Erstveröffentlichung in: Nassauische Annalen, Jg.112, 2001, S. 135-176

Elmar M. Lorey
Das Werwolfstereotyp als instabile Variante im Hexenprozeß
"Gefragt, wie oft er sich des Jahrß zum Wehrwolf gemacht"

Nach einer kleinen Einführung werden im Folgenden an Hand von Bad-Homburger Hexenprozessen einige Grundmuster von Werwolfverfahren beispielhaft skizziert. Im Anschluß daran wird sich mit Blick auf benachbarte Gebiete in Hessen und andere Regionen das Spektrum typischer Werwolfverfahren erweitern. Dabei wird sich zeigen, daß dieser Verfahrenstyp in gleichem Maße flexibel und instrumentalisierbar ist wie das Hexenstereotyp selbst. Zum Schluß schließlich soll der Frage nachgegangen werden, ob die zeitgenössischen Quellen zur Auskunft darüber taugen, welche Vorstellungen die Menschen der Frühen Neuzeit mit der Gestalt des Werwolfs verbanden.

Aktenvermerk auf einem Werwolfprozeß von 1629
"Behrwolff undt Zauberey be(k)l(a)gt."

Gliederung dieses Dokumentes:

1. Die Bad Homburger Hexenprozesse von 1652/54
2. Drei Homburger Werwolfprozesse
3. Varianten des Werwolf-Stereotyps
    3.1. Hirten und Segner
    3.2. Wolfspaniken
    3.3. Mit der Armut auch die Hexerei geerbt
    3.4. Vom Schimpfwort zum Prozeß
    3.5. Magisch erworbener Reichtum
    3.6. Sexualität und Sittlichkeit
    3.7. "Unartig" aus Leichtsinn, Gewohnheit oder Absicht
4. Die gelehrte Welt als Geburtshelfer einer Chimäre?
5. Anmerkungen
 

"Von den Märchen, die ich hörte, sind mir nur die über Werwölfe und Vampire in Erinnerung geblieben. Vielleicht wurden keine anderen erzählt", (1) erinnert sich der 1905 im bulgarischen Rustschuk geborene Elias Canetti in seinem Buch "Die gerettete Zunge" an die frühen Geschichten seiner Kindheit. Und in einem der Anfangskapitel unter dem Titel "Wölfe und Werwölfe" beschreibt er sogleich eine Szene mit den bulgarischen Dienstmädchen im Haushalt seiner Eltern, die wie ein Echo aus ferner Zeit klingt: "Wenn es dunkel wurde, bekamen die Mädchen Angst. Auf einem der Sofas gleich beim Fenster kauerten wir uns alle dicht zusammen, mich nahmen sie in die Mitte, und nun begannen ihre Geschichten von Werwölfen und Vampiren." Und weiter: "Sie sind mir in allen Einzelheiten gegenwärtig, aber nicht in der Sprache, in der ich sie gehört habe. Ich habe sie auf bulgarisch gehört, aber ich kenne sie deutsch, diese geheimnisvolle Übertragung ist vielleicht das Merkwürdigste, was ich aus meiner Jugend zu berichten habe." Beim Grübeln über die Merkwürdigkeit, daß ihm diese Gestalt, deren Wurzeln in römisch-griechische, in germanische und nordische Mythen zurückreichen, in der deutschen Sprache so vertraut erscheint, obwohl er sie doch in bulgarischer Sprache kennenlernte, kommt Canetti auf das rätselhafte Gedächtnis des "Unbewußten", obwohl - wie er schreibt - "ich dieses durch übermäßigen Gebrauch nichtssagend gewordene Wort sonst wie die Pest meide".(2)

Dieser oszillierende Blick auf eine mythische Figur, die überall in Europa mehr oder weniger zum Erzählrepertoire gehört, kennzeichnet auch zeitgenössische Reaktionen auf den Werwolf. Längst überlagert von Bildern des Fantasy- und Horrorgenres, erscheint jedem die Figur bekannt, ohne daß ihm leicht eine erinnerbare Geschichte dazu einfiele. Mancher assoziiert noch Fragmentarisches an panisch verstörte Geheimbündeleien, bei denen unbelehrbare Nationalsozialisten den anrückenden Alliierten Kinder entgegen werfen wollten. Glücklicherweise wurde fast nirgendwo daraus Wirklichkeit. Vielleicht blieb aber gerade deshalb in mancher Knabenphantasie von damals etwas haften. Jedoch zuvor schon hatte es den "Werwolf pur" nicht mehr gegeben, weil die gelehrte Hexentheorie den alten Gestaltwandler neben der Katze in das Personal der Hexen und Hexenmeister eingegliedert hatte. Spuren dieser Deformation ziehen sich bis in die heute selten gelesenen Sagensammlungen des 19. Jahrhunderts.

Schon bei den frühen Hexenprozessen von 1430 betritt der hexerische Werwolf im westlichen Alpenraum die Bühne. Von dort breitet sich die anfangs noch wenig entfaltete Vorstellung eines Geheimbundes, in dem sich dem Teufel willfährig ergebene Menschen versammelten, nach Europa aus (3). Nach einer gewissen Latenzzeit von gut 100 Jahren entsteht ein relativ stabiles Hexenstereotyp, bei dem auch die Wolfsverwandlung eine düstere Rolle spielt. Selbst wenn die sprachliche Wurzel (Wer=Mann, also Mannwolf) dies nicht vermuten läßt, bezieht sich der Vorwurf von Anfang an auch auf weibliche Angeklagte. Im Urserental (Kanton Uri) wird am 12. Mai 1459 Kattryna Simon von Steinbergen hingerichtet. Sie hatte gestanden, sich mittels einer Salbe nach Belieben in einen Fuchs, eine Katze oder einen Wolf verwandeln zu können und zusammen mit vier weiteren Frauen auf Wölfen durch die Täler zu reiten. Nach ihrem Geständnis stiftete sie unter anderem dadurch Schäden, daß sie in Wolfsgestalt "lowy", Schneewächten, Lawinen, auslöste. (4)

In den wissenschaftlichen Debatten um das europäische Hexenwesen hat den Werwolf zumeist nicht mehr als ein wenig interessierter Seitenblick erreicht. (5) Schon Eberhard David Hauber war im frühen 18. Jahrhundert in seiner "Bibliotheca Acta et Scripta Magica" zu der Meinung gelangt, "da sonsten dergleichen Wölffe in den Hexen-Processen sehr rar sind, und unter hundert Männern, welche als Zauberer verurtheilt worden, kaum 3 oder 4 gefunden worden, die bekennet haben, oder auch nur beschuldiget worden sind, daß sie Währ-Wölffe gewesen seyn." (6) Die wenigen Beispiele, die er dazu ausbreitet, stammen freilich aus dem Norden Schwedens und den baltischen Ländern.

Im 19. Jahrhundert jedenfalls beschäftigen sich allein die Sagenforscher (7) mit ihm und ein an Psychologiegeschichte interessierter Arzt, dessen Spezialgebiet die Seelenkranken in der Berliner Charité sind, (8) nicht zu vergessen die Autoren populärerer Aufklärungsbücher, die sich jedoch mit leicht hämischem Unterton oder gar angewidert vom "Aberglauben" ihrer Vorfahren abwenden, die eine solche Mensch-Tier-Verwandlung für möglich gehalten hatten. In der Tat tritt die hexerische Wolfsverwandlung, von der schon früh in der gelehrten Literatur und den Dämonologien die Rede ist, meist nur in Einzelfällen auf, wie auch die jüngere Hexenforschung immer wieder bestätigt. Dennoch scheint es in Frankreich, aber auch in Deutschland ausgesprochene "Werwolfgebiete" gegeben zu haben. Gerade unter den Hexereiprozessen im Gebiet des heutigen Bundeslandes Hessen und den angrenzenden Regionen lassen sich einige auffällige Häufungen beobachten. (9)

Im Folgenden sollen an Hand von Bad Homburger Hexenprozessen einige Grundmuster solcher Werwolfverfahren beispielhaft skizziert werden. Im Anschluß daran wird sich mit Blick auf benachbarte Gebiete und andere Regionen das Spektrum typischer Werwolfverfahren erweitern. Dabei wird sich zeigen, daß dieser Verfahrenstyp in gleichem Maße flexibel und instrumentalisierbar ist wie das Hexenstereotyp selbst. Zum Schluß schließlich soll der Frage nachgegangen werden, ob die zeitgenössischen Quellen zur Auskunft darüber taugen, welche Vorstellungen die Menschen der Frühen Neuzeit mit der Gestalt des Werwolfs verbanden.

Bevor wir uns der Frage zuwenden, nach welchem Muster der Vorwurf der Wolfsverwandlung einen bestimmten Menschen treffen konnte, sollen - gewissermaßen zur Unterstützung des Vorwissens - vier kurze Feststellungen getroffen werden, die in der jüngeren Hexenforschung zu den Trivialitäten zählen, aber bisher den Weg ins allgemeine Bewußtsein noch nicht gefunden haben. Alltägliche Vorstellungen vom Hexenwesen scheinen noch immer geprägt von stahlharten Vorurteilen, die vor allem in den Zeiten des Kulturkampfs entstanden sind.

1. Die Hexenprozesse fanden nicht im sogenannten finsteren Mittelalter statt, sondern in ihrer Mehrzahl zu Beginn der Neuzeit, in der Zeit der Erfindung der modernen Wissenschaften und im Zeitalter der "Aufklärung". Einige Höhepunkte der Verfolgungswellen liegen ausgerechnet mitten im Dreißigjährigen Krieg, wo man vermuten könnte, die Menschen hätte anderes umgetrieben, als ihre Nachbarn mit Haß zu überziehen und auf Holzstößen zu verbrennen.
2. Die Verfahren wurden in der Regel nicht vor kirchlichen Gerichten geführt, sondern lagen in der Hand weltlicher Juristen. Entstanden war das Modell zwar in den Studierstuben der Theologen, aber neben einigen besonders entflammten Vertretern dieser Disziplin sind es vorwiegend Juristen, die sich um die Feinarbeit am Prozeßmodell wie um die Durchführung der Verfahren kümmern. Daß dabei das seit 1532 geltende Reichsrecht der "Carolina" mit seinen ersten schmalen Schutzklauseln für den Angeklagten zumeist nachhaltig verletzt wurde, war das Werk von Juristen, selbst wenn man zu den Anstiftern dieser Rechtsbeugung auch Theologen zählen muß.
3. Es handelte sich auch nicht um einen von den Landesherrschaften "von oben" inszenierten Krieg gegen weise Frauen oder Hebammen, die mit ihrem volksmedizinischen Wissen die Produktion von Steuerbürgern oder Soldaten verhindern haben sollen. Viele der geistlichen und weltlichen Regierungen zeigen sich meist zögerlich in dieser Frage und gaben erst unter massivem Druck der Untertanen den Verfolgungswünschen nach.
4. Schließlich waren es nicht "Millionen" von Opfern, wie häufig noch immer zu hören ist. Nach Auswertung zahlreicher Regional- und Detailstudien geht man heute von einer realistischen Zahl von 80.000 bis 100.000 (10) aus. Dies ist gleichwohl noch immer eine erschreckende Zahl, auch wenn in der Gegenwart manch einer gewohnt ist, bei geschätzten 200.000 Opfern der jüngsten "Balkankrise" kühl zur Tagesordnung überzugehen.

So dringlich es ist, diese menschlichen Katastrophen der jüngeren Zeit zu betrachten und nach ihren Ursachen zu suchen, so sinnvoll ist es, weiterhin nach den Ursachen für jene Massenhinrichtungen zu Beginn der Moderne zu forschen, für die man einmal den Begriff "Justizmord" eigens geprägt hat. (11) Erklärungsbedürftig sind sie, weil auch für sie die Freud'sche Feststellung gilt, daß der Mensch noch immer nicht Herr ist im eigenen Haus, im Haus des individuellen und auch kollektiven Bewußten, noch viel weniger im Reich des Vorbewußten. Beginnen wir also mit einem Blick auf ein kleines, eng umgrenztes Verfolgungsgebiet in der Mitte Hessens, in dem wir gleich mehreren Varianten des Werwolftstereotyps begegnen.

1. Die Bad Homburger Hexenprozesse von 1652/54

Im Sommer des Jahres 1652 lösen fabulierende Kinder in der kleinen Grafschaft Hessen-Homburg eine Kaskade von Hexereiprozessen aus, die in den folgenden Jahren mehr als sechzig Menschen das Leben kostet. Die Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren erzählen zuerst nur von magisch herbei gezauberten Mäusen und anderem Kleingetier, das sie bei einigen älteren Frauen beobachtet haben wollten. Unter der nachdrücklichen Befragung durch den Seulberger Pastor Christian Zahn, die er im Auftrag der Landgräfin Margarete Elisabeth und nur teilweise in Anwesenheit des Schultheißen Johannes Chelius durchführt, wächst aus dem kindlichen Gerede jedoch bald ein Gebirge von Hexereibeschuldigungen heran, zu dem neben den üblichen Vorwürfen wie Teufelspakt, Teilnahme am Hexensabbat, magische Aggression (Schadenzauber) und Hexenflug auch spezielle Homburger Varianten des Malefizverbrechens treten wie die Teufelstaufe von Kindern und satanisch pervertierte Abendmahlrituale.

Die verwitwete Landgräfin, eine geborene von Leiningen-Westerburg, regiert nach dem Tod ihres Gatten
Friedrich I. (+1638) in Vormundschaft für ihren ältesten Sohn Wilhelm Christoph. Durch eine Reihe von Todesfällen in ihrer Familie erschüttert, ist sie der Vorstellung verfallen, hinter diesen Schicksalsschlägen seien vor allem teuflische Machinationen zu suchen. Sie verhält sich damit kaum anders als die Mehrzahl der Menschen ihrer Zeit, die während der Wirren des Dreißigjährigen Krieges und den nicht weniger bedrückenden Jahrzehnten danach noch immer überzeugt sind, daß ihr persönliches Unheil dem Wirken einer geheimen teuflischen Sekte zuzuschreiben war, den Hexen. Mit dieser Haltung befand sich die Gräfin im Gegensatz zu benachbarten Regierungen, die häufig erst unter heftigem Druck dem Verfolgungswillen ihrer Untertanen nachgegeben hatten oder wie etwa der Mainzer Kurfürst Johann Philipp von Schönborn (1605-1673), der die Verfahrensaktivitäten zu bremsen suchte und mit seiner Kirchenordnung von 1669 schließlich vollends zum Stillstand brachte. (12) Meist sind es die großen Flächenstaaten, die den Verfolgungswünschen größeren Widerstand entgegensetzen.

Mit ihrer Sicht auf die Dinge begünstigt die Landgräfin die Prozesse, die in mehreren Hinrichtungswellen bis ins Jahr 1658 andauern, vor allem dadurch, daß sie die Kinder nicht nur demonstrativ und öffentlich in Schutz nimmt, sondern zugleich ein strenges Vorgehen gegen deren vermeintliche Verführer anordnet. Bei dieser Konstellation mußten aus den kindlichen Erzählungen immer neue Prozesse entstehen. Für die Kinder, deren Phantasie vermutlich von Berichten und Erzählungen infiziert war, die von den Verfahren aus den Jahren 1651 und 1652 im benachbarten Anspach und Werheim umgingen, hatte dieser landgräfliche Schutz jedoch zwiespältige Folgen. Einige von ihnen wurden später, als ihnen nach Ansicht der Gerichte der Erzählstoff auszugehen drohte, nicht nur selbst der Folter unterworfen, sondern fanden auch den Tod durch die Hand der Henker, die man in Ermangelung hinreichenden eigenen Personals aus Oberursel, Herborn oder Frankfurt zugezogen hatte.

Zuvor jedoch stehen die Kinder im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses und sorgen für Angst und Schrecken. Ehe man sie immer wieder ins Gefängnis führt, um sie dort mit neuen Opfern zu konfrontieren, werden sie zuvor im Gemeindegasthaus mit Gebäck und Wein bewirtet. Vor allem die phantasiereichen Erzählungen des kaum zehnjährigen Johannes Reukel aus Seulberg sind es, aus denen die Räte schließlich einen 133 Punkte umfassenden Fragenkatalog destillieren, dessen Spuren sich durch alle folgenden Verfahren ziehen. (13) Als dem Knaben schließlich die Geschichten ausgehen und er vor Angst verstummt, scheut man auch vor der Tortur nicht zurück. Zusammen mit seiner kaum älteren Schwester Anna endet sein Leben am 26. 10. 1652 auf dem Richtplatz. (14) Auf die Frage, ob es unter den Hexen auch Werwölfe gäbe, hatte Johannes Reukel die Homburger Bürger Adam Filz (15) und Philipp Mörlen (auch Merle) (16) genannt und von ihnen behauptet, sie könnten sich durch Umlegen eines Gürtels aus Rehhaut zu Wölfen machen, um des Nachts in die Pferche einzudringen und den Leuten die Schafe zu reißen.

Die Gestalt des Werwolfs ist in der Homburger Grafschaft ebenso geläufig wie in den umliegenden Regionen, auch wenn uns die vom Hexereiverfahren kontaminierten Sagen aus dem frühen 19. Jahrhundert wohl kaum etwas davon verraten, was die Menschen ursprünglich mit dieser Gestalt verbunden hatten. Der Gürtel war neben der Salbe eines der bekannten Verwandlungsmittel. Daß er nicht aus Wolfs- oder Menschenhaut bestand, sondern aus dem Fell eines Rehes, erscheint als regionale Besonderheit. In frühen Homburger Hexenprozessen, bei denen es 1584 wie in den Jahren 1603 bis 1605 nur vereinzelt Opfer gegeben hatte, war der Vorwurf der Wolfsverwandlung noch nicht aufgetaucht. (17) Aber schon bei den Verfahren von 1634, bei denen alte Anschuldigungen von 1603 wieder auflebten, wird Anna Harpf, die Witwe des Köpperner Bierbrauers Jacob Harpf unter anderem auch deswegen der Tortur unterworfen, weil man ihr vorwirft, ihr verstorbener Mann habe im Verdacht gestanden, ein Werwolf gewesen zu sein. (18) Daß die Bierbrauerin, wie sie meist nur genannt wird, zusammen mit drei anderen Frauen den Hinrichtungstag überlebt, der auf den 22. November 1634 festgelegt war, verdankt sie allein den Wirren des Dreißigjährigen Krieges. An diesem Tag nämlich fallen kaiserliche Truppen in Homburg ein und öffnen den Frauen das Gefängnistor. Da sich Katholiken und Protestanten in ihrer Einstellung zur Hexenverfolgung aber in nichts nachstanden, geschah diese Freilassung vermutlich weniger aus Erbarmen und Sympathie für die Opfer als vielmehr in militärischem Interesse an sicheren Hafträumen für die gerade gemachten Kriegsgefangenen.

Auch bei den Homburger Prozessen aus den 50er Jahren des 17. Jahrhunderts ist das Hexenstereotyp vorwiegend weiblich geprägt. Wenige Tage nach den Beschuldigungen aus dem Mund der Kinder sind es Ende August 1652 allein Frauen, die der ersten Hinrichtungswelle zum Opfer fallen. Aber schon Ende Oktober sind zwei Knaben unter den Delinquenten. Neben Johannes Reukel, eben jenem Auslöser dieser bis 1658 andauernden Prozeßkaskaden, findet der 18jährige geistig zurückgebliebene Sohn der Seulberger Schulmeisterin Elisabeth Lorey (19) den Tod. Er ist übrigens einer der wenigen, der es erst gar nicht auf eine "peinliche" Befragung hatte ankommen lassen. Auch ohne jegliche Anwendung von Zwang gesteht er, was man ihm in den Fragen vorgibt und manch schnurrige Einzelheit über seinen Umgang mit dem Teufel obendrein. Vielleicht war es sein ungetrübter Instinkt, der ihn vor der ausweglosen Falle bewahrte, in der sich die meisten verstrickten, wenn sie versuchten, zuerst die ihnen vorgehaltenen "Indizien" abzuleugnen. Vielleicht zeigt sich hier aber auch eine tiefe Verstörung über den Tod seiner Mutter, die kurz zuvor und als Folge der Tortur im Kerker gestorben war.

