Ein Bilderspaziergang
durch die Geschichte der "alten" Johanniskirche
in Niederwalluf

Kirchenruine und Turmburg von SüdenDie Ruine der alten Johanniskirche, deren Geschichte wir auf dieser Seite anhand einiger historischer Abbildungen verfolgen, liegt ein wenig versteckt in den Rheinwiesen östlich von Walluf, gleich hinter dem Damm des (Wiesbaden-)Schiersteiner Wasserwerkes. Die kargen Mauerreste "machen nichts her", wie man so sagt und doch kann man kleine Entdeckungen machen. Zugleich hat der Ort einen eigenen Charme, der sich nicht zuletzt aus seiner langen Geschichte speist.
(Ansicht von Süden, rechts die Reste der Turmburg aus ottonischer Zeit 9./10. Jahrhundert).




1575Auf einer Ansicht von 1575 (Ausschnitt einer Landkarte, die für einen Prozeß zwischen Kurmainz und Kurpfalz angefertigt wurde) wird deutlich, wie weit sich das Dorf Niederwalluf seit dem 14. Jhdt. von seinem ursprünglichen Standort (rechts die Kirche) entfernt hat. Es ist schon die Zeit des 3. Bauwerkes, das noch immer als Pfarrkirche dient. Mitten im Dorf die Adelheidkapelle. Der nicht realistische Größenunterschied der beiden Kirchen kennzeichnet jedoch die schwindende Bedeutung der "alten" Kirche, die nun rund 500 m östlich des Dorfes liegt.



1751Auf einer Karte von 1751 (Ausschnitt) sind Dachkonstruktion, Turmhelm und die Kirchhofmauer aus dem Jahre 1527 deutlich zu erkennen. Die Johanniskirche ist jetzt nicht mehr Pfarrkirche, doch das Gelände dient noch als Friedhof und zu bestimmten Anlässen wird hier noch Gottesdienst gefeiert.

 


 

um 1790Auf einem Gemälde von etwa 1790 (Ausschnitt) des Mainzer Malers Georg Schneider (1759-1843), dem jüngeren Bruder des Caspar Schneider, der die schöne Skizze von 1813 anfertigte, sehen wir den Blick von oberhalb des Dorfes nach Osten. Deutlich der kleine Turm der noch unbeschädigten Kirche mitten im Rheinbogen, der damals noch nahe an die Kirche heranreichte. Eine Lage "schön und gefährlich", wie Goethe schreibt. Denn hier staute sich leicht das Treibeis des Flusses. Kaum fünf Jahre später wird das kleine Kirchlein im Zuge der Kämpfe zwischen französischen Revolutions-Truppen und dem kaiserlichen Militär um die Stadt Mainz arg in Mitleidenschaft gezogen. Im Hintergrund die Schiersteiner Kirche. Rechts oben am Rheinufer als weißer Schatten das Biebricher Schloß.




um 1813Die romantische Ruine wie Caspar Schneider (1755-1839) sie in seinem Skizzenbuch von 1813 festgehalten hat. (Blick von Osten zum Dorf) Ein wertloser Steinhaufen, der 1807 vom Bischof entwidmet wurde. Die Gemeinde möchte ihn am liebsten verhökern, für den Bau der neuen Straße nach Schierstein. Doch das mißlingt. Für die Reisenden der gerade "modernen" Romantik freilich ist die Ruine Sinnbild "verlorener Heimat" und "Denkmal alter menschlichen Heldenzeit" (Schlegel).
 

um 1860Das weitere Schicksal kündigt sich auf dieser Rheinlaufdarstellung von 1860 an (Ausschnitt). Der Zeichner F.W. Delgeskamp kennt den Ort vom Augenschein. Um 1820 hat er die Wallufer Rheinfront recht zutreffend in eine Kupferplatte gegraben. Auch wenn er das Dorf und die Kirche ein wenig schönt, zeigt er bei der Johanniskirche "was ist": Mit einem provisorischen Dach versehen dient sie jetzt als Scheune und Eiskeller. Als sakrales Bauwerk ist sie nicht mehr zu erkennen.

 

um 1900Eine Postkartenansicht vom Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts zeigt den Bogen des Ostchores bis auf eine Stalltür vermauert. Im Winter lagert eine Gärtnerei dort ihre Pflanzen ein. Diese letzte nützliche Funktion bewahrt sie noch immer vor dem Abriß.
 
 
 
 


 

Vor 1930In den Jahren vor 1930/31 ist das Dach längst eingestürzt. Die Fenster und das kleine Westportal sind noch immer vermauert. Doch ein geschichtsinteressierter Weinhändler aus dem Badischen, der in Niederwalluf nun Bürgermeister geworden ist, ahnt etwas von dem historischen Schatz: Alfred Spiegelhalter initiiert ein Grabungsprojekt.





Ausgrabung 1930/31Neben einer ersten Sanierung des Bauwerkes führen die Arbeiten unter der Leitung des Wiesbadener Archäologen Dr. Ferdinand Kutsch zu überraschenden Funden aus der Frühzeit der Kirche. Anhand von Scherbenfunden läßt sich gar eine Besiedlung des Platzes bis weit in vorchristliche Zeit nachweisen. Im Bild ein gemauertes Grab aus dem 10./11. Jhdt. in der Südwest-Ecke der heutigen Ruine. Es befindet sich auf dem Geländeniveau des Ursprungsbaus.




 

Nach 1945Die Pläne, an diesem Ort einen archäologischen Park zu errichten, macht der Zweite Weltkrieg zunichte. Das Gelände verwildert und wird wieder zum Abenteuerspielplatz der dörflichen Jugend. Doch dann steht 1970 die 1200Jahr-Feier der Gemeinde bevor. Jetzt sind es "Die Freunde der Wallufer Geschichte", die sich der ehemaligen Wiege des Dorfes, zumindest einem seiner historischen Zentren, beherzt annehmenn und die Ruinen in vielen Stunden ehrenamtlicher Arbeit wieder herrichten. Diesem Bürgerengagement ist es u.a. zu verdanken, daß die kargen historischen Reste erhalten blieben.


 

Inschrift von 1668UmschriftZum Beispiel diese Inschrift in einem Binder der Südwest-Ecke. Sie stammt aus dem Jahre 1668, also 20 Jahre nach Ende des Dreißigjährigen Krieges und gerade zwei Jahre nach der großen Pest von 1666, die auch den Rheingau fast zu einem Drittel entvölkert hatte. Sie nennt uns die Wein- und Kornpreise dieses Jahres 1668, und der Wein - dazu ein schwacher Jahrgang - war unverschämt teuer: 3 Albus die Maß (1,69 Liter). Das bedeutet: mehr als einen Taglohn für die heute übliche 0,75Flasche. Zugleich waren die Kornpreise in den Keller gesackt (25 Albus für den Malter = 128 Liter). Wenige Jahre zuvor kostete die gleiche Menge noch das Hundertfache. Dürre Zeiten für Weintrinker, schlechte Zeiten für Kornbauern.

Warum aber ein Steinmetz uns diese Nachrichten  übermitteln wollte, das bleibt auch heute ein Rätsel. Wie vieles andere um diese beiden Ruinen, das noch immer unentdeckt ist. Wer sich allerdings an einem Sommernachmittag dort in den Schatten der Bäume legt, zwischen die alten Mauern, und auf das Gras, das über den Gräbern all derer wächst, die über hunderte von Jahren dort schon ausruhen, der wird davon vielleicht etwas erfahren, von dem freilich nur schwer zu berichten ist ...

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10/2002