ideengeschichte der Magie Düsseldorf 2001, S. 44.

[167] Vgl. Boguet (wie Anm. 155), S. 119.

[168] Vgl. Boguet (wie Anm. 155), S. 122.

[169] Vgl. Boguet (wie Anm. 155), S. 122.

[170] Vgl. Boguet (wie Anm. 155), S. 123.

[171] Vgl. Boguet (wie Anm. 155), S. 25.

[172] Vgl. Boguet (wie Anm. 155), S. 158.

[173] Boguet (wie Anm. 155), S. 121f.: Mesme Pierre Gandillon estoit tellement defiguré, qu'il n'auoit comme point de semblance d'homme, & faisoit horreur à ceux qui le regardoyent.

[174] Boguet (wie Anm. 155), S. 120: Il y a grande apparence, que ce loup n'estoit autre, que Clauda Gaillard.

[175] Boguet (wie Anm. 155), S. 124: Et puis quand il n'y auroit autre chose, que la dammnable intention qu'ils ont, pourquoi ne les iugerons nous pas coulpables de mort, veu que la loy punit la volonté, mesmes és choses, qui ne sont point trop graues.

[176] Boguet (wie Anm. 155), S. 25: Des Sorciers, qui se mettent en loups; S. 112: Puis qu'ils se sont tous mis en loups.

[177] Reginald Scot, The Discoverie of Witschcraft. London 1584.

[178] Reginald Scot (wie Anm. 177), V. Buch, Kap. 1.

[179] In gleichem Sinne argumentiert später der englische Theologe Robert Burton, The Anatomy of Melancholy. Oxford 1638.

[180] James I. of England, Daemonologie (Edinburg 1597).

[181] Nicolas Rémy, Daemonolatriae libri tres. Lyon 1595; schon im Jahr 1598 erscheint in Frankfurt a. M. die deutsche Übersetzung.

[182] Claude Prieur, Dialogue de la Lycanthropie, Louvain 1596.

[183] Le Sieur de Beauvoys de Chauvincourt, Discours de la Lycanthropie. Paris 1599.

[184] Jean de Nynauld, De La Lycantropie. Paris 1615.

[185] Pierre de Lancre, Tableav de L'inconstance des mavvais Anges et Demons, ov il est amplement traicté des Sorciers & de la Sorcelerie. Paris 1612, S. 254.

[186] Mit solchen Verwandlungsgesichten hatte schon Gervasius von Tilbury1214 Kaiser Otto IV. unterhalten, indem er sie als zeitgenössische Ereignisse beschrieb. Vgl. Gervasius von Tilbury, Otia Imperalia, hg. v. Felix Liebknecht, Hannover 1856, III. Buch, S. 120.

[187] de Lancre (wie Anm. 185), S. 256.

[188] de Lancre (wie Anm. 185), S. 258.

[189] de Lancre (wie Anm. 185), S. 312ff.

[190] Wunderbahrliche Geheimnussen der Zauberey / darinn auß der Uhraicht: und Bekenmuß vieler unterscheidlicher Zauberer und Zauberinnen die vornehmbste Stück so bey solchem Teuffelswesen umbgehen / beschrieben werden. Gezogen auß einem weitleufftigen in französischer Sprach gedrucktem Tractat Herrn Petri de Lancre, Parlamentsherren zu Bordeaux / welcher solchen gerichtlichen Processen persönlich beygewohnet. Neben etlichen dergleichen Processen / so in Spanien gehalten worden. Allen Menschen zur warnung und Abscheu/ den Richtern aber zu guter Nachricht und Unterweysung / auß dem Franzosischen mit deß Königs Privilegien getrucktem Exemplar in Teutsch ubergesetzt / Pierre de L'Ancre. 1630, S. 79 (digit. Edition URL: http://diglib.hab.de/drucke/190-19-quod-6/start.htm)

[191] Wunderbahrliche Geheimnussen (wie Anm. 190), S. 80.

[192] Auf den Umgang mit solchen Widersprüchlichkeiten verweist Friedrich von Speein seiner Cautio Criminalis in der 8. Frage über die nötige Vorsicht beim Hexereiverfahren: Die Theologen lehren ja, man dürfe, wenn von zwei entgegen gesetzten Meinungen alle beide glaubhaft erscheinen, sich mit gutem Gewissen irgendeiner von ihnen anschließen, selbst wenn die andere weniger Sicherheit gewährt. [...] Es ist aber verwunderlich, dass diejenigen, die hier Bescheid zu wissen meinen, eines nicht beachtet haben: Die Theologen machen nämlich ausdrücklich eine Ausnahme und sagen, man müsse jedenfalls dann stets der sicheren Meinung folgen, [...] wenn die Gefahr besteht, dass einem Menschen Schaden oder Unrecht geschehen könnte. Friedrich von Spee, Cautio Criminalis seu de processibus contra sagas. Frankfurt 1632, deutsch v. Joachim-Friedrich Ritter, München 1982, S. 15f.

[193] vgl. Elmar M. Lorey, Das Werwolfstereotyp als instabile Variante im Hexenprozess, in: Nassauische Annalen 112, 2001, S.135-176.

[194] Anton Prätorius, Von Zauberey vnd Zauberern Gründlicher Bericht. Heidelberg (3. Aufl.) 1613, S. 64.

[195] Prätorius (wie Anm. 194), S.65.

[196] Heinrich von Schultheiß: Eine Außführliche Instruction Wie in Inqvisition Sachen des grewlichen Lasters der Zauberey [...] ohn gefahr der Unschuldigen zu procediren. Köln 1634, S. 85.

[197] Schultheiß (wie Anm. 196), S. 361.

[198] Einige der Dissertation, die in dieser Zeit an den Universitäten Leipzig und Wittenberg vorgelegt wurden: Johannes Fridericus Wolfeshusius, De Lycanthropis. Leipzig 1591; Conrad Ziegrae, Disputatio contra Opliantriam, Lycanthropiam et Metempsychosim. Wittenberg 1650; Concord Niphanius, De Lycanthropia. Wittenberg 1654; Michael Mei, De Lycanthropia. Wittenberg 1654; Christopherus Wantscherus, De Lupo et Lycanthropia. Wittenberg 1666; Michael Henricus Krause, Teranthropismus Fictus. Wittenberg 1673; Jacobus Fridericus Müller, De Transmutatione Hominum in Lupos. Leipzig 1673; Gottlieb Fridrich Seligmann, De Dubiis Hominibus. Leipzig 1679.

[199] Endlich kommen täglich neue Bücher auf den Markt, die die Sache ganz verworren machen. Friedrich von Spee, Cautio Crimninalis (wie Anm. 192), S. 14.

[200] Vgl. Bernhard Schemmel: Der "Werwolf" von Ansbach (1685). Ereignisse und Meinungen, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 33. 1973, S. 167-200.

[201] Theophil Lauben, Dialogi und Gespräch Von der Lycanthropia Oder Der Menschen In Wölff-Verwandlung. Frankfurt 1686.

[202] Lauben (wie Anm. 201), S. 135-175.

[203] Letztere sind nicht in die Grafik aufgenommen.

[204] Vgl. Philipp von Bergmann-Korn, Der Werwolf von Börry. Aberglaube und öffentliche Unordnung – Versuch einer Rekonstruktion, in: Jahrbuch Hameln, Hameln 1991, S. 47-58.

[205] Vgl. Konrad Müller, Die Werwolfsage. Studien zum Begriff der Volkssage. Karlsruhe 1937, S. 50.

[206] Cell Research, Bd. 13. 2003, S. 251.


Stand:07/2004
© 2003 Elmar M. Lorey

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