Wie andernorts sind auch in Homburg vier typische Defekte des Verfahrens die Ursache dafür, daß einer Verfolgungswelle meist eine neue folgt. Zuerst ist es die Beweiskraft des Gerüchtes, das hier zumeist das "Gemurmel" heißt. Sodann die mehrmalige und zumeist ins Belieben der Kommissare gestellte Folter, unter der die Opfer in der Hoffnung auf ein Ende der Schmerzen und dann zumeist todesbereit die für uns rätselhaften Geständnisse ablegen. Konnte in manchen Regionen durch die frühzeitige Einschaltung einer juristisch geschulten Verteidigung - wenn denn die finanziellen Mittel dafür zur Verfügung standen - manches Verfahren noch im Vorfeld abgebogen werden, wie wir beispielsweise aus den Dillenburger Prozessen wissen, beschränkte sich bei den Homburger Prozessen die Rolle des Verteidigers, der nie bei den Verhören zugegen war, auf eine rituelle Geste am Tage des Hochgerichts. Er stellte sich dem Schöffenrat gegenüber und dem Delinquenten zur Seite. Sodann erklärte er, daß sein Klient nach dem Geständnis seiner Untaten nun auf Gottes Gnade harre. Ein mageres Ritual, das einer Kapitulation jeglicher Verteidigung gleichkam. Schließlich ist es die regelmäßige und bei einem eigenen Folterdurchgang erfragte Nennung von Komplizen. Unnachgiebig bestehen die Kommissare auf immer neuen Namen, bevorzugt solchen, zu denen schon andere Besagungen vorlagen. Bei einzelnen Verhören entsteht der Eindruck, daß man nicht unterhalb einer Zahl von zwanzig Namen zufrieden war, ehe der "Meister" das Zeichen zum Abbruch der Folter erhielt.

Ein eindrückliches Zeugnis für die ausweglose Lage der Opfer finden wir in den Akten der Wedenbeckerin. Ursula Krausert, (20) wie ihr bürgerlicher Name lautet, ist die Ehefrau des Bäckers Peter Krausert und wird Anfang des Jahres 1654 hingerichtet. Als sie nach einem der Folterdurchgänge erneut alle bisherigen Geständnisse und Besagungen widerruft und wieder mit dem Folterstuhl bedroht wird, ruft sie flehentlich: "Wenn sie die Wahrheit sage, glaube man ihr nicht, sage sie Lügen, so wären es ihrer nicht genug; sie wisse also nicht, was sie tun solle, eine Zauberin sei sie nicht." (21) Als man ihr daraufhin die Augen verbindet und die Beinschrauben anlegt, ruft sie: "Herr, Jesus Christ, steh' mir bei, daß ich bei der Wahrheit bleibe und die Obrigkeit nicht zum Vergießen unschuldigen Blutes belüge." Gerade weil sie nach weiteren Torturen immer wieder revoziert, faßt der Ehemann den Mut um ihre Freilassung auf Kaution zu bitten. Das führt einzig dazu, daß auch er verhaftet wird und schließlich zusammen mit seiner Frau auf dem Richtplatz endet.

2. Drei Homburger Werwolfprozesse

Die beiden von Reukel als Werwölfe besagten Homburger Bürger, Johannes Philipp Mörlen und der wenig gut beleumdete Adam Filz, auch Schlingen-Adam genannt, kommen in den folgenden Monaten in Haft. Und weil bei den Männern die Tortur meist noch schneller ihre Wirkung tut als bei den Frauen, wie häufig zu beobachten ist, produzieren auch sie die üblichen Listen von Besagungen, die neue Verfahren nach sich ziehen. Mit Recht hat Schormann (22) darauf hingewiesen, daß unter den gegebenen Bedingungen diese erpreßten Namen nicht wirklich als Denunziation betrachtet werden können. Für die Benannten freilich ist eine solche Unterscheidung ohne Bedeutung. Wird ihr Name nach einem letzten Folterdurchgang nicht widerrufen, beginnt man, eine Akte anzulegen und das Fahndungsbild zu skizzieren.

Auf den Besagungslisten der beiden als Werwölfe beklagten Männer stehen neben zahlreichen Frauen auch zwei Hirten aus Homburg, deren berufsmäßiger Umgang mit Tieren in dieser Zeit mit besonderen Risiken verbunden ist. Beim geltenden Hexenmuster steht die magische Aggression gegen Gesundheit und Leben der Haustiere an prominenter Stelle. Nun wird also ermittelt gegen den 40jährigen Schäfer Johann Schling (23) und den fast 80jährigen Johann Frank, (24) auch Schäfer-Johann genannt. Frank ist sowohl als Zauberer wie als Werwolf besagt. Vor seiner Verhaftung hat man die Aussagen aus den unterschiedlichen Verfahren in einer neuen Akte zusammengetragen und holt aus dem Kreis der Homburger Bürger und Schöffen Auskünfte über seinen Lebenswandel ein.

Der Schöffe Johannes Knock stellt dem aus dem benachbarten Gonzenheim zugewanderten Johann Frank anfangs noch ein gutes Zeugnis aus, wenn er zu Protokoll gibt, dessen Vater "Carl Franck zu Gonztenheim sey ein arbeitsamer Biedermann geweßen, und dieweil von diesem Laster vor diesem ... nichts offenbahr geweßen, habe man von ihme auch dergleichen nichts gehört". Er sei "sonsten all zeit ein arbeitsamer fleisiger Mann geweßen, Nacht und Tag, dem alle Arbeit wohlgeziemet." Doch Knocks Versuch, den Verdächtigten vom elterlichen Zaubererbe freizusprechen, das zu einem der erstklassigen Beweise gehörte, ihn als arbeitsamen fleißigen Mann darzustellen, der selbst niedrigste Arbeit anzunehmen bereit war, hilft nicht wirklich, wenn man dem Schöffen ein gewisses Maß an Zivilcourage in dieser Sache auch nicht absprechen kann. Denn die meisten "über Leben, Wandel und Handel" befragten Zeugen versuchen sich möglichst schnell von einer solch berüchtigten Person abzusetzen, um sich von einem Strudel zu entfernen, der sie selbst nur allzu leicht mitreißen könnte. In bestimmten Phasen der kollektiven Panik erwies sich aber auch diese Vorsichtsmaßnahme als vergeblich. Einige Homburger Bürger, die sich demonstrativ für eine härtere Gangart bei den Verfahren ausgesprochen hatten, erfuhren dies am eigenen Leibe. Wenig später fanden sie sich selbst auf den todbringenden Listen.

Das Ratsmitglied Johann Melchior Kappes und der Homburger Schneider Hans Jacob Fritt, die als nächste Auskunft über den Leumund des Hirten Johann Frank, den Schäfer-Johann, geben, halten sich nicht zurück. Sie kennen längst die Besagungen aus den anderen Verfahren. In Johann Philipp Mörlens Geständnis war auf Folio 17 der harte Vorwurf notiert, daß der Schäfer-Johann "ein wehrwolff, nebenß ihm und Schling-Adam" (gemeint Adam Filz) sei. Kappes zögert auch nicht, die umlaufenden Gerüchte wiederzugeben, nach denen der Hirte "eine Kunst und dem Wolff das Maul zutuhn könne, daß er ihm oder dem Viehe nichts Zuschaden vermöge. Unter dem gemeinen Manne sey vor diesem murmelung geweßen, er seye ein Wehrwolff, doch wiße er nicht, woran es erkant würde".

Der Schneidermeister Fritt bestätigt gleichfalls, daß "alle Zeit ein gemein Gespräch und Glauben geweßen, Schäffer-Johann könnte etwas, daß der Wolff dem Viehe nicht Schaden tuhn könne". Damit ist nicht nur Franks Tätigkeit als Wolfssegner bezeugt, die man ehedem selbstverständlich als spezielle Kompetenz von einem Hirten bei seiner Anstellung erwartete, sondern vor allem seine Fähigkeit der Wolfsverwandlung. In der Aussage des Zeugen Kappes, daß er nicht wisse, woran die Fähigkeit zur Wolfsverwandlung "erkant würde", öffnet sich uns ein erster Blick auf die widersprüchliche Vorstellungswelt der Menschen in dieser Sache. Die gelehrte Hexentheorie gestattete nicht den Glauben an eine wirkliche Verwandlung, weil sie nach Aussagen der Dämonologen nur ein Trugbild des Teufels war. Doch die einfachen Leute konnten sich im alltäglichen Leben nur selten mit solch scholastischen Spitzfindigkeiten anfreunden. Und so retten sich Zeugen, Ankläger wie auch die Opfer selbst bei der Beschreibung des Tatbestands, wie wir noch sehen werden, in seltsam schillernde sprachliche Wendungen, die alles und zugleich nichts zu sagen scheinen. Soviel kann hier aber schon festgestellt werden. Die "wirkliche" Verwandlung eines Menschen in einen Wolf geschah schließlich erst im Urteilsspruch des Gerichtes.

Unter dem Druck der neuen Zeugnisse gibt auch der Schöffe Johannes Knock klein bei und erklärt bei einer erneuten Anhörung am 17. August 1654, der Verdächtigte "habe alle Zeit bey dem viehe und der Schweinehut sehr gutes Glück gehabt", und die Leute sagten, "er könne dem Wolff das Maul zu tuhn ... und daß er sich selbst der Kunst gerümet" habe. Und wie zur Bestätigung des nunmehr widerspruchsfreien Bildes, um das der gräfliche Rat Hünefeld so bemüht zu sein scheint, gibt Knock auch seinerseits das Gerücht von Schäfer-Johanns Verwandlungskünsten weiter, indem er sich auf den ebenfalls schon inhaftierten Hirten Johann Schling beruft. Der sei einmal zu ihm gekommen und habe gesagt, "er hielte davor, Schäffer-Johann könne sich zum Wehrwolf machen" und habe in dieser Gestalt auch schon eine Reihe von Tieren "erbißen".

Damit waren für die Homburger Räte die Vorermittlungen beendet und die Indizienkette geschlossen. Daß der Schweinehirte und Schäfer auch als Teilnehmer am Hexensabbat, als Pfeifer und Geldeintreiber Dienst getan haben sollte und als Mitwirkender bei Teufelstaufen benannt worden war, ist jetzt gewissermaßen zweitrangig. Der Vorwurf der Wolfsverwandlung war ein ausreichender und unbezweifelbarer Beweis für den Pakt mit dem Teufel und schloß gewissermaßen die Ausübung magischer Aggression gegen Mensch und Tier zwangsläufig ein. (25)

Johann Frank wird am Freitag, den 18. August 1654 in Haft genommen. Nachdem man ihm am folgenden Tag "die uhrsach angedeutet", führt man ihn zu einem ersten gütlichen Verhör, bei dem das Thema der Wolfsverwandlung gleich an erster Stelle steht. Das Protokoll zeigt sehr deutlich, daß der Hirte anfangs noch keineswegs eingeschüchtert ist. Er leugnet und "wiße schier nicht, waß er zu der Sache sagen solte". Er "lächelte darüber und hatte ... seinen Hohn, daß man ihn vor einen Zauberer hielte. Es solten alle seine Feinde an ihm Zuspott werden." Auf seine auffällig glückliche Hand im Umgang mit den Tieren befragt, von denen nie eines dem Wolf zum Opfer gefallen sei, erklärt er, "sein Fleiß hette gemacht, daß ihm der Wolff kein Viehe nehmen können." Da er sich zu keiner weiteren Aussage überreden läßt, schickt man ihn in den Kerker zurück, verbunden mit der deutlichen Mahnung, "wenn er sich nicht bedenken sollte, die Scharpfe (Folter) mit ihm vorgenommen würde".

Den Sonntag über hat Johann Frank genügend Zeit, sich seiner Lage bewußt zu werden, und er entschließt sich wohl zu einem ersten Kompromiß. Kaum daß er am Montag, dem 21. August, erneut der Kommission vorgeführt wird, der nun auch der "Meister" angehört, der sogleich auch sein Handwerkszeug demonstriert, erklärt Johann Frank sich bereit, "daß er einen Segen könne vor den Wolff. Wehre aber nichts bößes und laute so":

"Umb diese meine Säu gehet ein Graben,
Drauf sitzen drei heilige Knaben,
Der erste ist Gott Vater, der zweite Gott Sohn,
der dritte Gott heiliger Geist.
Die behüten mein Vieh, ihr Blut und ihr Fleisch
Vor Wölfen und Wölflingen,
Daß sie ihnen kein Haar zerschleißen
Und kein Bein zerbeißen,
Ihr Fleisch nicht schmecken
Und ihr Blut nicht lecken."
Darauf sei die Kreuzesformel, drei Glaubensbekenntnisse und drei Vater-unser zu sprechen "und den Wolff bey seinem nahmen nicht genant." Dann sei er "drey mahl umb die Heerde gegangen und mit dem Stecken oft Creütze gemacht. Dieses alle Tag getahn, so hette es geholffen".

Weil der Kommission die Mitteilung einer solchen Segensformel, die den Theologen jetzt als Gotteslästerung galt, auf keinen Fall ausreicht, droht man mit der Tortur, worauf Johann Frank unverzüglich ein Geständnis ablegt, wie man es erwartet und das mehrere Folioseiten füllt. Auf sein Verwandlungsmittel befragt, antwortet er, daß er "vor 15 oder 16 Jahren vom Teüffel einen Gürtel auß schwartzem Leder etwa finger breit und einer kleinen Schnallen daran" erhalten habe. "Wenn er selbigen umgetahn, ob er gleich alle seine Kleider anbehalten, sey er zu einem rechten Wolff worden." Hier taucht noch ein alter Erzählzug früherer Werwolfgeschichten auf, die von dem sich Verwandelnden das Ablegen und Verwahren der Kleider verlangte, ein Motiv, das in der gelehrten Hexentheorie keine Rolle spielt, das aber bei den Frühformen des Werwolfmythos für die Kontinuität der Seele in der verwandelten Gestalt steht. Nur vereinzelt taucht es bei "geständigen" Werwölfen auf und verweist auf orale Traditionen aus der Zeit vor der Hexenverfolgung. Ansonsten spricht Frank getreu dem Hexenstereotyp, dessen Details die Menschen nun über gut ein Jahrhundert durch Predigt, religiöse Ermahnung, Erzählungen, Richtplatzbesuch und Flugblätter internalisiert haben, davon, "der Teüffel befehle und treibe einen jeden an, allen wo er nur könne Schaden zu tuhn". Und es gibt nur wenige Menschen der Zeit, die nicht an diese Verschwörungstheorie glauben.

Die Kommission gönnt sich eine Mittagspause. Danach geraten Johann Frank im weiteren Verhör einige Daten seiner "Untaten" und "Verführungen" durcheinander, was den Protokollanten merklich verärgert. Sprach er zuvor davon, vor 15 Jahren vom Teufel verführt worden zu sein, so gesteht er jetzt, schon vor 20 Jahren mit "Gifftsalben" ein Kind getötet zu haben. Eher läßt das Gericht eine Wolfsverwandlung durchgehen als solche zeitliche Ungereimtheiten. Aber wie sollte ein einfacher Schäfer dem schnellen Hin und Her der Fragen folgen und zugleich alles tun, der immer drohenden Folter zu entgehen? Der Delinquent wird "endlich gebunden", was seine Wirkung nicht verfehlt. Die "Facta", wie am Rand der Akte vermerkt ist, fließen jetzt noch fleißiger. Auf die Frage "wie oft er sich des Jahrß zu einem Wehr Wolff gemacht und waß er vor Schaden getahn, wolte er anfangß nicht herauß, endlich gestunde er: Des Jahrß habe er sich wohl 9 oder 10 mal zu einem Wehr Wolff gemacht". Auch wenn er meist keinen Erfolg gehabt habe, wie Frank einschränkend bemerkt, habe er aber doch "etliche Stücker an Schaffen und Schweinen erbißen und davon bracht, daß ers hernach heim tragen können und geßen".

Mit dieser vom Verhörpersonal nicht weiter kommentierten Aussage weicht das Homburger Werwolfstereotyp von Aussagen ab, wie wir sie beispielsweise aus frühen Nassau-Dillenburger Werwolfprozessen und jenen im kurkölnischen Sauerland kennen. Dort ist der Werwolf unter anderem dadurch gekennzeichnet, daß er kein Fleisch von dem "erbissenen" Tier zu sich nehmen kann. Als mögliches Indiz war das in der "Instruction" von 1634 des kölnischen Hexenjuristen Heinrich von Schultheiß so formuliert: "Ob einer frisch ungekochtes Fleisch außgeworfen, dann die Werwölffe pflegen das vom niedergerissenen Thier gefressenes Fleisch widerumb außzuwerffen." (26)

Kehren wir zu Johann Franks letzten Verhörtagen zurück, der am Dienstag, den 21. August 1654, den nächsten folgenschweren Schritt in eine Sackgasse tut, dabei aber Charakter zeigt. Zum Bedauern der Kommission ist der Scharfrichter an diesem Tag bei einem der anderen Delinquenten beschäftigt. Frank ist also nicht unmittelbar von der Tortur bedroht und sogleich revoziert er alle bisherigen Geständnisse und Besagungen. Ist dies mangelnde Weitsicht oder entspricht dies dem instinktiven und natürlichen Handeln eines Menschen in besonderer Notlage? Hat man nicht vom Menschen unter normalen Lebensumständen schon gesagt: Alles was der Mensch tut, tut er, um einem Schmerz zu entgehen? "Er habe sich vor der Marter geförcht", sagt Frank, "und also die Unwahrheit gesagt, wolte zwar den Tod leiden, aber diese seine unwahre getahne Bekantnuß nicht auf seinem Gewißen behalten, die weil er denen Denominierten (Besagten) Leüten und sich Unrecht getahn. Er sey kein Zauberer." Es ist das letzte Aufbäumen eines Menschen, der nach seiner verlorenen Würde greift.

Die Revokation hat die üblichen Konsequenzen. Am folgenden Mittwoch wird Frank sogleich entkleidet und mit dem Folterhemd angetan. Man setzt ihm die Beinschrauben bis er ausruft, er "wolle bekennen. Er sehe doch wohl, daß es nicht helffe." Doch dann kommt es zu einem Zwischenfall, der den verlorenen Zustand des Delinquenten nur zu deutlich beschreibt: "Alß solches geschehen und er zu reden anfangen wolt, sperrte er das Maul auf und streckte alle Glieder, fiel mit dem Kopf hinter sich und fing an über den gantzen Leib zu zittern." Franks Widerstand ist nach diesem Anfall endgültig gebrochen, und kaum daß er zu sich kommt, kehrt er resigniert zu seinem Geständnis vom Montag zurück.

Man dringt weiter in ihn und verlangt Auskunft über den Verbleib des Gürtels. "Er stecke", so Frank, "in einem Gebund Stroh oben auf der Scheüer Gerüst. Wenn ihn der böße Feind nicht verrückt, würde er alda noch zu finden seyen." Eine solch vorsorglich formulierte Auskunft findet sich bei nahezu allen Werwolfverfahren. Sie kündigt den Mißerfolg einer sogleich veranlaßten Suche an. Auch im Fall des Schäfers Frank kehren die Schöffen Knock und Schneider erfolglos von ihrer Suche zurück und geben ihrem Bericht den angemessenen Kammerton, wenn sie erklären, "es hätte geschienen, alß wenn jemand über dem Bund Stroh gewesen" sei. Dieses in zahlreichen Verfahren wiederkehrende Muster erweckt gewissermaßen den Anschein eines realen Beweismittels, das zugleich durch glückliche Fügung, nämlich auf magische Weise, vom Teufel selbst beseitigt worden war. (27)

Der Schäfer Johann Frank hat sich aufgegeben. Jetzt läßt ihn das Gericht eine Woche tatenlos im Turm warten. Aus Angst vor dem Teufel, wie er sagt, hatte er noch vergeblich darum gebeten, an einem anderen Ort untergebracht zu werden. Erst am Dienstag der folgenden Woche, am 29. August 1654, steht er wieder vor der Kommission, um seine bisherigen Aussagen zu "ratifizieren". Trotz erneuter Androhung der Folter dringt er noch darauf, den Namen einer Frau aus Gonzenheim aus der Besagungsliste zu streichen, "will auf übrigeß seelig sterben". In der ersten Septemberwoche 1654 wird Johann Frank, genannt Schäfer-Johann, hingerichtet. Der gräfliche Rat Hünefeld hatte der Akte noch die Bemerkung angefügt: "Obgleich dieser alte Gesell mehr Untaten als bekannt begangen, so sind es dieser doch genug, um ihn mit dem Feuer vom Leben zum Tod zu bringen".

Keineswegs ungewöhnlich ist die Tatsache, daß das letzte Dokument von Johann Franks Verfahren nahezu textidentisch ist mit der "Ratifikation" seines Mitgefangenen und Schäferkollegen Johann Schling, (28) die am gleichen Tag und vom gleichen Protokollanten niedergeschrieben wurde. Ohnehin gleichen sich beide Besagungslisten wie ein Ei dem anderen und beide besagen im letzten Moment noch eine "Cammerfrau". Man könnte diese auffällige Parallelität ihrer gemeinsamen Haft und gemeinsamen hilflosen Absprachen zuschreiben. Da beide Männer sich jedoch gegenseitig besagt haben, also nicht gut aufeinander zu sprechen waren, darf man mit größerer Wahrscheinlichkeit die Ursache beim Verhörpersonal und seinen zielführenden Vorgaben suchen, das an synchronen Geständnissen mehr als interessiert war. Beide Delinquenten hatten ja mit dem gleichen Teufel zu tun.

Daß man den 40jährigen Schäferkollegen Johann Schling, der gleichfalls berufsmäßig mit Tieren befaßt war, erst gar nicht nach magischen Praktiken und Tiersegen befragte und ihn auch nicht mit dem Werwolfvorwurf konfrontierte, läßt sich auf eine simple Erklärung zurückführen. In seinem Fall bevorzugt die Kommission ein einfacheres und schlüssigeres Indiz. Die Mutter des Beklagten, Else Schling, (29) war im Vorjahr als Hexe verbrannt worden. Da im Hexenstereotyp festgelegt war, daß teufelsverbandelte Hexen ihre Kinder - wenn sie nicht gar vom Teufel selbst abstammten - selbstverständlich dem Teufel zuführten, war die "ererbte" Hexerei noch immer eines der besten Beweismittel im Hexenprozeß, das für die nötige Fallhöhe sorgte und auf dem sicheren Weg über die Folter meist auch zum gewünschten Bekenntnis führte.

Bei Adam Filz, Schling-Adam genannt, dem anderen von Johannes Reukel als Werwolf benannten Homburger Bürger, zeigt sich ein anderes Muster. Er wird "auf gräflichen Befehl" am 4. April 1654 zur Haft genommen und einem ersten gütlichen Verhör unterzogen. Anfangs lacht auch er "höhnisch" über die Vorwürfe und Besagungen, die schließlich von 17 Personen gegen ihn erhobenen worden waren. Neben Philipp Mörlen hatten ihn seine Ehefrau, die Klingen-Dorte (30) und die Hüt-Anna, (31) die beide schon im Februar 1654 hingerichtet worden waren, auch als Werwolf besagt. Filz erklärt dazu: Seine Frau und die anderen "hätten auf ihn gelogen".

Besonderes Gewicht haben in diesem Verfahren die Auskünfte, die vom schlechten Ruf und dem "unsittlichen" Lebenswandel des Angeschuldigten sprechen. Die Schöffen Knock und Kappes sagen aus, daß keiner der Nachbarn mit dem aus Holzhausen zugezogenen Filz gerne zu tun haben wollte. Er sei streitsüchtig, geizig, verschlagen und "heimlich". Mehrfach sei er bei Diebstählen ertappt und deswegen gerichtlich bestraft worden. Auch habe er mit der Klingen-Dorte eine "schlechte Ehe geführt", sie hätten "mit einander gezanckt und geschlagen". Darüber hinaus beschuldigen sie ihn eines außerehelichen Verhältnisses mit seiner Schwägerin, der Zwicken-Eva, (32) bei der er "besser Gunst gehabt" als bei seiner Ehefrau. Schließlich hätte Filz sich auch für eine Zeit nach Frankfurt abgesetzt, um sich als Soldat zu verdingen. Dort habe er nach eigenen Worten auch das Zaubern gelernt und sei seit seiner Rückkehr deshalb im Gemurmel gestanden.

Die Schöffen zeichnen also das wenig freundliche Bild eines ungeliebten Ortsfremden, "mit dem niemand Gemeinschaft" suchte. Darüber hinaus gilt Filz als Angeber, der mit seinen Sprüchen die Menschen beeindrucken und in Furcht versetzen will. Von seiner Schwägerin Eva Braun notierte das Protokoll, daß er "ein Wehrwolff sei, habe er ihr selbsten gesagt". Schon am nächsten Morgen, dem 5. April 1654, bricht Adam Filz Widerstand unter der Folter zusammen, und er gesteht alle ihm vorgehaltenen Giftmorde an Kindern und Tieren. Auch findet er für den "Wehrwolff Gürtel, welcher ganz haaricht, gleich von einer Rehhaut gewesen" eine plausible Herkunft. Er habe ihn von der Bierbrauerin (33) erhalten, die man 1634 unter anderem wegen des von ihrem Mann ererbten Werwolfverdachtes verurteilt hatte. "Wann er solchen umb den Leib getahn, wehre er so bald ein Wehr Wolff worden und habe können hinlauffen, wo er gewollt". Mit seiner Aussage, daß er sich verwandle, "ohne seine Kleider abzulegen", bestätigt auch Filz, daß im Zuge der Verfahren dieser alte Erzählzug aus dem ehemaligen Bild des Werwolfs herausgefallen war, von dem noch die Hirten bei den Herborner Prozessen Anfang des Jahrhunderts berichteten.

Bisweilen mag man bei der Lektüre der Protokolle vergessen, daß es die Worte des Verhörpersonals sind, gefiltert durch deren Sprach- und Denkwelt, nicht die wortgetreue Wiedergabe von Aussagen der Beklagten. Das bringt uns der gräfliche Rat Hünefeld, der an diesem Tag die Niederschrift besorgt, deutlich in Erinnerung, wenn der Vorgang von Adam Filzens Rückverwandlung mit folgenden Worten beschrieben wird: "Und habe Transmutation durch Abbindung des Gürtels all zeit selbst verrichtet." In der Sache jedenfalls werden die sogleich ausgeschickten Schöffen nicht fündig. Das Corpus delicti ist ebenso wenig im Hause "an einem Nagel", wie man es in Franks Scheune vergeblich gesucht hatte. Filz quittiert diesen Sachverhalt mit der wenig überraschenden Feststellung, "der böse Feind habe ihn zu sich genommen, der sey ein arger Schelm, darüber habe er seine Macht".

Mit der Hinrichtung des Adam Filz, der zwei Monate nach seiner Frau und seiner Schwägerin den Tod findet, hat das böse Spiel noch nicht sein Ende. Der Tochter der beiden, "ein hübsch Mensch und reich", haftet dieses Schicksal an wie eine Klette. "Niemand hat sie zur Frau haben wollen, weil ihre Eltern als Hexen verbrennt wurden", heißt es in ihrer Akte. (34) Als einziger hatte schließlich Kaspar Niederurseler es gewagt, das Mädchen zu heiraten. Aber die Sache wurde dadurch nicht einfacher, denn die Mutter des Bräutigams, Anna Wolle, Färber-Anna genannt, (35) war zusammen mit Adam Filz am 19. September 1654 hingerichtet worden. Das doppelte Schicksal einer Hexenerbschaft zieht die junge Frau schon im folgenden Jahr 1655 in ein Verfahren.

Werfen wir noch einen Blick auf den dritten Werwolf-Beklagten, der in diesem Jahr in Homburg abgeurteilt wird. Wenig wissen wir über die Lebensumstände des 40jährigen Johann Philipp Mörlen (auch Merle genannt). (36) Seine schmale Akte enthält neben den vier Folioseiten seiner Urgichten (Zusammenfassung des Geständnisses) nur noch die Bittschrift seiner Ehefrau Margarete, den Leichnam ihres Mannes der Ordnung gemäß begraben zu dürfen, was ihr im übrigen nicht gewährt wird. Mörlen gesteht "gütlich", wird deshalb zum Schwert begnadigt, aber noch an der Hinrichtungsstelle verscharrt. Auch sein Geständnis folgt dem Stereotyp und listet all die üblichen Hexereidelikte auf, die von der Verführung zur Zauberei, über den Teufelspakt, die unzüchtige Buhlschaft bis zum Teufelsmal reichen. Bei den Tänzen habe er einen Offiziersrang inne gehabt und neben Mordtaten an Mensch und Tier habe er mehrere Jahre "mit anderen Hexen Feldfrüchte, Obst und Geblüms verdorben". Auch Homburger Spezialdelikte wie "teuflische Nachäffung des Abendmahls" und satanische Kindertaufen fehlen nicht. Die Wolfsverwandlung ist in den Urgichten zwar nicht zu finden, doch in der Indizienliste des Adam Filz wird auf eines der - wohl verlorenen - Verhörprotokolle Mörlens verwiesen, demzufolge er gestanden hatte, "daß Er ein Wehrwolff geweßen, wie in gleichen Schling-Adam (=Adam Filz)".

In den Akten ist eine Notiz überliefert, die ein scharfes Licht auf die Verhörsituation wirft und zugleich die Rolle des Scharfrichters kennzeichnet, der in der Regel nur beim "peinlichen" Verhör assistierte und für die Androhung und Durchführung der Tortur zuständig war. Angesichts der Fülle von Verfahren, die in diesen Monaten zu bewältigen sind, hatten die Homburger Räte eigens den Herborner Scharfrichter als Verstärkung angefordert. Dort hatte man mit "Werwölfen" reichlich Erfahrung gesammelt. In den Jahren von 1587 bis 1600 und 1629/30 waren allein in Herborn zehn Hirten hingerichtet worden, die das Delikt der hexerischen Wolfsverwandlung eingestanden hatten. Typische Fahndungsbilder, wie sie bei Werwolf-Verdächtigten eingelöst sein mußten, konnten auch auf dem Weg eines solchen Henkeraustausches gründlich ergänzt, wenn nicht gar verbreitet werden.

Besagte Notiz bescheinigt dem Herborner "Meister Hans" besondere Qualitäten im Umgang mit solchen Delinquenten, die sich nach Meinung des Gerichtes beim Verhör allzu widerspenstig zeigten. Ein solches Verhalten legt auch Mörlen bei seinem erstem Verhör an den Tag, als man ihn mit der 16jährigen Kunigunde konfrontiert. Noch während sie ihre Beschuldigung wiederholt, wird er handgreiflich. Daraufhin zieht man sofort den Herborner Scharfrichter hinzu. Man holt ihn aus dem Verhör der Klingen-Dorte, die er nach einstündiger Tortur gerade dazu gebracht hatte, zu ihrem widerrufenen Geständnis zurückzukehren. Zwar ist man bei Mörlen noch beim "gütlichen" Verhör, aber allein die Anwesenheit des Herborner Scharfrichters reicht aus, daß er nun ein volles Geständnis ablegt.

Der diensttuende Kommissar schildert die Szene dem Rat Hünefeld in folgendem Vermerk: "Johann Philipp Mörlen hab ich heute morgen in der Kanzlei die Indizien vorgehalten und mit der Kunigunde konfrontiert, welcher das Mägdlein, neben dem Herrn Hofmeister stehend, also darniedergeschlagen und tracktieret, daß, wenn ich nicht den Schelm zurückgestoßen, er das Mägdlein wohl umbringen mögen, dabei sprechend: wir sollten uns wohl vorsehen, daß nicht die, welche ihn für einen Hexenmeister hielten, selbst als Hexen vor ein Halsgericht gestellt würden. Ich habe ihn zur Haft nehmen lassen. Gott gebe ihm Gnade. Meister Hans von Herborn gefällt mir sehr wohl und möchte mir wünschen, daß ich ihn alle Zeit haben könnte, wenigstens bei den vornehmsten; mit ihm könnte der Sache schnell ein Ende gemacht werden". (37)

Die Homburger Verfahren gegen Werwolfbeschuldigte wurden ausführlicher dargestellt, um deutlich zu machen, daß dieser Vorwurf der dämonischen Tierverwandlung, wie er von der gelehrten Hexentheorie entwickelt worden war, mehreren Mustern folgen konnte. Wenn wir den Fall der 1634 angeklagten Bierbrauerswitwe Anna Harpf aus Köppern (38) hinzunehmen, zeigen sich hier allein drei Varianten, nach denen ein Verdächtigter mit dem Werwolfverdacht konfrontiert werden konnte. Die erste aus dem Modell des Schadenzaubers entwickelte Variante richtet sich gegen Personen, die in Verdacht geraten, weil sie professionell mit Tieren umgehen. Es sind die Schäfer, Rinder-, Schweine- und Pferdehirten, die auch andernorts unter den Opfern überproportional vertreten sind. (39) Zu ihrer Tätigkeit gehören - wie im Fall des Schäfers Johann Frank - neben der volkstümlichen Kräutermedizin seit alters auch magische Praktiken zur Krankheitsabwehr und zur Abwehr der Wölfe. Das Modell vom Schadenzauber, das dieses traditionelle Handeln zunehmend diskriminiert, bringt die Schäfer und Hirten leicht ins Gerücht.

Die zweite Homburger Variante des Werwolfvorwurfs, der wir hier begegnen, bezieht sich auf ein Fahndungsbild, bei dem der sittliche Lebenswandel, vor allem sexuell abweichendes Verhalten im Mittelpunkt stehen. In dieser Zeit, in der die Kräfte von Reformation und Gegenreformation ihre Klientel fester an sich zu binden suchen, propagiert man eine strengere Moral und eine neue Erziehung des Untertanen. Dabei wird das Spektrum sexueller Fehlverhalten nicht nur erweitert, sie rücken auf der Skala der kriminellen Delikte auch an die oberen Plätze. Ein solches Muster finden wir bei Adam Filz, dem übel beleumdeten Ortsfremden, der nicht nur eine "schlechte Ehe" führt, sondern dem zugleich ein außereheliches Verhältnis mit seiner Schwägerin nachgesagt wird. Während die Genese im Fall des Johann Philipp Mörlen wegen der schmalen Aktenlage kaum mehr rekonstruierbar scheint, steht die Bierbrauerswitwe Anna Harpf schließlich für eine dritte Variante, bei der, abgeleitet aus der Werwolfberüchtigung ihres verstorbenen Ehemannes, ein ererbter Verdacht zur besonderen Aufladung des Verfahrens führt.

3. Varianten des Werwolf-Stereotyps

Der Vorwurf der Wolfsverwandlung im Hexereiprozeß, so könnte eine erste Zwischenbilanz lauten, zeigt sich als variabel einsetzbares Instrument bei der Ursachensuche von Schäden bei Mensch und Tier. Schon bei den Homburger Beispielen wird deutlich, daß dieser Topos zugleich als flexibles, multifunktionales Mittel der sozialen Kontrolle und zur Konfliktlösung dient und keineswegs nur bei männlichen Beschuldigten Anwendung findet. Im Folgenden soll nun versucht werden, die in Homburg vorgefundenen Muster an anderen Beispielen zu belegen und weitere typische Varianten aufzuzeigen.

3.1. Hirten und Segner
Werfen wir zuerst einen Blick in die nächste Nachbarschaft, in die Grafschaft Nassau-Dillenburg. Dort geraten die Wahrsager und Tiersegner, die bisher immer noch geduldet waren, spätestens seit den 1590er Jahren ins Blickfeld der Dorfobrigkeiten und Geistlichen. Die Landesherrschaft ist anfangs zögerlich, zumindest vorsichtig und dringt mit dem Hexenerlaß von 1582 auf genaue Prüfung der erhobenen Vorwürfe. Erst mit dem Tod des Grafen Johann VI. (1536-1606) werden "Segnerey und dergleichen abergläubische Dinge" (40) mit peinlichen Strafen bedroht. In dieser Region mit verbreiteter Weidewirtschaft geraten vor allem die Hirten mit ihrer Benediktionspraxis in ernste Schwierigkeiten. (41) Bis weit ins 18. Jahrhundert sind sie die einzigen Tierärzte, an die sich die Bauern wenden können. (42) Anfangs versucht man die Segner mit Kirchenbußen und der Auflage zur öffentlichen Selbstbezichtigung von ihrer Praxis abzubringen. Doch dann wird die Gangart härter. Nach einem Viehsterben kommt 1582 als erste eine Frau in Haft, die Hirtin und Segnerin Katharina aus Wissenbach, Crein genannt. (43) Zum ersten Werwolfprozeß - von insgesamt einem Duzend - kommt es fünf Jahre später, als der aus dem Lippischen stammenden Küh-Ludwig 1587 angeklagt wird. (44) Bis zum Jahre 1600 folgen drei weitere Hirten, die als geständige Werwölfe hingerichtet werden. (45)

Es handelt sich vorwiegend um alte Männer, die nicht mehr in Lohn und Brot stehen und sich vor allem durch den Verkauf des "Wolfssegens" durchzuschlagen versuchen. Bisweilen helfen sie dem Willen ihrer Klientel auch etwas nach und drohen, "den Wolf in den Pferch zu schicken", was sie keineswegs beliebter macht. Natürlich bedienen sie sich auch all der Tricks, die unter den Segnern seit alters geläufig sind, um die Bauern von der Wirksamkeit ihrer Magie zu überzeugen. Wer heimlich Wolfskot in die Nähe der Tiere brachte, so beschreibt der Klevische Arzt und Gegner der Hexenverfolgung Johann Weyer eines dieser betrügerischen Mittel, (46) versetzte sie derart in Unruhe, daß ihre Besitzer bereitwillig nach Abhilfe verlangten. Wurde nach dem Segen das wirksame Material heimlich wieder entfernt, beruhigte das nicht nur augenfällig die Tiere, sondern bescherte dem magischen Ruf des Segners zumeist auch neue Kundschaft.

Nach einer gewissen Beruhigung kommt es Ende der 20er Jahre des 17. Jahrhunderts wie in anderen Gebieten auch in der Region um Dillenburg und Herborn zu einer der größten Verfolgungswellen, der 158 Menschen zum Opfer fallen, darunter 19 Männer. Fünf von ihnen werden als Werwölfe angeklagt: Michels Jost, Joachims Jost genannt, der Hirte von Driedorf (47), Henrich Schäfer, der Hirte von Hohenroth (48), Conrad Vogler, der Hirte von Bicken (49) und der Rotenberger Hirte Adam Cuntzen (50). Johann Jacob Henrich (51) aus dem zu Herborn benachbarten Offenbach ist zwar Schulmeister und kein Hirte, betreibt aber ebenfalls die Tiersegnerei. Daß er unter die Werwölfe gezählt wird, hängt freilich auch mit dem Erbe aus seiner Vätergeneration zusammen, die schon in diesem Gerücht gestanden hatten. Nach Artikel 44 der Carolina war die ererbte Zauberei eine "gesetzliche Vermutung". Zudem trägt er stets die "Westerhaube", die Eihaut oder "Glückshaut" seiner Tochter in einem Beutel mit sich, die auch andernorts als eines der Verwandlungsmittel gilt. (52) Er ist der einzige der vermeintlichen Werwölfe, der der Hand des Scharfrichters entkommt. Im Jahre 1630 kündigt sich das Ende der Dillenburger Verfolgungswelle dadurch an, daß sich von den 25 gegen ihn aufgerufenen Zeugen kaum mehr als eine Handvoll noch zu einer gerichtlichen Aussage bewegen läßt.

Im Falle des Nikolaus Gamber aus Staffel, (53) der 1618 vom eigenen Sohn angezeigt und von seiner Ehefrau als Werwolf bezichtigt worden war, kam das "Erbe" von seiner Schwester Merg, die man 1589 als "Zaubersche" hingerichtet hatte. Da Gamber aber nicht zu den Ärmsten gehörte und sich rechtzeitig einen kundigen Verteidiger aus Limburg besorgt, gelingt es noch vor einer Festnahme und Folter die innerfamiliären Streitigkeiten aufzudecken und das Verfahren niederzuschlagen. Als letzter der Dillenburger Werwölfe steht Adam Schmarr (54) vor Gericht. Er wird bei einem der späten Nassauer Hexereiprozesse im doppelherrischen Amt Werheim und Anspach angeklagt, die ihre Ausstrahlung bis nach Homburg hatten, wie oben erwähnt. Durch die Mitwirkung der kurtrierischen Mitherrschaft, die sich bei diesen Verfahren eher dämpfend als fördernd auswirkte, kommt Adam Schmarr, der ebenfalls von der eigenen Frau und mit Hinweis auf alte Verdachtsmomente aus dem Jahr 1633 angezeigt worden war, zu einem der seltenen Freisprüche.

3.2. Wolfspaniken
Ein anderes Muster für Werwolfprozesse zeigt sich als Antwort auf spektakuläre Raubzüge, die von der Bevölkerung einem besonders aggressiven Wolf zugeschrieben wurden, einem Tier, das ohnehin "dem vielfältigsten Haß ausgesetzt war", wie der aus Hadamar stammende Dichter Johannes Lorichius (+1569) in seiner "Elegia de Lupo" von 1548 formulierte. (55) Ein Beispiel dafür finden wir gleich in der benachbarten Grafschaft Nassau-Weilburg, wo 1656 drei Männer als Werwölfe angeklagt sind. Da nur noch Fragmente der Prozeßakten vorhanden sind, ist die genau Genese der Verfahren nicht eindeutig zu rekonstruieren. Sie richten sich gegen Peter Schöffer aus Reichenborn, der schon unter der Folter verstirbt, gegen Caspar Bruder aus Merenberg, der sich aus dem Fenster des Rathauses in den Tod stürzt und gegen Johann Preusser, der als einziger dem Henker lebend in die Hände fällt. Schöffer hatte unter der Folter gestanden, mit seinen Kumpanen "nit alle Jahr 20 Kinder im Land und benachbarten Ort umgebracht" zu haben. Daß diese Verfahren mit einem solchen Wolfsangriff in Zusammenhang stehen, läßt sich heute allerdings nur mit dem Eintrag im Kirchenbuch der nicht weit entfernten Gemeinde Wörsdorf belegen. Unter dem Datum vom 29. Juli 1653 wird dort vom Tod eines Kindes berichtet, das von einem Wolf geraubt worden war und von dem man in den umliegenden Feldern nur noch Kopf und Eingeweide hatte finden können. In späteren Jahren hatte der Pfarrer dem Bericht folgenden Passus angefügt: "Ist ein Werwolf gewesen, welcher nachgehens zu Weilburg ist verbrannt worden. Er hat diese und andere Taten gestanden." (56)

In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges war eine systematische Bejagung zumeist unterblieben und die Populationen der Wölfe hatten überall zugenommen. (57) Als in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts die Jagd im Weilburger Gebiet wieder aufgenommen wurde, erlegte man in manchen Jahren bis zu 200 Tiere. 1683 wurden allein im Gebiet um Montabauer 600 Wölfe erlegt. (58) Darüber hinaus hatte man es, wie Wolfbiologen meinen, mit einer neuen Generation von Wölfen zu tun, die sich durch Leichenfraß von flüchtig bestatteten Kriegsopfern an den Geruch des Menschen gewöhnt und die übliche Scheu vor menschlichen Behausungen abgelegt hatten. Im nun installierten Hexereiverfahren bot sich für die verbreitete Wolfsangst (59) eine Art Bewältigungsstrategie vor allem dann, wenn unter den Opfern Kinder zu beklagen waren.

Hermann Löher, der nach Amsterdam geflohene ehemalige Rheinbacher Schultheiß und Schöffe, zeichnet im 21. Kapitel seiner programmatischen Schrift gegen die Hexenverfolgung einen solchen Werwolfprozeß aus dem Jahre 1632 nach. In dem kleinen Dorf Todenfeld, "von Köln in den tiefen Tälern auf dem Weg nach Trier" gelegen, waren "zwei verwahrloste Kinder von 7 und 8 Jahren von natürlichen Wölfen hinweg geraubt worden". Aber der Richter Dr. Johann Moeden und der Flerzheimer Schultheiß Augustin Strom "wollten um des Ruhmes und des Ansehens wegen auch einen Werwolf haben, fangen und verbrennen. Und das mußte eben Jacob-die-Faust mit zwei Armen, aber nur einer Hand sein. Er ist also auch als Werwolf verbrannt worden". (60)

Auch die Freigrafschaft Burgund, die noch unter Habsburgischer Herrschaft stand, wird während der Religionskriege im 16. Jahrhundert und dann auch im 17. Jahrhundert immer wieder von traumatischen Wolfsinvasionen heimgesucht. Ein Großteil der 36 Werwolfprozesse, die für diese Region bisher aktenmäßig belegt sind, können auf solche Paniken zurückgeführt werden. In den Jahren zwischen 1500 bis 1599 spielt dort bei 20% der tödlich verlaufenden Hexenprozesse der Werwolfvorwurf eine Rolle. Nachdem gelehrte Juristen das theoretische Fundament dazu gelegt hatten, wird das Werwolfstereotyp auch zunehmend auf Frauen angewendet. Während in den Jahren von 1520 bis 1570 noch 78% der vermeintlichen Werwölfe Männer waren, erreicht der Anteil der Frauen in den Jahren von 1580 bis 1670 bereits 48%. (61)

Beispiele von durch Wolfspaniken ausgelöste Werwolfprozesse lassen sich in fast allen Regionen finden. Als man 1584 im Entlebucher Land, in der Luzerner Gegend, wochenlang nach einem offensichtlich erfahrenen und vorsichtigen Wolf vergeblich gejagt hatte, was nur mit dem Teufel zugehen konnte, wie die Leute sagten, wird die scheinbar Schuldige in der Person der Elisabeth Hilltbrandt gefunden. Sie gesteht dann auch, dem Teufel in Wolfsgestalt Gesellschaft geleistet zu haben. "Do habe er sy gheissen uff ime sitzen ... und also sye er mit iren in einer gestallt eines wolffs davon gfaren. Unnd wan man inne schon an einem ortt gspürt habe, sye er glich an einem anderen ortt gsyn." (62)

Eine der bekanntesten deutschen Werwolfgeschichten, die mit einem Hexereiprozeß eigentlich nicht das geringste zu tun hat, aber von diesem dämonologischen Muster imprägniert ist, hat ihre Wurzel in einer solchen Wolfsattacke. Der "Werwolf von Ansbach" war in der Tat nur ein Wolf, der im Sommer des Jahres 1685 die Menschen in der Region allerdings über Monate hinweg in Atem hielt, ehe man ihn endlich in einem Brunnen fing und erlegen konnte. Dem Kadaver zog man anschließend die Haut ab, hüllte ihn in menschliche Kleider und hing ihn mit einer Larve über der abgeschnittenen Schnauzte wie einen Missetäter an einem eigens aufgerichteten Galgen auf. (63) Als Deutungsversuch für die lange vergebliche Jagd ersannen die Menschen die Geschichte vom unbeliebten und rätselhaft reichen Bürgermeister Michael Leicht, der nach seinem Tode als Wiedergänger die Gestalt dieses Wolfes angenommen haben sollte. (64) Flugblätter und gelehrte Abhandlungen (65) machten den Fall weit über die Region hinaus in Deutschland bekannt. Schon wenige Jahrzehnte später fand sich die Begebenheit in den ersten deutschen Sagensammlungen.

Unter den Gegnern der Hexenverfolgung hat man schon früh auf "natürlichen" Gründen für solche beunruhigenden Wolfsattacken bestanden. Löher beispielsweise berichtet von den "grossen und starcken Hunden" (66) des Klosters Schweinheim in der Region Münstereifel, die das Vieh auf den Weiden schützen und die Wölfe vertreiben sollten, eine Praxis, die man auch in den Cevennen und anderen Weideregionen Frankreichs kannte. Da die Tiere zumeist aber unbeaufsichtigt und frei herumliefen, verwilderten sie und paarten sie sich gelegentlich auch mit Wölfen. Nach Meinung des Wolfsbiologen Ronald D. Lawrence entstanden daraus vermutlich jene "historischen Killer-Wölfe", besonders aggressive Hybriden, wie man bei Nachzuchtversuchen in den USA nachzuweisen versuchte. (67)

3.3. Mit der Armut auch die Hexerei geerbt
Doch kehren wir in die hessische Region zurück, oder zumindest in das den Nassauischen Grafschaften benachbarte Herzogtum Westfalen, das damals unter kurkölnischer Herrschaft stand. Im Jahr 1630 kam es im sauerländischen Amt Oberkirchen zu einer Prozeßlawine, bei der nach Ablauf von 65 Verfahren 55 Menschen hingerichtet wurden und zwei schon unter der Folter starben. (68) Auch in diesem südöstlichen Zipfel des westfälischen Herzogtums finden wir eine auffällige Häufung von gleich neun Werwolfprozessen in diesem einen Jahr. Sechs Kleinbauern aus den Dörfern Astenberg, Nieder- und Mittelsorpe gestehen, sich in Wölfe verwandelt zu haben. Auch wenn sich die sauerländischen Frauen bevorzugt in Hasen, Füchse ("Vosse") oder gar Hunde verwandelten, erklären die Bäuerinnen Greta Schorten aus Nordenau und Clara Heßmann aus Holthausen, daß sie "die Kleider abgelegt, einen roten kahlen Gürtel umbgetan und in Wolfsgestalt" die üblichen Hexendelikte begangen hätten. Die Bettlerin Gertrud Volmar aus Westerfeld sei, wie sie unter der Folter gesteht, "als Werwolf auf den Hohen Knocken gelaufen". (69) Hier treffen wir wieder auf einen der alten Erzählzüge. Evert Kemper und Johann Möller brauchen nicht nur einen roten oder grauen Gürtel, um die Verwandlung zu bewerkstelligen, sie müssen zuvor auch die Kleider ablegen.

Die Oberkirchener Hexenprotokolle sind in der herangezogenen Arbeit nur in Auszügen dokumentiert und die Entstehungsgeschichte einzelner Verfahren ist nicht im Detail zu rekonstruieren. Bei der Mehrzahl der Hingerichteten sind es wohl die erbärmlichen Lebensumstände, die sie ins Gerücht brachten, wie das auch bei einem ansehnlichen Teil der Werwolfverfahren in der Freigrafschaft Burgund der Fall war. Bei zwei der Beklagten begegnen wir zugleich auch dem verhängnisvollen Erbe. Der Witwer Heinemann Pieper aus Niedersorpe hat mit der Last zu kämpfen, daß schon seine Mutter und seine beiden Brüder verbrannt worden waren (70) und der Bauer Evert Dietherichs gesteht unter der Folter, daß auch sein Vater schon verbrannt worden war. (71) Wie beim allgemeinen Hexenstereotyp vergrößert das Motiv des ererbten Schicksals auch beim Werwolfprozeß die nötige Fallhöhe. Bei Peter Breitmoser, (72) der 1664 im schweizer Entlebuch (Region Luzern) als Werwolf hingerichtet wird, sind es Mutter und Tante. Bei der 1631 hingerichteten Witwe Stein Reichmann aus dem Nassauischen Frohnhausen war es die Mutter, die schon im Gerücht gestanden hatte, daß sie "als Werwolf ins Korn gelaufen sei". (73)

Bisweilen schlägt die Richtung der "Erbschaft" auch eine Volte, wie im Verfahren gegen Hans Lütke. (74) Im Jahre 1686 waren auf Gut Schmoel im Norden Holsteins mehrere Menschen an einer geheimnisvollen Krankheit gestorben und man hatte Mette Schlaus als vermeintliche Urheberin dieser Epidemie ausfindig gemacht. Im Verhör besagt sie schließlich auch ihren Vater Hans Lütke, der sich unter der Folter dann gar als Werwolf offenbart. Zusammen mit seiner Tochter und zwei weiteren Frauen wird er am 23. April 1686 hingerichtet. (75)

3.4. Vom Schimpfwort zum Prozeß
Schon vor karolingischen Rügegerichten wurde gegen Zauberer verhandelt. Dabei mußte nicht der Kläger den Beweis führen, sondern der Beklagte hatte sich durch Eid oder Gottesurteil zu reinigen. (76) Aber selbst in den Hoch-Zeiten der Hexenverfolgung führte die Belegung eines Menschen mit den Begriffen Werwolf, Werwulf oder Behrwolf nicht zwangsläufig zum Zaubereiverdacht und in den Prozeß. Dies gilt selbst für Gebiete mit auffälliger Häufung von Werwolfprozessen, wie Alfred Höck an zahlreichen Beispielen aus Hessen nachgewiesen hat. (77) Einen Menschen einen Werwolf zu nennen, gehörte vielerorts zu den gewöhnlichen Injurien und wurde als Schimpfwort auch vom Verhörpersonal im Hexenprozeß verwendet, wie Löher mehrfach beklagt: "Wenn dann die dritte oder vierte unchristliche Folter begonnen hat und noch immer nicht das schändliche Lügenlaster auf das Opfer und andere unschuldige Leute geladen wurde, dann schelten die falschen Richter die frommen Männer als stumme Hunde, als Gottesverleugner, Werwölfe und Wettermacher. Die tugendreichen Frauen aber nennen sie Teufelshuren." (78)

In der Regel konnte eine solche Injurie auf Betreiben des Beschuldigten vor eigenen Rügegerichten verhandelt werden. Es kam auf diese Gerichtsbarkeit im Vorfeld des Kriminalverfahrens an, ob eine Rehabilitierung erfolgte. In Holstein mußte der Beleidiger den Nachweis führen, daß der Beschuldigte wirklich ein Werwolf war und mußte die Verwandlung mit eigenen Augen gesehen haben. (79) Ein Bauer, der in der Grafschaft Lippe seinen Nachbarn als Werwolf beschuldigt hatte, verweigerte zwar standhaft den Widerruf. "Als ihm Rutenstreiche und Landesverweisung angedroht wurden, wenn er nicht binnen zweier Tage widerrufe", weigerte er sich noch immer, bis man ihn entblöste. (80) Und als im Lippischen Schwelentrup der Schafmeister Lüdeking, dem eine größere Zahl von Schafen abhanden gekommen war, einige Leute aus dem Dorf verdächtigt, ihm die Schaffe "gebissen" zu haben, setzen die sich sogleich zur Wehr und schafften das Gerede, einer von ihnen könnte ein Werwolf sein, mit Nachdruck aus der Welt. (81) Eine Anzeige gegen den Schweinehirten und Segner Adam Gabriel (82) aus dem Nassauischen Löhnberg führte 1604 nicht zum Prozeß, weil sich sein Dienstherr, der Keller von Löhnberg, Friedrich Pampo, sofort für ihn eingesetzt hatte. (83)

Womöglich ist es diese Doppelgesichtigkeit des Werwolfes, die zu der Erwartung führt, der Beschuldigte habe sich formell und zwangsläufig gegen diese Injurie zu wehren. Kaum einer als Hexe beschimpften Frau hätte es wirklich genutzt, wenn sie dies als verbale Injurie behandelt und deswegen ein Rügegericht angerufen hätte. Im Falle der Werwolf-Injurie oder der Beschimpfung als "Hexenmeister" konnte die unterlassene Zurückweisung gefährlich werden, wie man nicht nur aus dem Verfahrenskatalog des kurkölnischen Hexenrichters Heinrich von Schultheiß erfahren kann, der vor allem wegen seiner unnachsichtigen Praxis in Westfalen und im Sauerland zu düsterem Ruhm gelangt war. Nach seiner Indizienliste hatte ein Ankläger gleich unter Nr.8 nachzuforschen, "ob einer für einen Zauberer geschulden vnnd solchs vnuerthäde Passiren lassen". (84)

Und so wird 1628 im sauerländischen Amt Medebach dem Nachtwächter Heinrich Stoffregen unter Punkt 12 seiner Ankageschrift auch folgerichtig vorgehalten, daß er "von jedermann daselbsten für ein Zauberer und wahrwolff gehalten" und er diese Injurie "auf sich sitzen lassen". (85) Unter der Folter gesteht er zwar die üblichen Delikte, verweigert aber ein Werwolf zu sein. Auch im Fall der Grete Adrian, einer Witwe aus Meiste bei Rüthen, wirft man 1655 vor, daß sie sich vor Jahren nicht gegen die Wolfs-Injurie gewehrt habe. (86) Nicht anders ergeht es Jonas Schmitz aus Kirsch, im Territorium der Trierer Abtei St. Maximin gelegen. Auch ihm macht man 1630 das unterlassene Dementi zum Vorwurf: "...ist derselbigh vor ein offener zauberer und behrwolff außgeruffen worden in der fastnach, welches er auch unverantworth uff sich ersitzen laßen." (87) Jonas Schmitz, der auch von seinem Sohn der Wolfsverwandlung mittels eines Gürtels angezeigt war, gelingt freilich die Flucht und der Ausgang des Prozesses ist nicht bekannt.

3.5. Magisch erworbener Reichtum
Das Bild von der mittellosen Frau und der verarmten Witwe, die den Nachbarn oder der Dorfgemeinschaft auf der Tasche liegen, hat das Hexenstereotyp in besonderem Maße geprägt. In der Tat war schon den zeitgenössischen Richtern wie etwa dem berüchtigten Hexen- und Werwolffinder Henry Boguet aus St. Claude im französischen Jura aufgefallen, daß sich seine Prozeßkandidaten vornehmlich aus der unteren Unterschicht rekrutierten. (88) Unter der Vorstellung, daß der Gesellschaft nur eine gleichbleibende Menge von Gütern zur Verfügung stand, die nicht beliebig vermehrbar war, erschien das Verhalten einer Hexe, die - wie es oft in den Akten heißt - dem Nachbar Milch und Butter "aussog", als ein besonders heimtückischer und asozialer Akt des Entzuges von Lebenskräften. Doch das Bild vom "Aussaugen", das sich so leicht mit wölfischem Verhalten verbinden läßt, weil der Wolf oft niederreißt, ohne seine Beute aufzufressen, konnte sehr wohl auf das Muster "Reichtum" übertragen werden, wenn man ihn als Ergebnis aggressiven Handelns empfand. Das erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich, weil die Hexenakten voll sind von Berichten geständiger Frauen, nach denen das vom Teufel erhaltene Geldstück sich schnell in "Pferdsdreck" oder anderen Unrat verwandelt hatte. Aber das Hexenstereotyp erweist sich als überaus dehnbar, interpretationsfähig und nicht nur im Falle des Werwolfs als außerordentlich flexibel.

Im trierischen Moselgebiet beispielsweise sind es, wie Walter Rummel an zahlreichen Verfahren belegt, vorwiegend die Mitglieder der dörflichen Führungsschicht, die wegen "ihres Wohlstandes, ihrer politischen Position und ihrer sozialen Aggression zu Opfern derjenigen werden, die sich dadurch gedemütigt oder übervorteilt fühlen". (89) In Schleswig-Holstein kommen wegen Milch- und Butterzauber zwar vorwiegend Frauen (zu 92-98%) unter Hexereiverdacht. Dagegen schreibt man fast ausschließlich Männern "die unehrliche Bereicherung (und) zu 72% die magische Aggression in Gestalt eines Werwolfs zu". (90) Desgleichen steht im Zentrum der mecklenburgischen Hexereiverfahren gegen Männer vor allem der mittels magischer Praktiken illegal erworbene Reichtum, neben Schatzsucherei und Schädigung von Pferden. (91) In den Niederlanden, wo es zwischen 1594-1601 zu zahlreichen Werwolfprozessen mit Todesurteil kommt, die ab 1601 jedoch in Verbannung umgewandelt werden, (92) steht der Begriff des Werwolfs nicht nur synonym für männliche Zauberei überhaupt, sondern bezeichnet ebenfalls schwerpunktmäßig die zauberisch bewirkte finanzielle Manipulation und Bereicherung. (93)

Dieser spezifischen Aufladung vom Werwolf als dem "Blutsauger" im weitesten Sinne, begegnen wir auch in einem beispielhaften Fall in der reformierten Grafschaft Lippe. Bezieht man das Hochgericht Lemgo mit ein, wurden in diesem hochaktiven Verfolgungsgebiet in der Zeit zwischen 1564 und 1681 mehr als 400 Verfahren durchgeführt, wovon bisher fast ein Duzend bekannt wurden, bei denen der Werwolfvorwurf eine Rolle spielte. Im Fall des Apothekers David Welmann (1590-1669) war es der wirkliche oder nur vermutete Reichtum sowie sein fleißiger Geschäftssinn, der ihn unter Verdacht brachte. Neben der 1629 von ihm selbst gegründeten Hof-Apotheke in der Residenzstadt Detmold, war es ihm gelungen, zusätzlich noch die ältere und bis dahin einzige andere Apotheke in Lippe, die 1633 durch den Tod des Besitzers frei geworden war, als weiteres Unternehmen zu pachten und damit gewissermaßen so etwas wie ein Apothekenmonopol in der Grafschaft zu errichten. (94) Mehrfach wird er durch Gerüchte und erpreßte Aussagen der Hexerei bezichtigt und 1650 schließlich durch ein anonymes Schreiben als "Warwvlf" denunziert. Obwohl Welmann in den Folgejahren die Lemgoer Apotheke wieder aufgibt, wird das Verfahren im Jahr 1669 erneut gegen ihn aufgenommen. Nach Wasserprobe und Folter legt der fast 80jährige Mann ein Geständnis ab, allerdings ohne die dämonische Verwandlung in einen Wolf einzuräumen. Weil er eine stattliche Summe Geldes opfert, wird er vom Feuertod zum Schwert begnadigt und vom Lemgoer Scharfrichter Diedrich Clausens im September 1669 hingerichtet. (95)

Das Lemgoer Verfahren ist unter anderem auch deshalb bemerkenswert, weil mit dem handschriftlichen Denunziationsschreiben von 1650 eine der überaus seltenen Darstellungen eines "Werwolfs" überliefert ist. Auf der (im Original heute leider verschollenen) Handzeichnung entsteigt Welmann in der Gestalt eines Werwolfs dem Kamin seines Hauses, um davonzufliegen. "Der Apotheker flog zum Schornstein hinaus auf sein Dach morgens um drei Uhr", heißt es in den in regionalem Dialekt beigegebenen Zeilen. "Denn er kann in Detmold sein und fliegen aus seinem Schornstein; somit kann er mehr als andere Leute." (96) Gerade weil die Zeichnung nicht aus der Hand eines routinierten Briefmalers oder Illustrators stammt, könnte die Darstellung gewissermaßen als rare authentische Spur und als Zeugnis für eine heute kaum mehr auffindbare orale Tradition gelten. (97) Aber damit wäre die ungelenke Skizze sicherlich überfordert. Ein Dokument für den akuten Neidanfall gegenüber einem "doppelverdienenden" Apotheker ist sie allemal.

3.6. Sexualität und Sittlichkeit
Die sexuelle Aufladung des Hexenstereotyps durch das Moment der "Teufelsbuhlschaft" findet beim hexerischen Werwolf seine Entsprechung. In manchen Regionen vollzieht sich dies als allmählicher Prozeß, wie sich beispielsweise an Nassau-Dillenburger Verfahren beobachten läßt. Bei weiblichen Verurteilten lautet anfangs das Delikt noch "Adulterei" (=Ehebruch). Im letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts wird die Buhlschaft mit dem Teufel zur strafbewehrten Sodomie. (98) Auf der Akte der 1590 hingerichteten Katharina Kremer aus Staffel, (99) wird "Sodomie cum diabolos" vermerkt. Beim ersten Nassau-Dillenburger Werwolffall, dem Prozeß gegen den aus Lippe stammenden Hirten Küh-Ludwig (100) aus dem Jahre 1587, stehen noch Segnerei und Tierschädigung im Mittelpunkt. Aber schon 1600 bei Rolzer Bestgen, dem Hirten aus Emmerichenhain (101) räsoniert das Verhörpersonal über Ruf und Lebenswandel des Delinquenten, "er sei an keinem Ort lange oder beständig verblieben, obwohl eine starke Person von Leib, habe er sich des Landesbettels sehr beflissen, sein Eheweib in großer Armut boshaftig verlassen, sich mit einer Hur behengt." Auf dem Höhepunkt der Verfolgung, in den Jahren von 1628 bis 1630, ist für die Frauen das Delikt Teufelsbuhlschaft im Begriff des "Zaubereilasters" eingeschmolzen. Während das Verhörpersonal die Frauen pflichtgemäß und routiniert danach abfragt, fällt bei den als Werwölfen beschuldigtenn Männern die Ausführlichkeit auf, mit der sich die Befrager nach deviantem sexuellen Verhalten erkundigen und den Delinquenten immer wieder in Zonen sexuell aufgeladener Episoden drängen, die zuvor schon verhandelt worden waren. Offensichtlich ist man bemüht, diesen Themenkomplex möglichst breit zu belegen. Folgerichtig ist als Deliktvermerkt auf der Akte des 1629 hingerichteten Hohenrother Hirten Henrich Schäfer (102) "wegen Behr-Wolff, Zauberei, Sodomitereien" notiert.

Diese Verfahrenslogik, der wir auch 1654 im Prozeß gegen den Homburger Adam Filz begegneten, ist schon bei den frühen Werwolfprozessen in der Freigrafschaft Burgund angelegt. Die Dämonologen aus dem Lager der Verfolgungsbefürworter wie auch die Gegner reichen sich gegenseitig die sexuellen Abnormitäten und sodomistischen Praktiken der beiden Delinquenten vom Jahr 1521, Pierre Burgot und Michel Verdun, hin und her. "Souuent rechangez en loups & couplez aux louues auec tel plaisir qu'ils auoyent accoustumé auec les femmes", heißt es bei Bodin (103) und bei Weyer: "Sie bezeugten auch / wie das sie in jrer Wolffs gestalt mit den Wölffinnen zuhantlen gehept / vnd das mit grossem wollust / als wann sie mit jren ehe weiblinen der Liebe gespilt hetten". (104) Wenn Weyer hieran auch einen naturkundlichen Erklärungsversuch anschließt und mit der unter Wölfen üblichen aggressiven Balzmethode argumentiert, die eine Beteiligung von Menschen gar nicht zulasse, mag dies - wirkungsgeschichtlich betrachtet - wenig an diesem Bild geändert haben. Die Figur des hexerischen Werwolfs als Frauen- und Kindermörder bleibt fortan mit den Vorzeichen von Sodomie, Päderastie und anderem sexuell deviantem Verhalten verknüpft.

Für das deutschsprachige Gebiet wird spätestens das Bedburger Verfahren gegen den Eprather Bauern Peter Stump aus dem Jahre 1589 zum prägenden Modell. Nicht zuletzt auch deshalb, weil der spektakuläre Fall durch zahlreiche Flugblätter, die dänische und englische Ausgaben nach sich ziehen, weit über die Region hinaus bekannt wird. (105)  Peter Stump wird neben den Morden an Männern und schwangeren Frauen auch die Ermordung von mehr als einem Dutzend Kindern, darunter seinem eigenen Sohn, sowie Unzucht, Vergewaltigung und Blutschande mit Tochter und Schwester vorgeworfen. (106) Zugleich erschließt dieser Fall aber auch noch einen anderen Aspekt des Werwolfbildes. In den Flugblättern, von denen heute noch vier Varianten erhalten sind, zeigt sich gewissermaßen die Sollbruchstelle zwischen dem "alten" Werwolf, wie er möglicherweise in der mündlichen Überlieferung im Volke kursierte und der dämonologisch veränderten Gestalt des neuen hexerischen Werwolfs.

Alle vier Flugschriften  (Texte und Bilder liegen hier vor)  zeigen in einer Abfolge von Bildern, begleitet von Prosa- oder Verstexten, recht anschaulich die Gefangennahme, Verurteilung und Hinrichtung des Angeklagten. Dabei gilt allerdings für die in Augsburg und Nürnberg erschienen Blätter (107) mit Sicherheit das - keineswegs abwertende - Urteil "abgekupfert". Neben anderen Abweichungen und den bei der Gattung üblichen Übertreibungen erzählen die Blätter "aus der Ferne" noch die alte Variante der "Zeichenübertragung". Nach ihren Versen und Bildern wird Peter Stump durch die fehlende Hand enttarnt, die ihm in Wolfsgestalt von seinen Verfolgern als "Pfote" abgeschlagen worden war.

Ganz anders das Kupfer von Philipp Uffenbach (108) und die Londoner Flugschrift von 1590. Beide zeigen die Hände des Delinquenten unversehrt. In dem ausführlichen 19 Seiten umfassenden Londoner Text, (109) der neben der Augenzeugenschaft auch auf zusätzliche Korrespondenzen über Vor- und Nachgeschichte des Ereignisses verweist, findet eine solche Zeichenübertragung keine Erwähnung. Im Gegenteil. In einer für die Gattung überraschend sachlichen Darstellung wird von Stumps Verhaftung, seinem Geständnis, das er schon bei der ersten Androhung der Folter freiwillig ablegt, und seiner Hinrichtung berichtet. Bei den Augenzeugen der Bedburger Hinrichtung konnte der alte Erzählzug der Zeichenübertragung nicht fortbestehen. Allein die fernen Holzschneider und Briefmaler in Augsburg und Nürnberg erlaubten sich die Freiheit, am alten Muster festzuhalten, das ihrem Publikum offenbar noch vertraut war. Aber auch das ist nur noch eine Frage der Zeit. In der Folge weiterer Werwolfprozesse mußten auch diese Reste des vorhexerischen Werwolfs dem Augenschein der Beobachter zum Opfer fallen. In den späteren Sagensammlungen taucht die Zeichenübertragung dann wieder auf.

Daß der Bedburger Fall auch noch in anderer Weise beispielgebend war, nämlich unter dem Aspekt des "mahnenden Gedenkens", mag als Feststellung vielleicht nicht ganz zulässig sein, drängt sich aber auf. Zwanzig Jahre später, im Jahre 1609, wurde in nicht allzu großer räumlicher Entfernung der als Werwolf geständige Johann Nothoff in Horst (bei Gladbeck) abgeurteilt. Auch er hatte noch vor der Tortur eingeräumt, "daß er im Stift Münster eine Blutschande begangen" hatte. An seinem Richtplatz in Horst wurde, wie auf allen den Bedburger Fall betreffenden Flugblättern abgebildet, ebenfalls ein hölzerner Wolf auf einem Pfosten aufgerichtet mit der Begründung: "Und dieweil Johann Nothoff ein Werwolf zu sein bekennt, ist zum Exempel ein Pfosten mit einem hölzernen Werwolf daselbst aufgerichtet" (110) worden.

Was die sexuelle Komponente betrifft, scheint sie auch im Fall des Lemgoer Johan Olischläger, (111) "der seine Frau mißhandelte, seine Mägde sexuell mißbrauchte und das moralische Empfinden seiner Nachbarn verletzte," (112) das Verfahren zu dominieren. 1631 verurteilt das Gericht den Angeklagten nicht als Ehebrecher, sondern als Werwolf. Der Müller Theis zu Mertesdorf, aus dem Hochgericht der Trierer Abtei St. Maximin, wird schon 1595 wegen Hexerei hingerichtet. In der Anklageschrift taucht der Werwolf-Vorwurf zwar nicht auf, aber in seinem Geständnis heißt es, daß der Teufel ihn "wie ein w(e)her wolff verendertt" hätte und daß er in dieser Gestalt ein kleines Kind "vor vier jaren verfuerdt in den walt und gewolten das kindtgen bezaubauberen unnd doden". (113) Auch im Fall des Peter Kleikamp, einem Ahlener Bürger, lautet die erste Anklage auf ein sexuelles Delikt. Als er die ihm vorgeworfene Sodomie nicht eingesteht, verlegt man ihn zum Gericht nach Münster. Dort wird unter der Folter ein regelrechter Werwolfprozeß daraus, der gleich noch einen weiteren Werwolfprozeß nach sich zieht. (114)

Rainer Walz Beobachtung, daß sich die Oberschicht eines Territoriums zumeist in der Einschätzung der Hexereidelikte von der Dorfbevölkerung unterscheidet, (115) findet gerade bei den mit sexuellen Aspekten aufgeladenen Werwolfprozessen eine deutliche Entsprechung. Die Juristen und akademisch vorgebildeten Strafverfolger sind stark von der Literatur zum Thema bestimmt. Ihnen geht es nicht in erster Linie um den materiellen Schaden an Mensch und Tier sondern vielmehr um die dämonologische Verstrickung der Angeklagten.

In den Verhörprotokollen des Nassauischen Hirten Henrich Schäfer, (116) die von einfachen Herborner Bürgern durchgeführt und niedergeschrieben werden, halten sich die Punkte zu den angerichteten Schäden und den sexuell gefärbten Episoden noch die Waage. Im abschließenden Halsgerichtsprotokoll (117) sind die Schäden auf sieben Artikel zusammengeschmolzen. Der weitaus größere Teil der insgesamt 49 Aussagen beschäftigt sich mit dem Teufelspakt, der Wolfsverwandlung und den sexuellen Aspekten des Geständnisses. Noch deutlicher verschiebt sich dieses Verhältnis in der Halsgerichtsakte des 1629 mit Schäfer am gleichen Tag hingerichteten Jost Michel. (118) Von den 21 Artikeln, in denen sein Geständnis zusammengefaßt wird, beschäftigen sich 12 mit dem Teufelspakt, sechs mit sexuellen Aspekten, drei mit der Wolfsverwandlung und nur noch je einer mit den Themen Segensprecherei und Tierschädigung. Hier spiegeln sich die Präferenzen des gebildeten Dillenburger Fiskals Johannes Daum, der diese Dokumente förmlich in einer Nacht- und Nebelaktion, nämlich in der Nacht vom 29. auf den 30. Oktober 1629, dem Tag der Hinrichtung, niederschreibt, wie wir aus den Akten wissen. Diese Halsgerichtsprotokolle aber sind es - und nicht die Niederschriften der Verhöre - die das zum Richttag versammelten Volk in Herborn zu hören bekommt und damit das Bild vom wolfsverwandelten Hexer fortprägen.

3.7. "Unartig" aus Leichtsinn, Gewohnheit oder Absicht
Im August des Jahres 1659 wird gegen Hans Weber aus Dombach, bei Bad-Camberg im Taunus gelegen, das Verfahren eröffnet. (119) Der "Wewer Hans" ist allerdings selbst nicht ganz unschuldig daran, daß man ihn für einen Werwolf hält. Ein eher grobschlächtiger Zeitgenosse, ein Angeber, der es liebt, mit großen Sprüchen um sich zu werfen und seine Nachbarn zu beeindrucken oder gar einzuschüchtern sucht. Er erzählt herum, er könne zaubern und sich nach Belieben übermenschliche Kräfte zulegen. Gefährlich wird es für ihn, als die Frau des Martin Hartmann, der zugleich der Dombacher Ankläger ist, angesichts der schützenden Hand ihres Ehemanns es wagt, gegen Weber als Zeugin aufzutreten. Beim Eichelnlesen seien ihr einmal zwei Wölfe begegnet und gleich darauf auch der "Wewer-Hans". Und der "hätte ein Stück von einer Geiß im Sack gehabt. Ein Schenkel hiervon hätte herausgehangen, welchen er geschwind hinein gearbeitet". (120) Daraufhin wird Hans Weber ziemlich kleinlaut und sucht eifrig nach Ausreden für seine großmäuligen Sprüche und erstaunlicherweise kommt er damit durch. Gegen Urfehde wird er am 2. Weihnachtstag 1659 auf freien Fuß gesetzt.

Der Angst vor der schadenstiftenden Hexe und dem magisch mächtigen Hexer steht die Versuchung gegenüber, sich dieser gemeinhin nicht bezweifelten Macht aktiv zu bedienen und sie als Mittel der Selbstpräsentation einzusetzen. Dabei mochten die Motive von naiver Großmäuligkeit über die gezielte Drohgebärde bis zur pathologischen oder verbitterten Übernahme jener Rolle des "bösen Menschen" reichen, die einem Menschen von seinen Zeitgenossen zugedacht worden war. Gerd Schwerhoff hat auf die aktive und auslösende Rolle hingewiesen, mit der Frauen das Drama ihres Prozesses selbst in Gang brachten. "Sie eignen sich die zugeschriebene Drohung und Zauberpotenz durchaus aktiv an, um sie in Alltagskonflikten einzusetzen." (121) Die Identifikation mit dem gehaßten Werwolf konnte - naiv oder absichtsvoll eingesetzt - unterschiedlichsten Zwecken dienen. Es sind durchaus Konstellationen vorstellbar, unter denen dieser gefürchtete Gestaltwandler einen Gesetzesbrecher zur Identifikation verlocken konnte. Dem Ohnmächtigen war sie geliehene Stärke oder Zeichen des Protestes oder sie war Ausrede und Rechtfertigung für den, der entschlossen war, sich den eigenen Schattenanteilen zu überlassen, böse zu sein.

Ob man dem Bedburger Bauern Stump von all den ihm vorgeworfenen Untaten freisprechen kann oder ob er ein wirklicher Massenmörder war, ist eine Frage, die heute kaum mehr beantwortet werden kann. Allzu kühn wäre allerdings die Behauptung, in dem so breit ausgelegten Netz der Hexereiprozesse habe sich niemals ein wirklicher Fall von kriminellem Handeln verfangen. In den Jahren 1764 bis 1767 wurden die französischen Cevennen vom sogenannten Tier von Gévaudan heimgesucht, über das selbst in Deutschland Flugblätter zirkulierten. Wie bei einem Fieberanfall feierte dabei das alte Muster vom Loup-garou, dem französischen Werwolf, noch einmal Auferstehung. Als man in jüngerer Zeit gründlichere Nachforschungen zu den Todesumständen der rund 130 Opfer anstellte, die man bisher den 74 in diesem Zusammenhang erlegten Wölfen zugeschrieben hatte, geriet vor allem die ganz gewöhnliche Kriminalität der Leute in der Region in Verdacht. (122)

Was aber mochte den 14jährigen Levin Köster aus dem Lippischen Wöbbel 1654 dazu bewogen haben, von sich zu sagen, er könne "auch wehrwulfen"? "Vor einem Jahr sei er als Wolf beim Schäfer gewesen. Der Teufel bringe ihm dazu einen Gürtel, der sei schwarz. Wenn er den umtue, so regiere ihn der Teufel, und er könne tun was er wolle." (123) Wie bei zahlreichen Untersuchungen zu Kinderhexenprozessen (124) nachgewiesen wurde, konnte auch für sie dieses gesellschaftliche Handlungsfeld sehr wohl zu einem eigenen projektiven und aktiven Feld werden. Woraus auch immer das inneres Drama des 14jährigen Hütejungen bestand, für seine Umwelt gab es auf eine solche Rede nur eine Deutungsmöglichkeit.

Die Witwe Mergh Schneider aus Otscheid in der Herrschaft Neuenburg in der Eifel, die 1614 ohne Bedrängung durch harte Folter gesteht, "Griethen Hanses Kist bei Hosingen morgens bei Mondschein in Wolfsgestalt erschienen" zu sein, (125) brockt sich mit ihrem losen Mundwerk das tödliche Verfahren selbst ein. Die alte und bettelarme Frau, deren Mann sich vor 15 Jahren im Gefängnis umgebracht hatte, schlägt sich als Hirtin, Heilerin und Segnerin durch. Immer wieder kündigt sie offen, vor allem aber ungefragt, Unheil an. Sie erklärt, sie könne Gewitter machen und kurz darauf geschieht es. Im Vorbeigehen sagt sie den Bauern, die gerade auf dem Markt ein neues Tier gekauft haben, daß es schon bald in Krankheit fallen und sterben werde und es trifft ein. Das konnte nur mit dem Teufel zugehen.

Unter den mehr als drei Duzend Werwolf- und Wolfsbannerprozessen, die Katrin Moeller bisher unter den Mecklenburger Hexereiverfahren ausfindig gemacht hat und demnächst darstellen wird, finden sich alle diese Muster wieder und womöglich neue dazu. (126) In den frühen Rostocker Prozessen taucht das Wolfmotiv zwar immer wieder auf, verliert sich dann aber im Verlauf des Prozesses. Erst in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg erklären die Verdächtigten auffallend häufig, sie hätten den Wolf "geladen", um Schaden zu stiften. Zugleich wächst die Zahl der Verfahren, bei denen der Vorwurf der Wolfsverwandlung eine entscheidende Rolle spielt oder die Angeklagten die Verwandlung eingestehen. Dabei halten sich Männer und Frauen die Waage. Zu den zahlreichen Werwolf- und Wolfbannerprozessen (127) in Kärnten und in der Salzburgischen Herrschaft, die noch bis ins Jahr 1725 andauern und sich vorwiegend gegen vagierende Bettler und Hirten richten, hat Martin Scheutz (Institut für Geschichte, Wien) die entlegenen Quellen für eine anstehende Neubewertung zusammengetragen. (128)

Der hexerische Werwolf wie auch der Wolfbanner, der sich mit magischen Mitteln den Wolf als Schadenstifter dienstbar macht und dabei meist im Verdacht steht, auch selbst zur Verwandlung fähig zu sein, erweisen sich als facettenreiche Varianten im Hexenstereotyp, die keineswegs geschlechtsspezifisch festgelegt sind. (129) Für jeden Verdächtigten, der sich diesem Vorwurf ausgesetzt sah, galt was allgemein für die Hexe galt. Jegliches Verhalten, das als "unartig", aggressiv oder unsozial gedeutet werden konnte, taugte zum Indiz. Die Hexereivorstellung als integrales Instrument der Weltdeutung, das sich mit dem ganz alltäglichen Magieglauben verbunden hatte, regierte den argwöhnischen Blick der Menschen bei ihrer Suche nach Deutung von Schicksalsschlägen und Lösung von Konflikten. Dabei gaben die alte Wolfsangst und der neue Wolfshaß dem speziellen Vorwurf der Tierverwandlung eine zusätzliche Schubkraft.
 

4. Die gelehrte Welt als Geburtshelfer einer Chimäre?

Wenden wir uns schließlich der Frage zu, was wir neben den alten Prozeßakten in den zeitgenössischen Quellen über die Wirklichkeit des Werwolfs im 17. Jahrhundert in Erfahrung bringen können. Die Häufigkeit seines Auftretens und die Intensität, in der sich sowohl Befürworter wie Gegner der Hexenverfolgung mit ihm beschäftigen, läßt kaum einen anderen Schluß zu, als daß es ihn für die Menschen der Zeit fast überall und in manchen Regionen in besonderer Häufung gegeben hat. Was die Dämonologen freilich über ihn zu berichten wissen, sagt wenig darüber, was in den Köpfen, Herzen und in den Mündern der einfachen Leute umging, wenn sie vom Werwolf sprachen, welche "Dinge dieses Wort wirklich in ihnen verrichtete", wie Hans Peter Duerr sagt. (130)

Die Lehre der alten Kirche, an der auch die Reformation keine ernsthaften Abstriche vornahm, hatte sich unter dem Einfluß der antiken Denk- und Bilderwelten schon früh mit der Vorstellung der Wolfsverwandlung befaßt und sie als häretisch verworfen. (131) Auf die dunkle Seite der Welt und in die Gesellschaft der Dämonen verbannt, gerät sie dann auch ins Blickfeld der frühen Hexentheoretiker. In seinem schon während es Baseler Konzils (1431-1449) verfaßten "Formicarius" stattet der Dominikaner Johannes Nider (1380-1438) diese neue Teufelssekte mit wölfischen Zügen aus. (132) Bei dem französischen Schriftsteller und Kleriker Martin le Franc (+1461) waren es im 4. Buch seines um 1440 niedergeschriebenen Versromans "Le champion des dames" schon Werwölfe geworden, wenn er von den alpenländischen Hexen sagt: "Se ce sont varous ou luitons" (Es sind Werwölfe oder Plagegeister.) (133) Im berüchtigten Hexenhammer von 1487 war auch gleich im ersten Buch zu lesen: "Es frommt wohl einzusehen, daß die jetzigen Hexen durch die Macht der Dämonen öfters in Wölfe und andere Bestien verwandelt werden", (134) die "bisweilen Erwachsene und Kinder aus den Häusern rauben und fressen, wobei sie mit großer Schlauheit zu Werke gehen, so daß man sie durch keine Kunst oder Macht irgendwie verletzen oder fangen kann." (135)

Das brachte Theologen und Juristen in die Bedrängnis, näher beschreiben zu müssen, wie das vonstatten gehen konnte. Sie unternahmen damit gewissermaßen einen ersten Versuch, dem rätselhaften Gestaltwandler mit rationalen Mitteln beizukommen und ihn in die scholastische Logik einzubauen. Da der Teufel überhaupt das Ziel verfolgte, den Menschen zu täuschen, stellten sie sich die Verwandlung als teuflische Verblendung, als ein mit dämonischen Mitteln bewirktes Trugwerk, als optische Täuschung vor. Einige, wie Paracelsus (1493-1541), Melanchthon (1497-1560) oder etwa der gelehrte italienische Dominikaner Bartholomäus de Spina (1479-1530), stellten sich freilich entschlossen auf den Standpunkt, daß sich Hexen tatsächlich in Tiere verwandeln konnten.

Entsprechend der scholastischen Methode ging es den Theoretikern weniger um eine empirische Erforschung dessen, was die Menschen wirklich dachten, als vielmehr um die systematische Wiedergabe der gelehrten Tradition. Es galt in höchtsmöglicher Vollständigkeit all das zusammenzutragen, was in dieser Sache von den Vorvätern schon einmal niedergeschrieben worden war. Wenn in die Traktate beispielhafte Erzählungen vom Werwolf aufgenommen wurden, dann spiegelte das kaum das Spektrum der umlaufenden Berichte und Geschichten. Die "Exempla" dienten vielmehr dazu, die überkommene Lehre zu belegen und zu untermauern. Kaum jemand aus der gelehrten Welt fand wirklich aufschreibenswert was die Leute sich erzählten, nur weil die Leute es sich erzählten.

Die Lehre von den Dämonen, die sich zunehmend verfeinerte, zeigte Wirkung. Man geht sicher nicht ganz fehl in der Annahme, daß einzelne Dämonologen, wie etwa der berühmte Jurist Jean Bodin, der sich dem Thema in besonderer Weise verschrieben hatte, zur Popularisierung des hexerischen Werwolfs nicht unwesentlich beigetragen haben. Auch wenn Bodins Buch vom Papst 1596 auf den Index der häretischen Schriften gesetzt wurde, so galt der frühe Staatsrechtler und Dämonologe doch als Autorität nicht nur im vorwiegend mit Juristen besetzten Parlament der Freigrafschaft Burgund. Er hatte die Ansicht vertreten, alle Plagen des biblischen Hiob seien schwieriger in Gang zu setzen, als einen Menschen in einen Wolf zu verwandeln. Das zu erfassen, sei der menschliche Geist aber einfach zu schwach. (136) Selbst ein so entschiedener Verfolgungsgegner wie Johannes Weyer konnte sich vom Werwolfglauben, der zu seinen Lebzeiten in der Herrschaft Kleve Jülich-Berg wohl sehr verbreitet war, nur dadurch befreien, daß er ihn mit einer neuen theologischen Begründung versah. (137) Die durchs Land laufenden hexerischen Wölfe, so meinte er, "sein Teuffele, die solche Gestalt von Wölfen angenommen haben".(138) Ebenso glaubte der westfälische Hexenkommissar Heinrich von Schultheiß durchaus an eine wirkliche Verwandlung. Mit einem rhetorischen Trick schob er die strenge und verbindliche Trugbild-Lehre des "Canon Episcopi" zur Seite, wenn er feststellt, dort sei nur die Rede "von den Dingen so im Geiste geschehen / unser discurs ist von Sachen, so leiblich geschehen". (139) Der "Canon", so meinte er lakonisch, habe die Sache an dieser Stelle einfach nicht erschöpfend behandeln können.

Zugleich greifen Weyer und andere aber auch auf das alte medizinische Modell der pathologischen Lycanthropie zurück, um zu erklären, warum Menschen sich freiwillig und ohne Anwendung von Zwang als Werwölfe bekannten. Für Weyer sind diese Berichte die Frucht krankhafter Imaginationen und verwirrter Träume, (140) durch die der Teufel die Seele des durch Melancholie geschwächten Menschen zu beherrschen verstand. Schon die antiken Ärzte hatten diesen krankhaften Zustand von Körper und Geist beschrieben, für den auch die Neuropsychologen des 19. und 20. Jahrhunderts noch immer beeindruckende Beispielen bereit halten. (141)

Mit anderen Worten, das Lager der gelehrten Theologen, Juristen und Ärzte hat keineswegs eine einfache Antwort für uns parat. Die jüngere Forschung hat mittlerweile gar die skeptische Frage gestellt, ob der umtriebige Hexenwolf des 16. und 17. Jahrhunderts womöglich aus einem Mißverständnis der Theologen entstand. Daß von ihm - wenn überhaupt - nur sehr wenig aus alten germanischen Wurzeln kommt und daß er eher durch christlich-antikes Kulturgut, durch die alten lateinischen und griechischen Schriftsteller, durch Beichtspiegel und die Predigten gegen Hexerei und Aberglauben ein so "leibhaftiges" Leben in dieser Epoche führte. (142) Die gelehrte Welt jedenfalls war vom Werwolf fasziniert. Allein zwischen den Jahren 1650 bis 1671 werden an der Wittenberger Universität sechs Dissertationen zu diesem Thema eingereicht. (143) Die Frage allerdings, ob die gebildete Elite wirklich etwas verstand vom lebendigen Volksglauben, in dem es um rätselhafte Gestaltwandler, geheimnisvolle Seelenreisen und Nachtfahrten durch die Luft ging, erscheint heute weniger beantwortet als je zuvor. Die Juristen und Strafverfolger blickten womöglich nur in den Spiegel der von ihnen selbst verbreiteten Geschichten, wenn sie in den Verhören nach dem Werwolf fragten.

Hören wir noch einmal eine zeitgenössische Quelle, die von dem Schafhirten Tonis Steven von Callenhart im kurkölnischen Sauerland berichtet. Nach seinem unter Folter abgelegten Geständnis besucht ihn der Pastor des Ortes und ermahnt ihn zur Buße und Umkehr. Der Hirte aber begann zu klagen "über die grosse Pein und Schmertzen, welche ihm sey angethan worden und spricht: ich habe auß schmertzen, unleidlicher Pein sagen müssen, ich wäre ein Zauberer und Wehrwolff, aber Gott im Himmel weiß es, das alles erlogen ist, und habe mein lebtage keinen Teufel gesehen ... Ich habe auch sagen müssen, welchen ich schaden gethan habe, was ich nur gewüst, welchen ein Viehe umbkommen war, da sagte ich, das ich das umgebracht hätte. Vors dritte hab ich sagen müssen, ich were ein Wehrwolff gewesen und hätte die Schäffe gefressen, welche mir ... (von) den Wölffen abgenommen und gefressen wurden, da hab ich gesagt, dieselbige hab ich gefressen. Welches aber alles erlogen und auff solche Bekentnis wil ich leben und sterben und aufferstehen am jüngsten Tage."

Diese Klageszene eines geständigen Werwolfs aus dem Sauerland, die uns Hermann Löher in seiner Schrift von 1676 überliefert, (144) scheint wie mit einem Schlaglicht zu erhellen, wie es im Hexenpropzeß zum Werwolfgeständnis kam. Aber tut sie das wirklich? Zweifellos erzählt sie etwas über die Wirkung der Folter, zugleich aber verleiten uns die Denk- und Erklärungsmuster, unter denen wir heute diese Situation wie selbstverständlich betrachten, womöglich zu vorschnellen Schlüssen. Möglicherweise verhüllt diese Szene mehr als sie uns zu verraten scheint. In Wirklichkeit erfahren wir kaum etwas von der Denk- und Vorstellungswelt dieses Mannes, der vielleicht noch Tage zuvor und in Freiheit die Legitimität der Folteranwendung bei einem seiner Zeitgenossen nicht im geringsten in Frage gestellt hätte. Wir erfahren auch nichts darüber, welche Vorstellung er mit dem Werwolf verband und ob er selbst an die Verwandlungsmöglichkeit eines Menschen in ein Tier glaubte.

In zahlreichen Geständnissen finden sich allerdings rätselhaft konjunktivische Formeln und Wendungen, die dem heutigen Leser den Eindruck vermitteln, hier öffneten sich Türen für unterschiedliche Interpretationen wirklicher oder nur illusionärer Erfahrungen. Im Verhör des Adam Cuntzen (145) heißt es beispielsweise, bei seinen Taten sei er immer in seinen Kleidern geblieben, aber es habe ihm "bedünkt" ein Wolf zu sein. Bei dem Hohenrother Hirten Henrich Schäfer (146) lesen wir, "daß Er sobaldt ein Wolff zu sein geschienen" und er hätte "gemeint, Er wehr Ein Rastt dier, das ales begert vmb zu reißen, was er ansehe". Dabei habe er "keinen Verstand wie ein Mensch gehabt". Nach Anwendung seiner Salbe, sagt Jost Michel (147) "sey er unsichtbar gewesen und zum Wolf geworden". Der 1613 in Horst bei Gladbeck hingerichtete Rotger Schniering gesteht am 13. Juni, "geträumt zu haben, als wenn er auf'm Wasser ginge und ihm gedunket, er berühre keine Erde. Morgens aber hätte er sich in seinem Bette befunden". (148) Beschreibungen von ungewöhnlichen inneren Zuständen finden wir auch zu den Verfahren gegen den als Werwolf angeklagten Heiler und Hexenfinder Jacques Bocquet und gegen Pierre Georg Gaudillon im französischen Jura. Sie sprechen von länger andauernden Phasen der Bewußtlosigkeit an bestimmten Tagen, z. B. am Gründonnerstag, und davon daß sie "en âme" unterwegs gewesen seien. (149) Auch in Weyers Bericht zu den Verfahren von 1521 gegen die Hirten Burgot und Verdun heißt es, daß Burgot "zu einem Wolff verwandelt wer worden, bedunckt". (150) Selbst bei den frühen schweizer Verfahren von 1430 (Wallis) gibt es ähnliche Wendungen, wenn es dort heißt: Der böse Geist habe viele gelehrt, "dz sy ze wolffen wurden, des sy selber deuchtte und nicht anders wusten, wann dz sy wolff werint". (151)

Öffnen sich hier Spielräume für Interpretationen über die Aussagen der Delinquenten oder dokumentiert sich in diesen Wendungen nur die widersprüchliche Situation, in der sich das Verhörpersonal befand? Die Vorstellung, daß die Verwandlung in einen Wolf "reale Formen" annehmen konnte, war durch die dämonologische Literatur seit dem 15. Jahrhundert zwar gedeckt aber zugleich erlaubte die strenge Lehre nur ihre Annahme als Trugbild, nur das Konstatieren einer Illusion. Hier steckte nicht allein der Delinquent in einer Zwickmühle, auch die Protokollanten mußten besorgt sein, eine "gerichtsfeste" Formulierung zu finden, die Bestand hatte vor der Rechtsaufsicht oder den juristischen Fakultäten, die in Zweifelsfällen zu Gutachten herangezogen wurden. In diesem Falle wären die rätselhaften Formulierungen Ausdruck lebenspraktischer Reaktionen auf das scholastische Verwirrspiel. Vermutlich aber liegt die "Ursache" früher und in diesen Wendungen spiegelt sich die oszillierende Fragestellung des Verhörpersonals. In den Mainzer Spezial-Fragestücken beispielsweise wurde den Beschuldigten unter Nr. 70 die Frage vorgelegt: "Ob sie sich nicht bißweilen in einer Katzen, Berwolff oder eines anderen thiers gestalt verwandlet, vnd ... ob sowohl ander leüth, alß sie selbsten sich vor solche verwandelte Thier angesehen." (152)

In Anlehnung an das von Wolfgang Behringer dargestellte Schicksal des Obersdorfer Hirten Chonrad Stoeckhlin (153) und Carlo Ginzburgs Untersuchungen zu den Benandanti im italienischen Friaul des 16. und 17. Jahrhunderts (154) glaubt Sabine Richter, (155) Aussagen aus den frühen Nassau-Dillenburger Werwolfverfahren als Zeugnisse vorchristlicher Mythen- und Glaubensvorstellungen deuten zu können. Im Falle des Knie-Hen (1591) und des 1600 angeklagten Rolzer Bestgen befaßte sich das Gericht sehr detailliert mit dem Verlauf ihrer Transformation, fragte nach Essensgewohnheiten und nach Art und Weise, wie sie sich in Tiergestalt fortbewegt hätten. Nach der Darstellung der Beschuldigten hüllten sie sich zu bestimmten Tagen im Jahr (Johannistag) oder in den Quatembernächten (156) symbolisch mit einer Haut, banden einen Wolfsgürtel oder Ketten um oder legten sich auf einen Pelz. Ihr Körper habe während der Verwandlung oder des Fluges "starr", "wie tot" gelegen, so wie auch der Obersdorfer Hirte Chonrad Stoeckhlin seinen Zustand beschreibt. Über den Augenblick des Umlegens des Gürtels und der Verwandlung sagt Rolzer Bestgen, er "mache ein großes Gesicht" und "verlängere seine menschliche Gestalt". Es "dünke" ihm dann, er müsse alles beißen. Und von seinen "Reisen" sagt er, daß er sie "auf einem Bein", also stehend mache, auch "eße kein Wehrwolff von den erbißenen Thieren".

Auf dem Hintergrund alter Vorstellungen vom Wolf als Todessymbol, (157) in dem sich herumirrende Seelen (jenseitige Doppelgänger) verkörperten und Praktiken, wie sie aus schamanistischen Kulturen bekannt sind, kommt Richter zum Ergebnis, "daß den meisten "Hexen" und "Werwölfen" das alte Motiv der Geistreise bekannt war, besonders dann, wenn sie dem Gericht von "Schlaferlebnissen" erzählen, in deren Folge sie Flüge, "Nachtfahrten" oder Tierverwandlungen durchführten." (158) Vergleichbare Beschreibungen bekommt 1632 auch das Gericht in der Grafschaft Büdingen zu hören. Der Wahrsager und Heiler Diel Breul aus Callbach erklärt, "wenn die Zeit käme, müsse er fort und läge da, gleich als ob er tot wäre". (159) Zu dieser "Nachtfahr" bricht auch er in den Quatembernächten auf. Die Bauern und Hirten der Region, meint Richter, glaubten in der frühen Neuzeit "offenbar an befristete 'Grenzübertritte' ins Jenseits". (160)

Wenn wir hier den "Trümmern eines einstigen (Volks-?)Glaubens" (161) begegnen, dann begegnen wir zugleich auch einem ganz anderen, einem "freundlichen Werwolf", der wie die Benandanti (=die Wohlfahrenden oder auch Wohltätigen) als magischer Kontrolleur der Naturmächte und zur Sicherung des materiellen Überlebens seiner Mitmenschen sich in Trance und auf rätselhafte Reisen begab. Solchen "Geistreisen" ging häufig ein durch Tänze, Tränke oder Salbungen induzierter kataleptischer Zustand, eine Ekstase voraus, in der die Seele sich vom Körper löste, wie das bei schamanistischen Kulturen bekannt ist. Eines dieser Grundmuster findet sich in dem nicht mehr von Folter bedrohten und sehr ausführlichen Geständnis des achtzigjährigen Thies aus dem livländischen Jürgensburg, (162) der sich 1692 bei seinem Verhör als Werwolf bekannte. In regelmäßigen Abständen reise er mit seinen Gesellen "unter die Erde", um im Kampf gegen Hexen und Hexer die Fruchtbarkeit der Felder und die kommende Ernte zu sichern. (163) Gewissermaßen ein religiös spiritueller Spezialist, der sich im Dienst der Gemeinschaft und im Zustand der Trance besonderen Erfahrungen aussetzte. Ginzburgs These, der in großer räumlicher Streuung dem Schamanismus ähnliche Praktiken in Italien, Zentraleuropa, dem Balkan und im Baltikum gefunden zu haben glaubt, die man bisher eher bei sibirischen, nordamerikanischen oder Eskimovölkern suchte, ist nicht ohne Widerspruch geblieben. (164) Für unsere Fragestellung mag vorerst die Feststellung genügen, daß in der Tat noch nicht alle Rätsel der Frage gelöst sind, was es mit dem hexerisch kontaminierten Werwolf auf sich hatte.

Der ethnologisch fremde Blick, bei dem wir auf die Geschichte unserer Vorväter schauen wie auf die Geschichte fremder Völker auf fernen Kontinenten, lehrt uns, diese Frage nicht im Sinne scholastischer Theologen des 15. Jahrhunderts, also mit dem schnellen und im Grunde panischen Urteil vom "Aberglauben" des frühneuzeitlichen Menschen abzutun. Das ambivalente Bild vom Werwolf, das so "real" war, daß es auch im 17. Jahrhundert noch vor den Gerichten verhandelt werden konnte, ist nur zu verstehen auf dem Hintergrund der Denk- und Deutungsmöglichkeiten dieser Epoche. In dieser Weltsicht gehörte zur Realität der Menschen nicht allein die erfahrbare Verdinglichung des täglichen Lebens. Zu dieser Realität gehörte ebenso selbstverständlich und kaum hinterfragbar die verborgene, die außernormale Welt, die unsichtbare Welt hinter der Welt und die Durchgänge dorthin. Das schwer übersichtliche Gemenge aus spirituellen und materiellen, natürlichen und übernatürlichen Glaubensannahmen, das wir heute gemeinhin als Aberglaube bezeichnen, weil es aus unserer Sicht nicht in ein logisch stimmiges und konsistentes Weltbild zu passen scheint, war für die Menschen der Zeit sehr wohl stimmig und plausibel. Was "moderne" und "aufgeklärte" Menschen heute gerne als Betrug an ungebildeten Einfältigen oder angeblich grenzenlos Leichtgläubigen bezeichnen, erfaßt kaum etwas davon, wie die Menschen sich selbst erlebten. Die Möglichkeit einer Tierverwandlung hatte sie vielleicht erstaunt, weil sie über Gottes Ratschluß in dieser Sache rätselten. Wirklich irritiert hat sie das nicht. Und es wäre ein Irrtum anzunehmen, diese Sicht auf die Welt wäre schon vor langer Zeit verschwunden. Noch in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg konnte man ihr begegnen. Im Rahmen seiner Feldforschungen in den 1930er Jahren notierte Konrad Müller die lakonische Auskunft: "'Wie aus dem Menschen ein Tier werden kann? - Na er verwandelt sich eben!' so beantwortet ein Bauer aus Schlierbach, Kreis Fritzlar meine Frage." (165)

Ausschließlich aus heutiger Perspektive betrachtet, kann man diese Welt nur von weitem besichtigen. Nähern kann sich nur, wer den Menschen der damaligen Zeit ihre Weltsicht nicht im nachhinein streitig macht. Der Werwolf gehörte zur kulturellen Erbschaft dieser Zeit und hatte erstaunlich vielgestaltige Gesichter. Vor seiner hexerischen Taufe durch die Dämonlogen konnte man in nordfranzösischen und englischen Texten des 12. Jahrhunderts auch ganz anderen Varianten des Werwolfs begegnen. Im "Lai du Bisclavret" (Lied vom Werwolf) der Marie de France, das vermutlich auf einer keltischen Sage beruht, ist der Werwolf ein edler Ritter. Im Zentrum der Geschichte steht nicht seine vom Schicksal aufgezwungene periodisch wiederkehrende Verwandlung in den Wolf, als vielmehr die Untreue seiner Frau. (166) Aus der gleichen Epoche stammt jene Legende des Giraldus Cambrenensis (1147-1223), nach der ein Mönch nächtens von einem Wolf angesprochen wird, der ihn bittet, ihn zu seiner totkranken Genossin zu begleiten, um ihr die Heilige Wegzehrung zu spenden, weil er um das Seelenheil der Sterbenden besorgt ist. Beide waren durch die Verwünschung eines heiligen Mannes in diese Gestalt geraten. Um dem Priester "ihres Menschenthumes zu versichern, streicht er ihr mit der Pfote die Wolfshaut vom Kopf bis zum Nabel herunter. Der Priester gab ihr das Sakrament und der Wolf zog ihr hierauf das Fell wieder über den Kopf". (167)

Unter den Händen der Dämonologen hatte das Werwolfmotiv freilich seinen narrativen Spielraum eingebüßt und vermochte keinen der mittelhochdeutschen Schriftsteller mehr zu einer literarischen Gestaltung anzufeuern. (168) Gleichwohl lebte das Motiv auch in den Zeiten seiner Dämonisierung im alltäglichen Sprachgebrauch fort. Der hessische Landgraf Wilhelm II. (+1509), der von seinen Räten eingesperrt worden war, weil sie ihn selbst und seine Untertanen vor seinem syphilitisch bedingten Schwachsinn schützen wollten, beschwerte sich, weil man ihm am Ort seiner Internierung die Speisen ohne angemessenes Eßgerät servierte. Er müsse sie mit Händen und Nägeln zerreißen "als ob wir unsinnig oder ein Werwolf gewest weren". (169) In Frankreich finden wir in der Mitte des 16. Jahrhunderts einen ganz ähnlichen metaphorischer Gebrauch des Loup-garou. Die gebildete Louize Charly (1525-1566) aus Lyon, die Sonette und Traktate veröffentlicht und die sich von Calvin als "vulgäre Courtisane" beschimpfen lassen muß, bezeichnet in ihrem "Débat de la folie et d'amour" (Lyon 1554) mit Loup-grou einen ungebildeten und ungepflegten Menschen, der trübsinnig, geistlos, ungesprächig, geizig, ignorant, starrsinnig und rücksichtslos sei. "Er versteckt sich hinter seinen Türen, speist allein und im Schmutz, schläft mit Brotkrümeln im Schnabel, trägt Hüte, die schmutzig sind von seinen fettigen Fingern und hält seine Westen mit rostigen Nadeln zusammen."

In den Nassauischen Grafschaften erging schließlich 1681 das Verbot, einen Menschen als Hexe, Zauberer oder Werwolf zu beschimpfen. Als Strafen wurden Turmhaft, Stockschläge oder 10 bis 50 Gulden angedroht. (170) Der düstere Gestaltwandler lebt in hessischen Sagen allerdings fort bis weit ins 20. Jahrhundert, wie Konrad Müller noch 1932 in der Schwalm nachgewiesen hat. (171) In Mecklenburg versucht Herzog Christian I. Louis den hexerischen Werwolfbezichtigungen den Wind aus den Segeln zu nehmen indem er 1688 eine Belohnung aussetzt: All jenen sichert er Geld und Straflosigkeit zu, die ihm einen überzeugenden Beweis ihrer Fähigkeiten dadurch verschafften, daß sie sich vor seinen Augen in ein Tier verwandelten. (172) Nicht ein Gulden soll in dieser Sache seine Schatulle verlassen haben.

Jetzt, im beginnenden Zeitalter der Rationalität, in dem die meisten Menschen nicht mehr wie im 15. und 16. Jahrhundert zufrieden sind mit den Auskünften "daß etwas so ist, wie es ist, weil Gott es so will", sondern darauf drängen zu erfahren, "wie" und nach welchen Gesetzmäßigkeiten etwas vor sich geht, endet auch die Epoche der gerichtlich beklagten Werwölfe. Daß dem naturwissenschaftlich forschenden Drang am Ende des 17. Jahrhunderts noch manche Hürde bevorstand, die es zu überwinden galt, beweist ein Blick in das "Thier-Buch" des gelehrten Dr. Conrad Gesner, das 1669 in Frankfurt erschienen war. Unter dem Stichwort "Von dem Ber-Wolff" fand der begierige Leser auf Seite 357 folgende Auskunft: "Dieses Thier wird in den grossen Indianischen Einöden, jedoch gar selten gefunden, und bißweilen von den Landfahrern, und also genandten Quacksalbern auff die Messen und Jahr-Märckte gebracht." Über seine Lebensgewohnheiten sagte der Text: "Dieses Thier ißt Äpfel, Birn und allerley andere Früchte, auch Brod und trinckt insonderheit gern Wein. Ist von Natur freundlich, vornehmlich gegen die Weibes-Bilder, gegen welche es seine Freundlichkeit auff vielerley Weise bezeiget".

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5. Anmerkungen:
(Nachträge zur Druckversion sind farbig gekennzeichnet.)
1 Elias Canetti: Die gerette Zunge. Geschichte einer Jugend. München 1979, S. 15.
2 ebd.
3 Vgl. Andreas Blauert: Ketzer, Zauberer, Hexen. Die Anfänge der europäischen Hexenverfolgung. Frankfurt a.M. 1990.
4 Vgl. Ein merkwürdiger Hexenprocess aus dem Urserenthale. In: Der Geschichtsfreund. Historische Mitteilungen der Fünf Orte. Bd. 6 (1849), S. 244-248. Sowie: Urthel ergangen in Urseren durch Amman Claus Waltsch und einem ehrsammen zwiefachen Rath Zu Urseren uff dem Rathus über kattryna simon ze steinbergen. In: Der Geschichtsfreund. Historische Mitteilungen der Fünf Orte, Bd. 10 (1854), S. 266. (Transkription: Aloys Müller). Zu den frühen Verfahren in der Schweiz: Martine Ostorero, Agostino Paravicini Bagliani, Kathrin Utz Tremp (Hg.); L'imaginaire du sabbat. Edition critique des textes les plus anciens (1430-1440), (Cahiers Lausannois d'Histoire Médiévale, 26), Lausanne 1999, S. 32-36.
5 Eine systematische Erfassung und Bewertung von Hexereiprozessen, bei denen der Werwolfverdacht eine Rolle spielte, ist bisher nicht vorgelegt worden. Als einen Beitrag versteht sich die Internetseite http://www.elmar-lorey.de/Prozesse.htm. Seit Beginn des Jahres 2000 sind dort mit Unterstützung zahlreicher Beiträger ca. 200 Verfahren mit Quellen aufgelistet, ca. 25% der Verfahren richten sich gegen weibliche
Beklagte.
6 Eduard David Hauber: Bibliotheca Acta et Scripta Magica. Gründliche Nachrichten, Auszüge und Urtheile von solchen Büchern und Handlungen, welche die Macht des Teufels in leiblichen Dingen betreffen. 35 Stücke in drei Bänden, Lemgo 1736 - 1741, im 29. Stück, S. 284f.
7 v.a. Wilhelm Hertz: Der Werwolf. Beitrag zur Sagengeschichte. Stuttgart 1862.
8 Rudolf Leubuscher: Ueber die Wehrwölfe und Tierverwandlungen im Mittelalter. Ein Beitrag zur Geschichte der Psychologie. Berlin 1850.
9 Vgl. dazu: Elmar M. Lorey: Henrich der Werwolf. Eine Geschichte aus der Zeit der Hexenprozesse mit Dokumenten und Analysen. Frankfurt a.M. 1998; (Infos zudiesem Buch)  auch Johanna Koppenhöfer: Die Mitleidlose Gesellschaft. Studien zur Verdachtsgenese, Ausgrenzungsverhalten und Prozeßproblematik im frühneuzeitlichen Hexenprozeß in der alten Grafschaft Nassau unter Johann VI. und der späteren Teilgrafschaft Nassau-Dillenburg (1559-1687). Frankfurt a.M. 1995, bes. S. 122-131.
10 Vgl. Wolfgang Behringer: Hexen. Glaube, Verfolgung, Vermarktung. München 1998.
11 Der Göttinger Historiker und Staatsrechtler August Ludwig Schlözer (1735-1809) druckte anläßlich der Hinrichtung der Dienstmagd Anna Göldi am 4.1.1783 in seinen "Stats-Anzeigen" einen Artikel unter der Überschrift: "Abermaliger JustizMord in der Schweiz". In einer Fußnote erläuterte er diesen Neologismus: "Ich verstehe unter diesem neuen Worte die Ermordung eines Unschuldigen und sogar mit allem Pompe der heiligen Justiz, verübt von Leuten, die gesetzt sind, daß sie verhüten sollen, daß ein Mord geschehe, oder falls er geschehen, doch gehörig gestraft werde." Zitiert nach Wolfgang Behringer: Zur Geschichte der Hexenforschung. In: Harald Siebenmorgen (Hg.): Hexen und Hexenverfolgung im deutschen Südwesten. Volkskundliche Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseums Karlsruhe. 2Bde., Karlsruhe 1994, Aufsatzband 2/2, (S. 93-146), S. 101.
12 Vgl. Herbert Pohl: Hexenglaube und Hexenverfolgung im Kurfürstentum Mainz. Stuttgart/Wiesbaden 1988, S. 24.
13 Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, fortan: HStAW 369/458
14 HStAW 369/526, Nr. 6.
15 HStAW 369/472.
16 HStAW 369/ 487.
17 Vgl. zu diesen Prozessen: Johanna Koppenhöfer: Die Köpperner Hexenprozesse. In: Suleburc Chronik. Geschichtsblätter des Vereins für Geschichte und Heimatkunde Seulberg e.V., 1996, S. 44-54.
18 HStAW 369/504.
19 HStAW 369/531.
20 HStAW 369/476.
21 Zitiert nach Th. Schüler: Aberglaube und Hexenprozesse in Homburg und den umliegenden nassauischen Gebieten (1584 bis 1725). In: Alt Nassau, Jg. 1911, Nr.1-9, (S. 1-34), S. 18 - In dieser Zeit sind auch in Homburg Zauberei und Hexerei identische Begriffe geworden. Die meisten Akten tragen den Vermerk "wegen Zauberei".
22 Gerhard Schormann: Hexenprozesse in Deutschland. 2. Aufl. Göttingen 1986.
23 HStAW 369/483.
24 HStAW 369/474.
25 Vgl. Joseph Hansen: Zauberwahn, Inquisition und Hexenprozeß im Mittelalter. München 1900, S. 8.
26 Heinrich von Schultheiß: Eine Außführliche Instruction Wie in Inqvisition Sachen des grewlichen Lasters der Zauberey ... ohn gefahr der Unschuldigen zu procediren. Köln 1634, S. 85.
27 Nach § 52 der 1532 vom Reichstag verabschiedeten "Constitutio Criminalis Carolina", kurz "Carolina" genannt, war die Suche nach materiellen Beweisstücken von Zauberei vorgeschrieben. Gerichte unterließen diese Suche, wenn sie keine strenge Rechtsaufsicht zu befürchten hatten.
28 HStAW 369/483.
29 HStAW 369/471.
30 HStAW 369/473.
31 HStAW 369/478, Ehefrau des Johann Winter.
32 HStAW 369/475, Ehefrau des Johann Ebert Braun.
33 HStAW 369/504 1534 aus der Haft befreit, siehe oben.
34 HStAW 369/494.
35 HStAW 369/488.
36 HStAW 369/487.
37 zitiert nach Th. Schüler (wie Anm. 21), S. 19.
38 HStAW 369/504 (siehe oben).
39 Vgl. Eva Labouvie: Verbotene Künste. Volksmagie und ländlicher Aberglaube in Dorgemeinschaften des Saarraumes. (16.-19. Jahrhundert). St. Ingbert 1992, S 181f.; Karl-Sigismund Kramer: Schaden- und Gegenzauber im Alltagsleben des 16.-18. Jahrhunderts nach archivalischen Quellen aus Holstein. In: Christian Degn et.al. (Hg.): Hexenprozesse. Deutsche und skandinavische Beiträge. Neumünster 1983, (S. 222-239), S. 230f; Rolf Schulte: Hexenmeister. Die Verfolgung von Männern im Rahmen der Hexenverfolgung von 1530-1730 im Alten Reich. Frankfurt a.M. 2000, S. 195-241; für Bayern: Reinhard Heydenreuter: Der landesherrliche Hofrat in München und die Hexenprozesse in den letzten Regierungsjahren des Herzogs und Kurfürsten MaximilianI. (1598-1651). In: Zeitschr. f. bayer. Landesgeschichte 55, 1992 (S. 137-150) S. 141f.; für Frankreich: Robert Mandrou: Magistrats et Sorciers en France au XVIIe siècle 1968 (Fayard); Ndr. Paris (Seuil) 1980; S. 500-511.
40 Vgl. Weisthümer der Gesetze, Ordnungen und Vorschriften, welche in den Nassauischen Teutschen Ländern Ottonischer Linie von denen älteren Zeiten bis hierhin ergangen sind. Hadamar 1802-1803, Teil II, S. 174.
41 Adolf Bach: Westerwälder Werwölfe und Wolfsegen. In: Zeitschrift des Vereins für rheinische und westfälische Volkskunde 20/21, 1923/24, S. 25-34.
42 Erst durch Erlaß vom 12.3.1782 wird an der Hohen Schule in Herborn der erste Lehrstuhl für Tiermedizin errichtet. In den Sommermonaten bildet man dort nicht Akademiker, sondern Hirten, Schäfer und Bauern fort. Vgl. J. Brunn: Zur Geschichte der Vieharzneikunde in Nassau. In: Alt Nassau, 1911, Nr.11, S. 44.
43 HStAW 369/1.
44 HStAW 369/293.
45 1591: Knie-Hen aus Rehe HStAW 269/293; 1600: Reinhard von Hüblingen HStAW 369/290; ebenfalls im Jahr 1600: Rolzer (Rotzer) Bestgen aus Dörsdorf HStAW 290; Vgl. dazu auch: Sabine Richter: Werwölfe und Zaubertänze. Vorchristliche Glaubensvorstellungen in Hexenprozessen der frühen Neuzeit. Diss. Gießen, 1998; v.a. S. 179-300; auch: Johanna Koppenhöfer: Die Mitleidlose Gesellschaft. (wie Anm. 9) S. 122ff.; Elmar M. Lorey: Henrich der Werwolf. (wie Anm. 9) S. 195-204.
46 Vgl. Johann Weyer: De praestigiis daemonum. Deutsche Ausgabe 1578, Neudr. Amsterdam 1967, S. 166v.
47 HStAW 369/50.
48 HStAW 369/145.
49 HStAW 369/16.
50 HStAW 369/ 195.
51 HStAW 369/184.
52 Vgl. Carlo Ginzburg: Die Benandanti. Feldkulte und Hexenwesen im 16. und 17. Jahrhundert. Frankfurt a.M. 1980.
53 HStAW 369/283.
54 HStAW 369/443.
55 Ingolstadt bei A. Weißenborn 1548, S. 3.
56 zitiert nach Max Ziemer: Der Werwolf in Wörsdorf. In: Nassovia, Jg. 28, 1928, S. 3ff.
57 Die Klagen über Wolfsplagen in dieser Zeit sind vielfach belegt. Vgl. Gerd Zillhardt (Hg.): Der Dreißigjährige Krieg in zeitgenössischen Darstellungen. Ulm 1975, S. 182f; einschlägige Stellen z.B. auch in Grimmelshausens Roman "Der seltzame Springinsfeld" von 1670.
58 Vgl. Sabine Richter: Werwölfe und Zaubertänze. (wie Anm. 45), S. 129.
59 Vgl. Jean Delumeau: Angst im Abendland. Die Geschichte kollektiver Ängste im Europa des 14. bis 18. Jahrhunderts. Reinbek 1985, S. 92ff.
60 Hermann Löher: Hochnötige Unterthanige Wemütige Klage. Amsterdam 1676, S. 390ff.
61 Vgl. zu diesen Fällen: Brigitte Rochelandet: La Répression de la sorcellerie aux XVIe et XVIIe siècles, Thès de doctorat, 2 tombes, Besançon 1992; dies.: Sorcières, diables et bûchers. Besançon 1997; zuletzt die hervorragende Übersicht bei Rolf Schulte: Hexenmeister. (wie Anm. 39), S. 21-50.
62 Kurt Lussi: Luzerner Wölfe und Werwölfe. In: Heimatkunde des Wiggertals. 1990, H. 48, (S. 59-97), S. 96.
63 Wohl in Anlehnung an alte Rechtsvorstellungen. Vgl. Ernst Christmann: Von Wolfsgalgen und Wolfsbalgträgern. In: Oberdeutsche Zeitschrift für Volkskunde Jg.17, 1943, S. 69-73; Walter Korschorreck: Der Wolf. Eine Untersuchung über die Vorstellung vom Verbrecher und seiner Tat sowie vom Wesen der Strafe in der Frühzeit. Masch.Jur.Diss., Jena 1952
64 Vgl. Bernhard Schemmel: Der "Werwolf" von Ansbach (1685). Ereignisse und Meinungen. In: Jahrbuch für fränkische Landesforschung, Jg. 33, 1973, S. 167-200.
65 Theophil Lauben: Dialogi und Gespräch Von der Lycanthropia Oder Der Menschen In Wölff-Verwandlung. Frankfurt a.M., 1686.
66 Löher, (wie Anm. 60), S. 391
67 Vgl. Ronald D. Lawrence: Auf der Spur der Wölfe. München 1994.
68 Rainer Decker: Der soziale Hintergrund der Hexenverfolgung im Gericht Oberkirchen 1630. In: Schieferbergbau-Heimatmuseum Schmallenberg-Holthausen (Hg.): Hexen. Gerichtsbarkeit im kurkölnischen Sauerland. Schmallenberg-Holthausen 1984 (S. 91-118) S. 98.
69 Zu diesen und den folgenden Fällen: Alfred Bruns: Die Oberkirchener Hexenprotokolle. In: Schieferbergbau-Heimatmuseum Schmallenberg-Holthausen (Hg.): Hexen. Gerichtsbarkeit im kurkölnischen Sauerland. Schmallenberg-Holthausen 1984, S. 11-90.
70 Bruns (wie Anm. 69), S. 21f.
71 Bruns (wie Anm. 69), S. 51f.
72 Lussi, S. 97.
73 HStAW 1098 V3 29. August 1631; vgl. dazu auch Koppenhöfer: Die Mitleidlose Gesellschaft..., S. 160f.
74 Landesarchiv Schleswig Abt. 11/Nr.164; Abt.7/Nr.3530; Nr.3529; Abt.65-1/Nr. 112A.
75 Vgl. Martin Rheinheimer: Wolf und Werwolfglaube. Die Ausrottung in Schleswig-Holstein. In: Historische Anthropologie, 2, 1994, H. 3, S. (399-422), S. 411; Schulte, (wie Anm. 39), S. 240.
76 Vgl. Hansen, Zauberwahn (wie Anm. 25), S. 104.
77 Alfred Höck, Bemerkungen zum "Werwolf" nach hessischen Archivalien. In: Hessische Blätter für Volkskunde und Kulturforschung, Jg. 18, 1985, S. 71-75; vergleichbare Fälle für Schleswig-Holstein bei Rheinheimer, S. 413 ff.
78 Löher, (wie Anm. 60), S. 599.
79 Reinheimer, (wie Anm.75), S. 415.
80 Rainer Walz: Der Hexenwahn vor dem Hintergrund dörflicher Kommunikation. In: Zeitschrift für Volkskunde, Jg.82, 1986, (S. 1-18), S. 8.
81 ebd. S. 3f.
82 HStAW 171 Z  4187-4189.
83 Vgl. Koppenhöfer, Die Mitleidlose Gesellschaft (wie Anm. 9), S. 130f.
84 Schultheiß (wie Anm. 26), S. 80.
85 Fritz Schreiber: Hexenprozesse im Amt Medebach. In: Schieferbergbau-Heimatmuseum Schmallenberg-Holthausen (Hg.): Hexen - Gerichtsbarkeit im kurkölnischen Sauerland. Schmallenberg-Holthausen 1984, (S. 137-157), S. 149f.
86 Walter Dahlhoff: Zu Rüthener Hexenprozessen. In: Schieferbergbau-Heimatmuseum Schmallenberg-Holthausen (Hg.): Hexen - Gerichtsbarkeit im kurkölnischen Sauerland. Schmallenberg-Holthausen 1984,
(S. 177-188), S. 181f.
87 Landeshauptarchiv Koblenz, Abt. 211, Nr. 3005; den Hinweis auf dieses bisher unedierte Verfahren verdanke ich Rita Voltmer, Trier.
88 Henry Boguet: Discours Execrable Des Sorciers. Rouen 1606, S. 40f.
89 Walter Rummel: Bauern, Herren und Hexen. Studien zur Sozialgeschichte spohnheimischer und kurtrierischer Hexenprozesse 1574-1664. Göttingen 1991, S. 319.
90 Schulte (wie Anm. 39), S. 191.
91 Vgl. Katrin Moeller: Hexenprozesse in Mecklenburg. Eine quantitative Auswertung. In: Werner Buchholz und Stefan Kroll (Hg.): Quantität und Struktur. Festschrift für Kersten Krüger. Rostock 1999, (S. 283-299), S. 296.
92 Vgl. Soldan-Heppe: Geschichte der Hexenprozesse. 2Bde.,3.Auflage Berlin  1911, Bd.I, S. 553.
93 Vgl. Willem de Blécourt, Werwölfe und Zauberer in den östlichen Niederlanden im 17. Jahrhundert; eine andere (männliche?) Art Zauberei? In: Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart (Hg.), Hexenverfolgung - Frauenverfolgung? Materialien 3/1995, (S. 3-76), S. 75.
94 Vgl. Wolfgang Scharlemann: 375 Jahre Hof-Apotheke Detmold. Detmold 1998, S. 6-8.
95 Stadtarchiv Lemgo A3651 und Dt L86 W2. Den Hinweis verdanke ich Gisela Wilbertz, Stadtarchiv Lemgo.
96 Scharlemann (wie Anm. 94), S. 7.
97 Zur Problematik der Werwolfdarstellungen vgl. "Das Rätsel der Bilder und der wirkliche Wolf". In: Lorey (wie Anm. 9), S. 260-279.
98 Nach § 116 der Carolina hatte wegen Sodomie sein "Leben verwirkt, wer Sexualität "wider die Natur" praktizierte. "Mensch mit Viehe, Mann mit Mann, Weib mit Kind".
99 HStAW 369/281.
100 HStAW 369/293.
101 HStAW 269/290.
102 HStAW 369/145.
(In den frühen schweizer Hexereiverfahren, bei denen die Wolfsverwandlung und das Wolfreiten eine Rolle spielen, sind vorwiegend Frauen beklagt. - 1423 und 1433 in Basel, 1429/30 im Wallis, 1450 in Zürich - Eine sexuelle Aufladung für louve (=Wölfin) als Bezeichnung für "lüsterne Frauen" findet sich übrigens schon im alegorischen "Roman de la Rose" aus dem 13. Jahrhundert.)
103 Jean Bodin: De la Démonomanie des Sorciers. Paris 1580, Neudr. Hildesheim 1988, S. 96v.
104 Weyer, Johann: De praestigiis daemonum (wie Anm. 46), S. 197v.
105 Vgl. Harald Sipek, "Newe Zeitung" - Marginalien zur Flugblatt- und Flugschriftenpublizistik In: Harald Siebenmorgen (Hg.): Hexen und Hexenverfolgung im deutschen Südwesten. Volkskundliche Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseums Karlsruhe. 2Bde., Karlsruhe 1994, Aufsatzband 2/2, S. 85-92.
106 Dieser Fall, der in fast keiner Übersicht fehlen darf, die sich mit dem Hexenwesen in Deutschland oder gar den Themen Werwolf oder Vampir befaßt und der die Autoren meist nur zu atemlosem Stammeln über das "Grauen" verführt, ist bisher noch keiner kritischen Würdigung unterzogen worden. Fast alle Veröffentlichungen beschränken sich auf die Zitation von spektakulären Textpassagen aus den vier heute noch verfügbaren Flugblättern. Da die Gerichtsakten der zuständigen Herrschaft Salm-Reifferscheid in den Wirren des 17. Jahrhunderts verloren gingen, erscheint es besonders schwierig, die innere Logik dieses Falles und die für die öffentliche Meinung prägende Wirkung angemessen zu bewerten. Deshalb ist es besonders schmerzlich, daß die jahrelangen Nachforschungen des Bedburger Bürgers Ernst Schopen, deren Veröffentlichung er unter dem Titel "Der Eprather Werwolf" plante, vorerst verloren scheinen. Schopen starb nach langer Krankheit am 2. März 2000 in seiner Heimatstadt Bedburg.
107 Johannes Negele, Augsburg 1589 und Lucas Mayer (Mair), Nürnberg 1589; vgl. dazu W. Harms: Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts. Tübingen 1985ff., Bd. IV, S, 412.
108 das nach Ansicht Schopens allerdings Franz Hogenberg zugeschrieben werden müsse.
(Franz Hogenberg (1558-1610) gibt ca. 400 Blätter über deutsche, niederländ.,franz.,engl. und ungarische Ereignisse heraus; zumeist mit Kurzversen, für die er sich auf Augenzeugen beruft. Vgl. Karl Schottenloher, Flugblatt und Zeitung. Berlin 1922, 2.Bde., Neudr. München 1985, Bd. 1, S. 284)
109 A true Discourse. Declaring the damnable life and death of one Stubbe Peeter (...). London 1590.
Eine deutsche Übertragung findet man hier auf diesen Seiten.
110 H. Alldieck: Akten und Urkunden zur Geschichte des Horster Gerichtswesens. In: Vestische Zeitschrift. Zeitschrift der Vereine für Orts- und Heimatkunde in Veste und Kreis Recklinghausen, Bd.33, 1926, (S. 180-202), S. 201.
111 Stadtarchiv Lemgo A 3636.
112 Ursula Bender-Wittmann, There and back again. In: Gisela Wilbertz, Gerd Schwerhoff, Jürgen Scheffler (Hg.), Hexenverfolgung und Regionalgeschichte. Die Grafschaft Lippe im Vergleich. Bielefeld 1994, (S. 71-81) S. 77.
113 Landeshauptarchiv Koblenz, Abt. 211, Nr. 2291; den Hinweis auf dieses bisher unedierte Verfahren verdanke ich Rita Voltmer, Trier.
114 Vgl. Soldan-Heppe: Geschichte der Hexenprozesse wie Anm. 92), S. 33 f.
115 Rainer Walz: Der Hexenwahn vor dem Hintergrund dörflicher Kommunikation (wie Anm. 80), S.15f.
116 HStAW 369/145; Faksimile und Transkription bei Lorey(wie Anm.9), S. 316-340.
117 Stadtarchiv Herborn, Halsgerichtsbuch Nr. 3.
118 HStAW 369/50.
119 HStAW 369/441.
120 zitiert nach F. Heil: "Wewer Hans", der Hexenpfeifer und Werwolf von Dombach. Auszug aus den Camberger Hexenprozessen vom Jahr 1659. In: Idsteiner Heimatschau 1928.
121 Gerd Schwerhoff: Hexerei, Geschlecht und Regionalgeschichte. Überlegungen zur Erklärung des scheinbar Selbstverständlichen. In: Gisela Wilbertz, Gerd Schwerhoff, Jürgen Scheffler (Hg.): Hexenverfolgung und Regionalgeschichte. Die Grafschaft Lippe im Vergleich. Bielefeld 1994, (325-353), S. 348.
122 Jean-Jacques Barloy: L'Ordinateur a-til démasqué la bête du Gevaudan? Lorsque l'homme se cache derrière la bête. In: Les dossiers de l'Histoire. Jg. 12, 1986, Nr. 62; vgl. auch Serge Colin: Autour de la Bete de Gévaudan. Puy-en-Velay. 1990.
123 zitiert nach Elisabeth Husemann: Die Hexenverfolgung in Lippe unter besonderer Berücksichtigung der Kinderprozesse. Prüfungsarbeit der Päd. Akademie in Bielefeld, 1957, S. 49.
124 z.B. Hartwig Weber: "Von der verführten Kinder Zauberei". Hexenprozesse gegen Kinder im alten Württemberg. Sigmaringen 1996.
125 Hans-Peter Pracht: "täntze, todt und teuffel". Die grausame Spur der Hexenverfolgung in der Eifel. Aachen 19932, S. 133.
126 Eine vorläufige Auflistung mit Aktenstandorten findet sich auf der angegebenen Internetseite.
127 zum Begriff des Wolfbanners: Fritz Byloff: Wolfbannerei. In: Oberdeutsche Zeitschrift für Volkskunde Jg. 1, 1927, H. 2, S. 127-136.
128 Martin Scheutz: Bettler - Werwolf - Galeerensträfling. Die Lungauer "Werwölfe" des Jahres 1717/18 und ihr Prozeß. In: Salzburgarchiv. (im Druck 2001)
129 Von den 31 Werwolfprozessen in Estland richten sich 18 Verfahren gegen Frauen vgl. Maia Madar: Estonia I; Werewolves and Poisoners. In: Bengt Ankarloo, Gustav Henningsen (Hg.): Early Modern European Witchcraft. Centers and Peripheries. Oxford 1990, S. 257-272
130 Hans Peter Duerr: Traumzeit. Über die Grenzen von Wildnis und Zivilisation. Frankfurt a.M. 1979, S. 98.
131 Vgl. Keith Roberts: Eine Werwolf-Formel. Eine kleine Kulturgeschichte des Werwolfs. In: Ulrich Müller, Werner Wunderlich (Hg.): Dämonen Monster Fabelwesen. Mittelalter-Mythen, Bd.2. St Gallen 1999, S. 565-581.
132 Vgl. Martine Ostorero, Agostino Paravicini Bagliani, Kathrin Utz Tremp (Hg.); L'imaginaire du sabbat (wie Anm. 4), S. 153 u. 233.
133 Vers 17758; ebd. Die neue kritische Edition (S. 439-508), S. 451.
134 Jakob Sprenger, Heinrich Institoris: Der Hexenhammer. Übertragen und eingeleitet von J. W. R. Schmidt. München 198211, Teil I, S. 14.
135 ebd. Teil I, S. 155. Schon in einem zwischen 1474 und 1485 entstandenen Lübecker Beichtspiegel findet sich die Frage: "Hast du geglaubt, daß die Leute werden zu Wehrwölfen?" zitiert nachWolfgang Behringer: Hexen und Hexenprozesse in Deutschland. München 4. Aufl. 2000, S.71.
136 Jean Bodin (wie Anm. 103), S. 243.
137 Vgl. Rudolf van Nahl: Zauberglaube und Hexenwahn im Gebiet von Rhein und Maas. Spätmittelalterlicher Volksglaube im Werk Johann Weyers (1515-1588). Bonn 1983, S. 186
138 Johann Weyer: De praestigiis daemonum (wie Anm. 46), S. 48.
139 Heinrich von Schultheiß: Eine Außführliche Instruction... (wie Anm. 26), S. 361.
140 Weyer (wie Anm. 46), S. 47.
141 "Der Psychologe Ronald R. Comer von der Princeton-University (US-Bundesstaat New Jersey) beschreibt beispielsweise einen Psychotiker, der immer wieder das Gefühl hatte, sich in einen Wolf zu verwandeln. Der Patient sah diese Veränderung dann auch im Spiegel." Zitiert nach: Erich Kasten: Wenn das Gehirn aus der Balance gerät: Halluzinationen. In: Spektrum der Wissenschaft, Dezember 2000, S. 64ff.; vgl auch Cecil Helman: Körper Mythen. Werwolf, Medusa und das radiologische Auge. München 1991, S. 104ff.; Leubuscher (wie Anm. 8), S. 55ff.
142 Vgl. Michael Jakoby: wargus, vargr, "Verbrecher", "Wolf". Eine sprach- und rechtsgeschichtliche Untersuchung. Uppsala 1974, S. 90f.; auch Ernst-Dietrich Güting, Michel Beheims Gedicht gegen den Aberglauben und seine lateinische Vorlage, in: Forschungen und Berichte zur Volkskunde in Baden-Württemberg 1974-1977, H. 3, (S. 197-220), S. 208.
143 Christoph Daxelmüller: Bibliographie barocker Dissertationen. Teil 1-5. In: Jahrbuch für Volkskunde, 1980, N.F.3, (S. 194-238), S. 214.
144 Löher (wie Anm. 60), S. 242ff. Löher zitiert hier aus dem verschollenen "Brillen-Traktat" des sauerländischen Pfarrers und Verfolgungsgegners Michael Stapirius (Stapert).
145 HStAW 369/195.
146 HStAW 369/145.
147 HStAW 369/50.
148 H. Alldieck (wie Anm. 110), S. 203.
149 Rolf Schulte: Hexenmeister (wie Anm. 39), S. 29.
150 Weyer( wie Anm. 46), S. 196v
151 Chonikalische Mitteilung des Johann Fründ: Rapport sur la chasse aux sorciers et aux sorcières mene dès 1428 dans le diocèse de Sion. In: Martine Ostorero, Agostino Paravicini Bagliani, Kathrin Utz Tremp (Hg.); L'imaginaire du sabbat (wie Anm.4), S. 36; zuvor schon bei Hansen (wie Anm. 25) S. 535, (allerdings in falscher Seitenfolge der Handschrift).
152 Herbert Pohl: Hexenglaube und Hexenverfolgung (wie Anm. 12), S. 312.
153 Wolfgang Behringer: Chonrad Stoeckhlin und die Nachtschar. Eine Geschichte aus der frühen Neuzeit. München 1994.
154 Carlo Ginzburg: Die Benandanti (wie Anm. 52)
155 Sabine Richter: Werwölfe und Zaubertänze (wie Anm. 45).
156 Tage zum Wechsel der vier Jahreszeiten, zugleich kirchliche Fasttage.
157 Vgl. Lutz Röhrig im Vorwort zu Claude Lecouteux: Geschichte der Gespenster und Wiedergänger im Mittelalter. Köln/Wien/Böhlau 1987.
158 Richter (wie Anm. 45), S. 106.
159 Walter Niess: Hexenprozesse in der Grafschaft Büdingen. Protokolle, Ursachen, Hintergründe. Büdingen 19842, S. 153-182.
160 Richter (wie Anm. 45), S. 95.
161 Claude Lecouteux: Vom Schratt zum Schrättel. Dämonisierungs-, Mythologisierungs- und Euphemisierungsprozeß einer volkstümlichen Vorstellung. In: Euphorion, Jg. 79. 1985, (S. 95-108) S. 95.
162 Zuletzt ausführlich gedeutet von Merili Metsvahi (Göttingen) in ihrem Vortrag vom 22. Sept. 2000 an der Universität Dorpat: Werwolfprozesse in Estland und Livland im 17. Jahrhundert. Zusammenstöße zwischen der Realität von Richtern und von Bauern. (persönliche Mitteilung).
163 Vgl. Hermann von Bruiningk: Der Werwolf in Livland und das letzte im Wendenschen Landgericht und Dörptschen Hofgericht i.J. 1692 deshalb stattgehabte Strafverfahren. In: Mitteilungen aus der Livländischen Geschichte, 22.Jg. H.3, 1924, S. 163-220 (im Anhang die Wiedergabe das ausführliche Protokoll zum Fall Thies.)
164 Neben methodischen Einwänden hier nur als Beispiel Wolfgang Schilds Einwurf zum Fall des livländischen "Werwolfs" Thies: "Man könnte darin vielleicht eine Art Geständniszwang sehen, der dieses Sich-Lobpreisen als eines guten Kämpfers als eine Verdeckung eines tieferliegenden Selbstzweifels enttarnen könnte. Denn dem Alten mußte klar sein, daß er Übernatürliches wollte." Wolfgang Schild: Missetäter Wolf. In: Wirkungen europäischer Rechtskultur. Festschrift für Karl Kroeschell. Hrsg. Von Gerhard Köbler und Hermann Nehlsen. München 1997, (S. 999-1031), S. 1022.
165 Konrad Müller: Die Werwolfsage. Studien zum Begriff der Volkssage. Karlsruhe 1937, S. 50.
166 Der Werwolf als zentrales Erzählmotiv für die "Beziehung zwischen Mensch und Mensch im Bereich der Liebe". Vgl. Manfred Bambeck: Wiesel und Werwolf. Typologische Streifzüge durch das romanische Mittelalter und die Renaissance. Stuttgart 1990, (S. 57-81), S. 80.
167 Zitiert nach Wilhelm Hertz, Der Werwolf (wie Anm. 7), S. 112. (Nach einer Bretonischen Handschrift von 1250 handelt es sich bei dem Urheber dieses Bannes um den den Heiligen Patrik. In einer Region Irlands, aus dem das wolfsverwandelte Ehepaar stammte, hatten sich die Bewohner den Bekehrungsversuchen des Heiligen mit einem wolfsartigen Geheul widersetzt. Um sie dafür zu bestrafen, legte er auf diese Gemeinschaft den Fluch, daß alle sieben Jahre zwei unter ihnen sich in Wölfe verwandeln mußten. Vgl. dazu Gael Milin, Les Chiens de Dieu. Brest 1993, S. 70)
168 Vgl. Grimm: Deutsches Wörterbuch, Bd. 14, I,2, Sp.504; Wolfgang Schild: Stichwort Werwolf, In: Lexikon des Mittelalters IX, 1998, Sp. 13-14.
169 zitiert nach Alfred Höck: Bemerkungen zum "Werwolf" (wie Anm. 77), S. 72.
170 Vgl. Weisthümer der Gesetze, Ordnungen und Vorschriften (wie Anm. 40), Teil II, S. 174.
171 Konrad Müller: Die Werwolfsage (wie Anm. 165), v.a .S. 51-109.
172 Vgl. C. Beyer: Mecklenburgische Geschichte in Einzeldarstellungen. Zauberei und Hexenprozesse im evangelischen Mecklenburg. Berlin 1903, S. 302.

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© Elmar M. Lorey 2001

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